Drei Deutsche auf dem Podium?

Von Jan-Hendrik Böhmer
Hockenheimring: Alle Kurven, Geschwindigkeiten, Gangzahlen und Fliehkräfte
© spox

19 Strecken stehen im Rennkalender der Saison 2010. Darunter eine völlig neue in Südkorea und einige umgebaute, zum Beispiel in Bahrain oder Silverstone. SPOX stellt vor jedem Rennen den Kurs detailliert mit Grafik, Fakten und Video vor. Darunter eine Runde im Red-Bull-Simulator mit Sebastian Vettel. Strecken-Check, Teil 11: Deutschland.

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Streckendaten:

  • Name: Hockenheimring
  • Ort: Hockenheim
  • Länge: 4,574 Kilometer
  • Runden: 67
  • Renndistanz: 306,458 Kilometer
  • Kurven: 10 Rechtskurven, 7 Linkskurven

VIDEO: Eine Hockenheim-Runde mit Vettel im Rennsimulator

Darauf kommt es an:

Sieben. So viele deutsche Piloten gab es in der Formel 1 noch nie. Dazu Mercedes als komplett deutsches Team. Klingt alles nach einer großen Motorsport-Party beim Heimspiel. Und genau das soll der Deutschland-GP auch werden. Eine große Schumi-Vettel-Party. Wie genau das aussehen kann, hat Vettels Auftritt in Heppenheim bereits gezeigt.

"Eine Sache ist sicher", sagt Michael Schumacher. "Egal wie lange du schon dabei bist: Vor heimischem Publikum zu fahren, ist immer etwas ganz Besonderes."

Dabei stand der Hockenheimring noch vor einem Jahr kurz vor dem Aus. Die Gemeinde, die zu 94 Prozent an der Rennstrecke beteiligt ist, stieg als Promoter aus, weil die erwarteten sechs Millionen Euro Verlust nicht zu finanzieren waren. Erst als Formel-1-Boss Bernie Ecclestone einen neuen Vertrag anbot und damit einen Teil des finanziellen Risikos übernahm, war der Weg frei. Das Schumacher-Comeback und Vettels Erfolge hätten den Rest besorgt, sagt Georg Seiler, Geschäftsführer der Hockenheimring GmbH: "Es sieht so aus, als ob wir am Wochenende 65.000 Zuschauer und damit ein ausgeglichenes Ergebnis haben werden. Am liebsten mit drei deutschen Fahrern auf dem Podium", sagt Seiler.

Zugegeben, das ist etwas unrealistisch. Aber ein spannendes Rennen sollte es allemal geben. Denn dafür gibt es drei gute Gründe: Regen, Reifen und Überholmöglichkeiten.

Regen: Für das gesamte Rennwochenende sind immer wieder Schauer vorhergesagt. Das Regenrisiko schwankt zwischen 60 und 70 Prozent. Und dass ein plötzlicher Regenguss ein Rennen oder Qualifying extrem durcheinanderwirbeln kann, ist nicht erst seit dem turbulenten Training zum Malaysia-GP im April, bei dem Felipe Massa, Fernando Alonso, Lewis Hamilton und Jenson Button im ersten Durchgang scheiterten, bekannt.

Reifen: Doch selbst ohne Regen ist für Spannung gesorgt. Denn Reifenlieferant Bridgestone wagt beim Deutschland-GP eine aggressive Strategie. Man bringt die superweichen und extrem harten Gummimischungen mit an die Strecke. "Das sollte für die Teams eine gute Herausforderung darstellen. Es wird interessant", sagt Bridgestone-Entwicklungschef Hirohide Hamashima. Bereits der Kanada-GP hatte gezeigt, wie stark die unterschiedlichen Gummi-Mischungen die Taktiken der Teams und damit das Renngeschehen beeinflussen. Während die superweichen Reifen bei hohen Temperaturen (vor allem am Freitag) nur wenige Runden halten, ist es schwierig, die harten Pneus auf kalter Strecke (Samstag und Sonntag) zum Arbeiten zu kriegen.

Überholen: "Ich liebe den Kurs. Er ist anspruchsvoll und bietet gute Überholmöglichkeiten. Ein Rennen hier kann sehr oft sehr interessant werden", sagt Nico Rosberg. Und hat recht. Die beste Gelegenheit bietet sich beim Anbremsen auf die Haarnadel. Hier kommen die Fahrer mit weit über 300 Stundenkilometern an und bremsen bis in den ersten Gang auf knapp unter 60 Stundenkilometer herunter. Action ist hier garantiert. Doch nicht nur hier. Auch bei der Einfahrt in die Parabolika wird es immer wieder eng. Und dass in Hockenheim alles passieren kann, zeigt der 2. Platz von Nelson Piquet aus dem Jahr 2008.

Wetter-Prognose:

  • Freitag: leichter Regen, 25-27 Grad, 70 Prozent Regen-Risiko
  • Samstag: Regenschauer, 21-23 Grad, 60 Prozent Regen-Risiko
  • Sonntag: Regenschauer, 19-21 Grad, 60 Prozent Regen-Risiko

Die Favoriten:

Red Bull: Silverstone war eine Machtdemonstration. Jedenfalls was das Qualifying angeht. Acht Zehntelsekunden war Sebastian Vettel da schneller als der beste nicht Red Bull. Wer soll dem Team also in Hockenheim in die Quere kommen? Sie sich selbst vielleicht? Denn dass es zu einem erneuten Stallkrieg zwischen Vettel und Teamkollege Mark Webber kommen könnte, wollte der Australier nicht ausschließen. "Wer weiß", wird Webber von der "Daily Mail" zitiert. "Wenn wir beide in den nächsten Monaten nach wie vor an der Spitze fahren, könnte die Lage etwas angespannter werden." Noch angespannter? Und das ausgerechnet vor Vettels Heimspiel, bei dem Red Bull - sagen wir es vorsichtig - mit Sicherheit nichts gegen einen Sieg des deutschen Lokalmatadoren einzuwenden hätte.

