So funktioniert McLarens Schnorchel-Trick

Von Jan-Hendrik Böhmer
Red-Bull-Pilot Sebastian Vettel schaut sich den Schnorchel am McLaren ganz genau an
© Getty

Es klingt ein bisschen nach James Bond, was Jenson Button und Lewis Hamilton da in ihren Boliden anstellen. Mit einer kleinen Fußbewegung können sie den McLaren auf der Geraden angeblich bis zu zehn Stundenkilometer schneller machen. Völlig legal - wie die FIA am Donnerstag entschied. SPOX erklärt, wie das System funktioniert und warum die anderen Teams jetzt ein Problem haben. Droht der Formel 1 der Brawn-Effekt?

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Die Saison hatte noch nicht einmal begonnen, da gab es bereits Aufregung um einen angeblich flexiblen Heckflügel am McLaren - und einen möglichen Zusammenhang mit dem "Schnorchel" getauften Lufteinlass an der Front. Ferrari und Red Bull hatten die FIA damit beauftragt, die Konstruktion auf einen möglichen Regelverstoß hin zu überprüfen.

Noch vor dem ersten Rennen ist die Entscheidung gefallen - der McLaren ist legal.

Red Bull will System kopieren

"Wir haben nichts anderes erwartet", so Teamchef Martin Whitmarsh gegenüber "Autosport". "Wir haben alle Teile unseres Systems offen mit der FIA diskutiert - und sie waren von Anfang an einverstanden." Auch Red Bull hat sich bereits mit der Entscheidung abgefunden: "Es ist unwahrscheinlich, dass wir dagegen Protest einlegen", so Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Wir entwickeln lieber unsere eigene Version."

Nur bei Renault reagiert man angefressen. Geschäftsführer Bob Bell bezeichnete das McLaren-System gegenüber der "BBC" als "absolut lächerlich" und "illegal".

Bis zu zehn Stundenkilometer schneller

Doch worum geht es bei dem Flügel-Streit überhaupt? Ganz einfach: um Topspeed. Bis zu zehn Stundenkilometer soll der MP4-25 auf der Geraden wegen des umstrittenen Systems schneller sein - und das, ohne dadurch in den Kurven an Grip zu verlieren.

Und so funktioniert's: Durch den Schnorchel an der Front wird der Fahrtwind in den Fußraum geleitet. Vermutlich auf Höhe der Pedale hat der Schacht dann eine Öffnung, durch die im Normalbetrieb die Luft ins Cockpit strömt, um den Fahrer zu kühlen. Doch auf der Geraden verschließen die Piloten mit ihrem Fuß die Lüftung - und leiten den Fahrtwind durch einen Schacht vorbei am Tank, hoch zur Airbox und durch die Haifischflosse Richtung Heckflügel.

Das Ergebnis: Der Luftstrom auf den Flügel reißt ab, der Anpressdruck sinkt und das Auto wird auf der Geraden schneller. Um wie viel schneller genau - darüber gehen die Angaben auseinander. Während der britische Technik-Experte Craig Scarborough von drei bis vier Stundenkilometern ausgeht, sprechen andere Experten von bis zu zehn.

Wie eine Hand vor der Airbox

In jedem Fall ein enormer Vorteil. Denn in den langsamen Streckenabschnitten nehmen die Fahrer ihren Fuß wieder von der Öffnung und der Bolide hat wieder vollen Anpressdruck. So können Button und Hamilton mehr Flügel fahren und auf der Geraden dennoch mithalten.

Und: Es ist völlig legal. Wie Brawn im Vorjahr mit dem Doppel-Diffusor, hat McLaren jetzt nur eine Lücke im Reglement ausgenutzt. Laut FIA sind lediglich flexible Aerodynamik-Teile verboten - und McLarens Konstruktion ist statisch. Das einzige bewegliche Teil ist das Bein des Fahrers. "Und das ist so, als würde der Pilot auf der Geraden die Hand vor die Airbox halten", so SKY-Kommentator Jacques Schulz. Kurz: das kann man nicht verbieten.

"Deshalb werden sich die anderen Teams genau anschauen, was wir am Auto haben", glaubt Whitmarsh. "Ich glaube, dass sie sich überlegen, wie sie so ein System hinkriegen. Allerdings glaube ich nicht, dass unsere Lösung von allen verstanden wird."

McLaren so überlegen wie Brawn?

Und selbst wenn. Dann stehen die Teams vor einem weiteren Problem. Sie dürfen wegen der Sicherheitsauflagen der FIA nicht einfach nachträglich eine Öffnung ins Chassis schneiden. Ein derartig modifizierter Bolide muss von der FIA erneut abgenommen werden - inklusive Crashtest. Einige Experten vermuten sogar, dass dieser Prozess die komplette Saison dauern könnte. Viel zu lange für Red Bull und Co.

Das weiß auch Horner. "Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen", so der Red-Bull-Teamchef. "Aber Ingenieure sind kreative Menschen. Denen wird schon etwas einfallen."

Allerdings wird das noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, in der McLaren eventuell wichtige WM-Punkte einfahren kann - so wie Brawn GP im Jahr zuvor.

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