Schumacher: Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Von Alexander Mey
Michael Schumacher machte in einigen Rennen sehr viel Spaß, in anderen machte er Fehler
© spox

Die Saison 2011 ist vorüber. Aber was bleibt nach 19 Rennen hängen? Sicher die zahlreichen Rekorde von Sebastian Vettel und Red Bull. Aber auch die zwei Gesichter des Michael Schumacher. Ein Rückblick.

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Positive Schlagzeilen 2011

 

Vettel und Red Bull jagen Rekorde

Was für ein Jahr für Sebastian Vettel und Red Bull! "Wir werden mit sehr viel Stolz zurückblicken", sagte Vettel nach dem Saisonfinale in Brasilien. Wie Recht er hat, sollen einige Zahlen unterstreichen.

Vettel hat 15 Pole-Positions in 19 Rennen geholt und damit den 19 Jahre alten Rekord von Nigel Mansell von 14 Poles (allerdings in nur 16 Rennen) gebrochen. Red Bull stand bei 18 von 19 Rennen auf Startplatz eins (15 Mal Vettel, drei Mal Webber), auch das ist Rekord. Noch nie hat es ein Team geschafft, alle Poles in einer Saison zu holen. Lewis Hamilton hat Red Bull in Südkorea die Show vermasselt. Trotzdem ist die Quote von 94,7 Prozent die beste aller Zeiten.

Qualifying-Duelle: Die Endstände in allen zwölf Teams

Kommen wir zu den Rennen. Dort hat Vettel mit elf Siegen zwar nur die zweitbeste Marke von Michael Schumacher aus dem Jahr 2002 eingestellt und den Rekord von 13 aus dem Jahr 2004 verpasst, dafür hat er aber mit 17 Podestplätzen Schumachers Bestmarke eingestellt. Allerdings bei 19 Versuchen, Schumacher stand 2002 bei allen 17 Rennen auf dem Podest.

Die Kategorie, in der Vettel eindeutiger Rekordhalter ist, ist die der Führungsrunden in einer Saison. Es waren bei ihm 2011 739. Nigel Mansell kam in seinem WM-Jahr 1992 auf 694, Schumacher in seiner besten Saison auf 683. Vettel hat nur am Nürburgring und bei seinem Erstrunden-Aus in Abu Dhabi keine Führungsrunden gesammelt.

Dass seine 392 WM-Punkte Rekord sind, ist angesichts der erst zwei Jahre alten Punkteregel kein Wunder, aber rechnet man seine Ergebnisse auf das alte Punktesystem um, käme er auf 161 Zähler und hätte damit 13 mehr als Schumacher in seiner Rekordsaison 2004. Die Tatsache, dass er 136 Punkte mehr geholt hat als bei seinem WM-Titel 2010 und 122 mehr als Vize-Weltmeister Jenson Button, ist ebenfalls beeindruckend.

Übrigens: Mit seinen 256 Punkten aus dem Vorjahr wäre Vettel diesmal nur WM-Vierter geworden.

Red Bulls Ausbeute von sage und schreibe 650 WM-Punkten bedeutet eine Verbesserung von 152 Zählern gegenüber dem Vorjahr und einen Vorsprung von 153 auf Vize-Weltmeister McLaren. Rechnet man hier das Ergebnis auf das alte System um, kommt man auf 279 Punkte - wieder Rekord. Ferrari hatte 2004 mit Schumacher und Rubens Barrichello 262 Zähler auf dem Konto.

Pirelli startet neue Zeitrechnung

Pirelli-Sportchef Paul Hembery hat es im SPOX-Interview gesagt: "Als Firma müssen wir sehr stolz sein, das Projekt Formel 1 in so einer kurzen Zeit so gut umgesetzt zu haben. Wir hatten keine grundlegenden Probleme, die Rennen waren spektakulär, das Feedback von Experten, Fans und Teams war sehr positiv."

Man kann sogar noch weiter gehen und sagen, dass Pirelli eine neue Zeitrechnung in der Formel 1 eingeläutet hat - die der bis zum Schluss unberechenbaren Rennen. In Zeiten, in denen Benzinmangel kaum noch ein Thema war und technische Defekte immer seltener wurden, waren in den letzten Bridgestone-Jahren so gut wie alle Rennen nach den letzten Boxenstopps entschieden.

Das war 2011 völlig anders. Nachzufragen bei Vettel, der sowohl in China als auch in Kanada den Sieg erst in den letzten Runden verloren hat. Auch viele andere Positionswechsel haben sich erst in den letzten Runden angedeutet. Aktuellstes Beispiel ist das Überholmanöver von Button gegen Fernando Alonso in Brasilien.

In anderen Rennen gab es zwar keine Führungswechsel mehr, aber deshalb waren sie trotzdem bis zum Schluss dramatisch. In Barcelona und Monaco verteidigte Vettel seinen ersten Platz bis zur Ziellinie mit Zähnen und Klauen, in Japan trennten die ersten Drei gerade mal zwei Sekunden.