McLaren: Wenn ein Team in der Lage ist, Red Bull unter Druck setzen, dann McLaren. Den Briten sollte die Streckencharakteristik liegen, bereits 2008 war man hier top. "Es gibt einige langsame Kurven, die eine gute Traktion verlangen. Ich denke Hockenheim ist ein gutes Pflaster für uns. Wir sollten eine passende Abstimmung finden und konkurrenzfähig sein", sagt Lewis Hamilton. Weiterer Grund für den Optimismus: die neue Heckpartie samt durch Auspuffgase angeströmtem Diffusor könnte nach dem ersten Test in Silverstone im Rennen zum Einsatz kommen. "Wir sind damit am Freitag gefahren, aber nicht am Samstag und Sonntag. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir ihn in Hockenheim am Freitag am Auto haben, und erwarte, dass wir auch am Samstag und Sonntag damit fahren werden", hofft Teamchef Martin Whitmarsh. Zeitgewinn? "Eine Zehntelsekunde ist schon viel."

Mercedes: Platz drei in Silverstone. Das beste Ergebnis der Saison. Und das direkt vor dem für das Team wichtigsten Rennen des Jahres. Kurz: Es geht aufwärts. "Mit diesem tollen Ergebnis zum Heim-GP zu kommen, gibt uns einen zusätzlichen Motivationsschub", sagt Nico Rosberg. "Wir werden noch härter arbeiten, um uns zu verbessern und ein tolles Wochenende abzuliefern." Konkret heißt das: pünktlich zum Hockenheim-GP hat Mercedes wieder einige Updates parat und hofft, den nächsten Schritt zu machen. "Wir wollen den Fans ein Wochenende bieten, dass sie nicht vergessen", verspricht Michael Schumacher.

Ferrari: Nur vier Punkte aus den letzten beiden Rennen. Sieht so ein Favorit aus? Nicht unbedingt. Dennoch: Die letzten Ergebnisse lassen die Scuderia schlechter aussehen, als sie in Wirklichkeit ist. "Wenn wir einen perfekten Job abliefern, dem Ferrari-Weg folgen, dann kommen die Ergebnisse von ganz alleine", sagt deshalb auch Teamchef Stefano Domenicali. Und das Ziel lautet weiter: der WM-Titel. Wenn man den aber gewinnen will, dann muss man siegen - auch in Hockenheim. Dafür werde man extrem hart arbeiten, heißt es. "Und jeder, der nicht daran glaubt, dass wir den Titel noch gewinnen können, sollte sich besser einen anderen Job suchen", so der Italiener. Möglich ist es allemal. Sowohl Alonso (2005) als auch Ferrari (2004 und 2006) haben seit dem Umbau bereits gewonnen.

Statistik:

  • Sieger 2008*: Lewis Hamilton (McLaren), 1:31:20,874 Stunden
  • Pole-Position 2008*:  Lewis Hamilton (McLaren), 1:15,666 Minuten
  • Schnellste Rennrunde 2008*: Nick Heidfeld (BMW), 1:15,987 Minuten
  • Meiste Siege: Michael Schumacher (4)
  • Meiste Pole-Positions: Nigel Mansell, Ayrton Senna, Alain Prost (alle 3)

* aus dem Jahr 2008, da 2009 auf dem Nürburgring gefahren wurde

Das sagen die Beteiligten:

Sebastian Vettel: "Hockenheim liegt nur eine halbe Stunde von meinem Heimatort entfernt. Meine Familie und viele Freunde werden also vor Ort sein. Das macht es zu etwas ganz Besonderem. Ich würde zwar nicht sagen, dass mich das unter Druck setzt, aber es ist schon eine große Portion Extra-Motivation. Es hilft mir vielleicht, eine Zehntelsekunde mehr herauszuholen. Ich freue mich wirklich sehr auf das Rennen."

Michael Schumacher: "Ich werde mein Bestes für die Fans geben. Der Deutschland-GP ist für jeden deutschen Fahrer etwas Besonderes. Auf kaum einer anderen Strecke herrscht so eine Stimmung wie im Motodrom - als Fahrer spürt man das auf jeder Runde."

Lewis Hamilton: "Es wird interessant zu sehen, wie sich die Dinge an der Spitze entwickeln. Hockenheim könnte den Ausgang der Weltmeisterschaft beeinflussen, besonders wenn mehrere Teams um den Sieg kämpfen. Denn viele haben in den letzten zwei, drei Rennen eine Leistungssteigerung gezeigt, die sie bisher nur nicht abrufen konnten.

Zeitplan:

  • Freitag, 10 Uhr: 1. Training
  • Freitag, 14 Uhr: 2. Training
  • Samstag, 11 Uhr: 3. Training
  • Samstag, 14 Uhr: Qualifying
  • Sonntag, 14 Uhr: Rennen

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM