Stoppt den beunruhigenden Trend!

Von Alexander Mey
Auf dem Nürburgring gewann Lewis Hamilton vor Fernando Alonso und Mark Webber
© Getty

Bei Red Bull schrillen nach der zweiten Niederlage in Folge beim Deutschland-GP die Alarmglocken. Der Teamchef prophezeit ein Rennen gegen die Zeit. Sebastian Vettel und Mark Webber warnen vor Ferrari und McLaren.

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Schadensbegrenzung. Dieses Wort hatte bisher in dieser Saison keinen Platz im Wortschatz von Sebastian Vettel. Ausdrücklich in den Mund hat er es auch direkt nach dem Deutschland-GP nicht genommen, aber Platz vier war genau das: Schadensbegrenzung.

"Wir wollen besser sein als Platz vier, aber heute war das unser Maximum", sagte Vettel und gab offen zu: "Mit dem heutigen Tag können wir nicht zufrieden sein."

Natürlich hat es Vettel nicht geschmeckt, ausgerechnet beim Heimspiel auf dem Nürburgring zum ersten Mal die erste Startreihe und zum ersten Mal das Podium zu verpassen. Trotzdem: Wäre das nur ein Ausrutscher gewesen, hätte er sich wahrscheinlich nicht so geärgert.

Webber: Red Bull im Rennen zu langsam

Das Alarmierende an der Pleite ist der Trend, der gegen Red Bull spricht. "Die anderen haben große Schritte nach vorne gemacht. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht stehen bleiben sondern mitziehen", sagte Vettel.

Teamkollege Mark Webber ging nach seinem dritten Platz ins Detail: "Wir wissen, dass wir das Auto im Rennen verbessern müssen. Es ist bei uns schon seit zweieinhalb Jahren so, dass wir im Qualifying sehr stark sind und es in den Rennen dann oft zum Sieg gereicht hat. Jetzt sehen wir aber den Trend, dass wir am Samstag Gesellschaft bekommen und am Sonntag geschlagen werden."

Der nach wie vor WM-Zweite mahnt, sich nicht von der dominanten Führung in Fahrer- und Konstrukteurs-Wertung blenden zu lassen: "Wir haben die erste Saisonhälfte zwar beherrscht, aber in den Rennen waren die anderen immer da. Sebastian hatte einen tollen Lauf, aber seine Siege waren auch immer knapp. Er hat nie mit 20 Sekunden Vorsprung gewonnen."

Punktehamster Vettel profitiert von unkonstanten Gegnern

Aber er hat sechsmal gewonnen, auch wenn er in Monaco und Valencia hart gegen Alonso und in Barcelona hart gegen Hamilton darum kämpfen musste. Am wichtigsten: Er kam immer ins Ziel und hat wertvolle WM-Punkte gehamstert.

So auch auf dem Nürburgring. "Sebastian war in dieser Saison noch nie so unzufrieden mit dem Auto. Es war einfach nicht sein Wochenende, aber am Ende springen trotzdem zwölf wertvolle Punkte für ihn heraus", fasste Teamchef Christian Horner zusammen.

Zu Vettels Glück gab es außerdem lange Zeit das Phänomen, dass an einem Rennwochenende meistens nur Ferrari oder nur McLaren konkurrenzfähig war. Und auch am Nürburgring haben sich Hamilton und Alonso gegenseitig und zusätzlich Webber viele WM-Punkte weggenommen.

So bleibt Vettels Führung in der Fahrerwertung mit 77 Punkten Vorsprung sehr komfortabel. "Es ist schon interessant. Einmal ist Ferrari zur Stelle, einmal McLaren. Nur Red Bull ist konstant immer vorne dabei", erkannte auch Horner.

Ferrari unter allen Bedingungen stark

Die nackten Zahlen sind nach wie vor beruhigend, aber Red Bull will mit allen Mitteln vermeiden, dass die Verfolger noch einmal ernsthaft Lunte riechen.

Immerhin kann Ferrari nach zwei zweiten Plätzen und dem Sieg in Silverstone Mut aus der Tatsache schöpfen, auf drei völlig unterschiedlichen Kursen und unter völlig unterschiedlichen äußeren Bedingungen immer konkurrenzfähig gewesen zu sein. "Das sind gute Voraussetzungen, um den zweiten Teil der Saison zu genießen", sagte Alonso.

McLaren hat es zur eigenen Überraschung geschafft, extrem schnell aus dem tiefen Tal nach den Enttäuschungen von Valencia und Silverstone wieder herauszukommen. Eine Spezialität der Engländer.

Keine Kampfansagen: "Ich halte lieber meinen Mund"

Trotzdem klingen die Aussagen zum Titelkampf auf beiden Seiten noch sehr verhalten. "Schon möglich, dass wir die Lücke zu Red Bull geschlossen haben, aber wenn man alle Streckentypen und alle äußeren Bedingungen betrachtet, sind sie uns vielleicht doch noch einen kleinen Schritt voraus", sagte Nürburgring-Sieger Hamilton und fügte auf die Frage nach einer Kampfansage hinzu: "Ich halte lieber meinen Mund und lasse die Leistung des Autos sprechen."

Alonso meinte: "Red Bull wird schon in Ungarn wieder extrem stark sein. Ich glaube nicht, dass Sebastian schon Druck spürt. Er hatte einfach nur einen schlechten Tag, so etwas passiert."

Auch Hamilton verteidigte den Weltmeister, der sich im Rennen nach einem Fahrfehler gedreht hatte: "Man kann nicht von ihm erwarten, immer perfekt zu sein. Es ist leicht, ihn nach nur einem Rennen zu kritisieren, aber er war bisher unglaublich konstant. Ich bin mir sicher, dass er schon bald zurückschlagen wird. Vielleicht war das nur ein einmaliger Ausrutscher."

Entwicklungsrennen bis zur Sommerpause

So viel Nettigkeit unter WM-Rivalen? Das hat sich in vergangenen Jahren schon ganz anders angehört. Von daher bleibt Red Bull gewarnt und bei der Entwicklung des Autos voll auf dem Gaspedal.

"Wir verlassen Deutschland mit vielen gelernten Lektionen. Wir arbeiten in der Fabrik auf vollen Touren", sagte Horner. Aber nicht mehr lange: "Wir sind mitten in einem Entwicklungsrennen, bevor die Fabriken während der Sommerpause geschlossen werden müssen."

Diese Sommerpause beginnt nach dem Ungarn-GP in nur einer Woche. Der Ausgang dieses Rennens wird also entscheiden, wer die Urlaubswochen entspannter verbringen kann - die Gejagten oder die Jäger.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

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