Die Reifen sorgten für derart viel Spannung und Überholmanöver, dass man sich fragen muss, ob man die technischen Hilfsmittel KERS und DRS überhaupt gebraucht hätte.

Hembery äußerte sich dazu diplomatisch: "Die Teams sind mit dem Paket aus unseren Reifen, DRS und KERS glücklich."

Die Rennstrategie ist durch die wesentlich höhere Zahl an Boxenstopps und schnelleres Abbauen der Reifen auf ein völlig neues Level gehoben worden.

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Montreal: Das verrückteste Rennen seit Jahren

Die vergangenen Jahre haben die Formel-1-Fans mit spannenden Rennen und dramatischen WM-Entscheidungen verwöhnt, aber ein Rennen wie das in Kanada 2011 hat es wohl seit dem WM-Drama um Lewis Hamilton und Felipe Massa in Brasilien 2008, das bei chaotischen Wetterverhältnissen in der allerletzten Kurve entschieden wurde, nicht mehr gegeben.

Es ging in Montreal schon damit los, dass das Rennen wegen starken Regens hinter dem Safety-Car gestartet werden musste. Nach 25 Runden und jeder Menge Ausrutscher kam dann wegen Platzregens der Abbruch.

Als es nach zwei Stunden Wartezeit endlich weiterging, avancierte Jenson Button zum irren Helden des Nachmittags. Er kollidierte erst mit Teamkollege Hamilton, dann mit Alonso und beförderte beide aus dem Rennen. Er erhielt eine Durchfahrtsstrafe und war insgesamt sechs Mal an der Box.

Zwischenzeitlich lag er auf Position 21, doch als die Strecke abtrocknete, war er auf den Slicks pro Runde mehr als eine Sekunde, manchmal sogar mehr als zwei Sekunden schneller als der eigentlich deutlich führende Vettel. In der letzten Runde rutschte Vettel dann bei dem Versuch, sich Button vom Leib zu halten, von der trockenen Ideallinie aufs Nasse und musste dem Engländer den Sieg überlassen.

Passend zum turbulenten Rennen lag Michael Schumacher bis wenige Runden vor Schluss auf Platz zwei, bevor er dank DRS erst Button und dann auch noch Webber hilflos passieren lassen musste.

"That was a hell of a race", resümierte Button seinen Sieg. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Button: Besser als im WM-Jahr 2009

Bleiben wir bei Button, der positivsten Überraschung des Jahres. Der Weltmeister von 2009 hat sich entgegen aller Prognosen zur Nummer eins bei McLaren gemausert und Lewis Hamilton abgehängt. Natürlich haben ihm Hamiltons private Probleme in die Karten gespielt, aber trotzdem war seine Konstanz beeindruckend.

Obwohl er das Qualifying-Duell mit 6:13 vermeintlich klar verloren hat, war er oftmals sehr nah an Hamilton dran. Im Rennen hat er dann durch einen perfekten Mix aus konstantem Speed, Aggressivität beim Überholen, Reifen schonender Fahrweise und richtigen strategischen Entscheidungen drei Siege und insgesamt zwölf Podestplätze eingefahren.

Ein würdiger Vize-Weltmeister, der fahrerisch sogar deutlich besser war als in seiner WM-Saison. Damals hatte er in der ersten Saisonhälfte ein deutlich überlegenes Auto und danach gegen Teamkollege Rubens Barrichello große Probleme. Diesmal holte er aus dem McLaren fast immer das Optimum heraus. Er hat eine Saison am oberen Limit hinter sich.

Michael Schumacher alias Dr. Jekyll

Schumi hat in dieser Saison zwei Gesichter gezeigt. Das gute des Dr. Jekyll, um das es in diesem ersten Teil gehen wird, und das schlechte des Mr. Hyde, das im zweiten Teil erläutert wird.

"Dr. Jekyll" Schumacher zeigte 2011 einige Rennen, in denen er begeistern konnte wie in seinen besten Zeiten. Paradebeispiel war seine grandiose Aufholjagd in Spa von Startplatz 24 auf Rang fünf. Gegen Rennende überholte er bei seinem 20-jährigen F-1-Jubiläum sogar noch Mercedes-Kollege Nico Rosberg, der zu Rennbeginn noch in Führung gelegen hatte.

Weiteres Highlight in Schumachers zweiter Saison nach dem Comeback war der vierte Platz im Chaos von Montreal, in dem er erst kurz vor Schluss und nur wegen des DRS den zweiten Platz an Button und Webber verlor.

Dazu kamen starke fünfte Plätze in Italien, wo er Hamilton ein grandioses Duell lieferte, und Indien sowie ein sechster Rang in Barcelona. Sein bestes Qualifying fuhr Schumacher in Monaco, als er Fünfter wurde. Insgesamt lag seine Stärke aber eindeutig in den Rennen.

Die negativen Schlagzeilen: Schumi alias Mr. Hyde

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