Der verkorkste Geniestreich

Von SPOX
Michael Schumacher fiel bei seinem Boxenstopp in Valencia bis ans Ende des Feldes zurück
© xpb

Nach dem völlig verkorksten Europa-GP in Valencia musste sich Mercedes einiges an Kritik gefallen lassen. Besonders das Boxenstopp-Desaster bei Michael Schumacher traf bei Fans und Experten auf Unverständnis. Jetzt hat das Team die Hintergründe enthüllt.

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Es war die elfte Runde des Europa-GP, die Michael Schumacher zum Verhängnis wurde. Nach dem heftigen Unfall von Mark Webber war das Safety-Car auf der Strecke, ein Großteil des Feldes hatte bereits die Reifen gewechselt und Schumacher war dadurch bis auf Rang drei nach vorne gespült worden. Doch dann kam auch er in die Box. Eine Runde zu spät.

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Das Ergebnis ist bekannt: Der Rekordweltmeister musste an der roten Boxenampel warten und das gesamte Feld vorbeiziehen lassen. Das Rennen war gelaufen. Doch warum riskierte das Team um Strategie-Genie Ross Brawn dieses gewagte Manöver, anstatt wie Sauber bei Kamui Kobayashi den Pflichtstopp einfach nach hinten zu verschieben?

Brawn: "Hatten Vorteil erhofft"

Gegenüber "auto motor und sport" lüftete Brawn jetzt dieses Geheimnis:  "Wir gingen davon aus, dass wir uns durch den Boxenstopp in Runde 11 einen Vorteil gegenüber der Lösung verschaffen, Michael bis kurz vor Schluss auf der Strecke zu lassen", sagt Brawn.

Das Team hatte schlichtweg gehofft, Schumacher noch vor seinem Verfolger wieder auf die Strecke schicken zu können. Der Rekord-Champion hätte seinen dritten Platz gehalten. Ein Geniestreich.

Wenn es denn geklappt hätte.

Kobayashi-Fehler eröffnet Schumi-Chance

Denn bei Mercedes hatte man erkannt, dass Kobayashi während der gesamten Safety-Car-Phase vom Gas gegangen war. Der Japaner dachte, er müsse wegen einer komplizierten Zeiten-Regel (bei Safety-Car müssen die Fahrer unter bestimmten Umständen 20 Prozent über der üblichen Rundenzeit bleiben) bereits langsamer fahren.

Musste er aber gar nicht. Denn er hatte genau wie Schumacher nach Beginn der Safety-Car-Phase die Boxenausfahrt längst passiert und plante zudem keinen Boxenstopp.

Und so wuchs der Vorsprung von Schumacher enorm. Aus 3,7 Sekunden zu Beginn der elften Runde waren nach dem zweiten Sektor bereits mehr als elf Sekunden geworden. "Und wir mussten davon ausgehen, dass sich die Lücke weiter öffnet", erklärte Brawn.

Technik-Ausfall im entscheidenden Moment

Doch genau das Gegenteil war der Fall. Denn an der Sauber-Box bemerkte man den Fehler und wies Kobayashi an, sofort wieder Vollgas zu fahren. Der Abstand schrumpfte.

Aber warum brach Mercedes das Manöver dann nicht ab? Die Antwort klingt wie aus einem Agenten-Film. "Das offizielle GPS-System hatte im letzten Streckensektor Ausfälle. Michaels Position blieb in Kurve 17 hängen, bis sie plötzlich auf Kurve 25 sprang", erklärt Brawn. Auch das teameigene System lieferte genau zu diesem Zeitpunkt unklare Daten.

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Also ging Mercedes das Risiko ein. Denn selbst wenn man es nicht vor Kobayashi wieder auf die Strecke schaffen sollte, war man beim Team davon überzeugt, dass die Boxengasse weiter geöffnet bliebe. "Das ist immer der Fall, außer wenn das Safety-Car und der Pulk von Autos dabei sind, die Boxenausfahrt zu passieren", so Brawn. Und nach Ansicht der Schumi-Crew hatte sich hinter dem Safety-Car noch keine eindeutige Schlange gebildet.

Regeln sorgen erneut für Chaos

"Die Regel sagt nicht genau aus, ob es sich um einen oder mehrere Pulks handeln muss. Unserer Meinung nach lag zwischen Hamilton und Kobayashi eine genügend große Lücke, um Michael wieder aus der Box zu lassen. Wir sahen uns in unserer Ansicht auch deshalb bestätigt, weil die Ampel wieder auf Grün stand, als sich das Safety-Car mit Vettel und Hamilton im Schlepptau in Marsch gesetzt hatte", so Brawn.

Fazit: Wie bereits beim Schumacher-Alonso-Zwischenfall in Monaco sorgten erneut zweideutige Regelauslegungen für Probleme. "Über diese Punkte wird am Mittwoch vor dem Rennen in Silverstone im Rahmen einer Teammanager-Sitzung gesprochen. Es gibt da zu viele offene Fragen, die man so oder so auslegen kann", erklärt Brawn.

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