Nach den Updates kommt der Schock

Von Andreas Allmaier
Der Spanien-GP, das Sinnbild für die Formel 1: Red Bull vor McLaren und Ferrari
© Imago

Der Europa-Auftakt in Barcelona gilt als Gradmesser für den Rest der Saison. Die Teams waren mit zahlreichen Neuerungen an den Autos nach Spanien gereist. Wie sieht das Kräfteverhältnis in der Königsklasse nach dem Rennen auf dem Circuit de Catalunya aus? Formel-1-Experte und SKY-Kommentator Jacques Schulz analysiert.

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Neben dem Saisonstart ist der Beginn der europäischen Rennen ein Fixpunkt in der Formel 1, auf den Fans und Teams mit Spannung hinfiebern. Früher gab es hier oft die neuen Autos zu sehen, nachdem die Rennställe die Saison in Übersee mit leicht modifizierten Vorjahreswagen starteten. Inzwischen ist es die Zeit für die ersten großen Upgrade-Pakete.

Die Hoffnung der Teams, einen Satz nach vorne zu machen, war auch in diesem Jahr groß. Die Enttäuschung nach den 66  Runden um den Ciruit de Catalunya noch größer.

Renn-Analyse: So lief der Spanien-GP

"Die Hoffnung der Gegner, an Red Bull heranzukommen, ist vaporisiert worden. Es ist für alle drei Verfolger-Teams ernüchternd, wie schnell dieser Red Bull ist", sagt Formel-1-Experte und SKY-Kommentator Jacques Schulz. "Das Kräfteverhältnis hat sich nicht grundlegend verändert. Dennoch gibt es einige Besonderheiten."

Red Bull: Nach dem Qualifying in Barcelona hatten die Gegner bereits kapituliert. Im Rennen war die Dominanz allerdings nicht mehr ganz so erdrückend. Zudem hatte Sebastian Vettel schon wieder Probleme mit der Standfestigkeit und stand kurz vor dem Aus. Dennoch fuhr Mark Webber lässig zum Sieg. "Die Tendenz ist eindeutig. Der Red Bull ist das beste Auto des Jahres und hat dank eines genialen Adrian Newey das ausgewogenste Konzept. Abtrieb, Speed, Mechanik und fahrerische Klasse - das Paket passt. Das Auto ist momentan unschlagbar", analysiert Schulz.

Vettel war nach dem Sieg seines Teamkollegen aber angefressen. "Mark ist ein super Rennen gefahren, keine Frage, aber ich konnte zu keiner Zeit im Rennen seine Zeiten fahren. Das verstehe ich nicht", sagte der 22-Jährige." Schulz erklärt: "Der Red Bull hat dann einen irren Speed, wenn er frei fahren kann, aber er ist empfindlich, wenn er nicht an der Spitze steht. Dirty Air macht dem Auto zu schaffen."

Allerdings hat Red Bull noch ein Ass im Ärmel: Sie können das F-Schacht-System - auch Schnorchel genannt -, das einige Rivalen bereits erfolgreich einsetzen, noch nachrüsten. Schon in Istanbul könnte es zum Einsatz kommen. Ein Schnellschuss ist jedoch unnötig: Das Auto ist schnell genug. Man hat bereits angekündigt, sich Zeit lassen zu wollen.

McLaren: "McLaren ist für mich die Nummer zwei, weil sie mit den schnellen Kurven besser zurecht kommen als Ferrari. Die englische Nationalmannschaft Button/Hamilton hat den höchsten Top-Speed und den F-Schacht bereits voll ausgereizt", so Schulz. In Barcelona legte Lewis Hamilton sein ganzes Können in die Waagschale. Auf der Strecke schlug er durch einen späteren Boxenstopp den schnelleren Vettel - nur der Ausfall kurz vor Schluss verhinderte Platz zwei.

Schulz: "McLaren muss allerdings eine halbe Sekunde finden, um gegen den Red Bull bestehen zu können. In engen Kurven haben sie Potenzial für Verbesserungen. Die Traktion des Autos ist nicht perfekt. Eine halbe Sekunde aufzuholen, ist sehr ambitioniert, aber nicht unmöglich."

Ferrari: Der zweite Platz von Fernando Alonso im Rennen und Position zwei in der WM-Wertung täuschen: Die Scuderia kann den Speed von Red Bull nicht mitgehen und ist auch hinter McLaren einzuordnen. "Bei normalem Saisonverlauf wird das auch so bleiben", glaubt Schulz. "Dazu fehlt dem Team die entscheidende Idee, wo es in der Entwicklung ansetzen könnte, um wirklich einen Schritt nach vorn zu machen." Den F-Schacht haben sie bereits eingebaut, kommen so auf der Geraden auf die mit Abstand höchste Geschwindigkeit. Doch das ist nicht genug.

Die Roten leben derzeit ausschließlich von Alonsos Klasse, Felipe Massa ist komplett außer Form. Im Qualifying ließ sich der Brasilianer von Webber 1,6 Sekunden aufbrummen. Teamchef Stefano Domenicali gibt unumwunden zu: "Wir müssen einen deutlichen Rückstand aufholen. Einige Konkurrenten haben mit dem neuen Paket einen größeren Schritt gemacht als wir." Unter anderem muss die Scuderia daran arbeiten, dass die Reifen besser funktionieren.

Mercedes: Das Team ist mit den radikalsten Änderungen zum Spanien-GP gereist. Die umgebaute Airbox und der vergrößerte Radstand waren deutlich zu erkennen. Michael Schumacher kam mit dem Auto besser zurecht, wies Teamkollege Nico Rosberg in die Schranken und fuhr mit Rang vier das beste Saisonergebnis ein. Trotzdem ist der Effekt des neuen Pakets unter dem Strich ernüchternd.

"Mercedes hat zwar ein riesiges Update - man kann hier schon fast von einer B-Version sprechen - an den Start gebracht. Doch das hat nicht bewirkt, dass man näher an die Gegner herangekommen ist", sagt Schulz.

"Wir wollten vorne angreifen, stattdessen ist der Abstand zu Red Bull noch größer geworden", schätzt Rosberg realistisch ein. Ein möglicher Lichtblick: Ähnlich wie Red Bull hat Ross Brawns Team noch den Schnorchel in der Hinterhand.

Und: Schon am kommenden Wochenende steht der Große Preis von Monaco an. Dort könnten Schumacher und Rosberg glänzen. Schulz: "Spätestens in Istanbul werden sie aber wieder das sein, was sie auch in Barcelona waren: nicht siegfähig."

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