Ist Mercedes schon an Ferrari vorbei?

Von Alexander Mey
Michael Schumacher fuhr im neuen Mercedes die neuntschnellste Zeit in Barcelona
© Getty

Kurz vor Beginn der letzten Woche der Wintertests in Barcelona gilt es, noch einmal ein Zwischenfazit der bisherigen Tests zu ziehen. Inwieweit hat sich das Bild im Vergleich zur ersten Woche in Jerez verändert?

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Zwei von drei Wochen, also acht von zwölf Tagen sind vorbei, die Testfahrten vor dem Saisonstart am 18. März in Melbourne setzen zum Endspurt an. Von Donnerstag bis Sonntag müssen die Boliden in Barcelona den Feinschliff bekommen.

Das wird bei einigen zumindest bis zu einem gewissen Grad klappen, bei anderen ist daran nicht ansatzweise zu denken. Eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der Teststatistiken aus Barcelona.

Red Bull: 364 Testrunden - Bestzeit: 1:22,891 (Sebastian Vettel, Platz 5)

Vettel und Webber drehten wie in Jerez auch in Barcelona unauffällig ihre Kreise, ohne allerdings beim Blick auf die Straßenlage des RB8 einen Zweifel daran zu lassen, wer auch 2012 wieder die Messlatte sein wird.

Beide Piloten hatten zeitweise mit Getriebeproblemen zu kämpfen, was dazu geführt hat, dass Red Bull in Sachen Testrunden nur auf Rang sechs liegt. Auch Hitzeentwicklung am Auspuff soll ein Problem gewesen sein.

"Das ist nichts, worüber wir uns Sorgen machen müssten", beteuerte Teamchef Christian Horner. Allerdings ist der RB8 nicht ganz so standfest wie sein Vorgänger zu dieser Zeit.

Vielleicht auch deshalb wittert McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh etwas Morgenluft, wenn er gegenüber "auto, motor und sport" sagt: "Red Bull hat ein solides, schnelles Auto. Aber sie sind nicht super überlegen. Wir sind besser in schnellen Kurven, sie in langsamen."

McLaren: 464 Testrunden - Bestzeit: 1:23,200 Minuten (Jenson Button, Platz 8)

Die Nervosität nach der ersten Testwoche, als man noch nicht genau wusste, wo man mit der untypisch tiefen Nase liegt, ist ein wenig der Zuversicht gewichen. Der McLaren liegt sehr gut auf der Straße, fast so gut wie der Red Bull, sagen Experten wie Ex-Pilot Alexander Wurz.

Auch die Tatsache, dass es sich McLaren leisten kann, keine Showrunden zu drehen sondern lieber mit vollen Tanks Rennsimulationen zu fahren, spricht für große Selbstsicherheit im Team.

Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel besser die Tests im Vergleich zu 2011 laufen. "Da sind wir unsere erste Renndistanz in Melbourne gefahren. Jetzt legen wir 500 Kilometer pro Tag zurück. Die Startbasis ist deutlich besser", sagte Whitmarsh. Platz zwei bei der Zahl der Testrunden dient als Beleg dafür.

Ferrari: 349 Testrunden - Bestzeit: 1:23,180 Minuten (Fernando Alonso, Platz 7)

Es ist alles besser geworden im Vergleich zu Jerez, aber wirklich zufrieden ist bei den Roten immer noch niemand. Die Rundenzeiten sind Durchschnitt, die Zahl der Testrunden auch. Zu zahlreichen Umbauten des Set-Ups und aufwändigen Aerodynamik-Tests kamen in Barcelona auch noch technische Probleme dazu.

Der F2012 gibt immer noch Rätsel auf, besonders im Grenzbereich soll das Auto sehr kritisch zu fahren sein. Wohl der Hauptgrund dafür, dass im Vergleich zu Red Bull und McLaren die Konstanz fehlt. Einige Experten schieben die Tatsache, dass das Auto zickt, auf die Vorderradaufhängung. Ferrari hat das Konzept von Druck- auf Zugstreben-Technik umgestellt, was offenbar die Fahrzeugabstimmung schwieriger macht.

Alles nicht besonders erfreulich, aber auch kein Grund zur Panik. "Wir entwickeln das neue Auto immer weiter. Möglicherweise machen wir nur kleine Schritte nach vorne, aber die kommen wenigstens konstant. In Barcelona war der F2012 schon besser als in Jerez, diese Woche wird er noch einmal besser sein - und für Melbourne gelingt uns hoffentlich noch ein Schritt", fasste Fernando Alonso zusammen.

Mercedes: 506 Testrunden - Bestzeit: 1:23,384 Minuten (Michael Schumacher, Platz 9)

Sieg bei der Zahl der Testrunden für den neuen Silberpfeil - allerdings kein ganz fairer, denn das Auto war nach einem eingesparten Tag in Jerez in Barcelona fünf Tage lang auf der Strecke.

Trotzdem bleibt nach anfänglichen technischen Problemen der Eindruck, dass der Silberpfeil sehr standfest ist. Die Rennsimulationen an den letzen beiden Tagen verliefen reibungslos.

"Wir müssen nicht mehr ständig nachbessern", sagte Teamchef Ross Brawn. "Im letzten Jahr hielten uns die Kühlprobleme lange in Atem. Jetzt läuft das Auto und wir können uns allein darauf konzentrieren, es schneller zu machen."

Ex-Pilot Wurz sieht Mercedes sogar schon auf Platz drei in der Hierarchie, vor Ferrari. "Die haben einen Schritt nach vorne gemacht", urteilte Wurz gegenüber der "SportWoche".

Zu Siegen wird es aber zu Beginn noch nicht reichen. Daran glauben nach dem Vergleich der Rennsimulationen nicht einmal die kühnsten Optimisten. "Red Bull war schneller", sagte Brawn "auto, motor und sport" nach seiner Datenanalyse: "Etwas deutlicher, als wir uns das erhofft hatten."

Lotus: 7 Testrunden - Bestzeit: 1:26,809 Minuten (Romain Grosjean, Platz 21)

Eine Katastrophen-Woche hat aus dem Geheimtipp von Jerez ein Sorgenkind gemacht. Eine Schwachstelle am Chassis, die nicht vor Ort behoben werden konnte, beendete den ersten Barcelona-Test des Teams nach gerade mal sieben Runden. Lotus reiste ab, vier Tage waren praktisch futsch.

In harter Arbeit im Werk ist das Chassis-Problem nach Aussage des Teams behoben worden. Es ist nun stabiler, wenn auch ein Kilogramm schwerer als zuvor. Trotzdem lassen sich die verlorenen Kilometer in den verbleibenden Tagen nicht mehr komplett aufholen.

Lotus muss also hoffen, an die problemlosen Tests in Jerez anschließen zu können, um zumindest leidlich gut vorbereitet nach Melbourne reisen zu können. Immerhin galt vor allem Kimi Räikkönen dort als heimlicher Podiumskandidat.

Teil 2: Die Showmänner der Barcelona-Woche

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