Vettel kann Button noch packen

Von Alexander Mey
In der Realität ist Jenson Button bereits Weltmeister - im SPOX-Driver-Ranking noch nicht
© Getty

Im Gegensatz zum wirklichen Leben ist im Driver-Ranking die WM-Entscheidung auf Abu Dhabi vertagt. Platz eins am Brasilien-Wochenende geht nicht an den Sieger des Rennens.

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Vorletztes Driver-Ranking der Saison - und nein, bei mir ist Jenson Button nach dem Brasilien-GP noch nicht Weltmeister. Theoretisch kann ihn Sebastian Vettel beim Saisonfinale in Abu Dhabi noch überholen. Sieger des Rankings für Sao Paulo ist nicht Mark Webber sondern Lewis Hamilton.

Meine Wertung für den Brasilien-GP:

Platz 1, Lewis Hamilton: An dem Ort, an dem er in den letzten beiden Jahren unter dem Druck der WM-Entscheidung ängstlich gefahren ist, hat Lewis Hamilton diesmal, von der WM-Last befreit, eines der besten Rennen der Saison hingelegt. Von Startplatz 17 auf Rang drei zu fahren, das muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Klar hat er davon profitiert, gleich in der Safety-Car-Phase zu Beginn von weichen auf harte Reifen gewechselt zu haben. Aber so geistesgegenwärtig muss das Team erst einmal sein, nachdem der Start alles andere als nach Plan verlaufen ist. Danach ist Hamilton absolut fehlerfrei im Sog von Button und Vettel mit nach vorne gestürmt, obwohl er praktisch auf eine Einstopp-Strategie umgestellt und entsprechend viel Benzin dabei hatte. Dann noch das großartige Überholmanöver gegen Barrichello. Das war Hamilton at his best! Platz 18 im Qualifying werfe ich ihm nicht besonders vor, denn offensichtlich war das Auto zu tief eingestellt und er konnte nur um den Kurs schwimmen.

Platz 2, Mark Webber: Nach einigen schlechten Rennen endlich mal wieder der Mark Webber, der mir in der ersten Saisonhälfte so viel Spaß gemacht hat. Sein Sieg im Rennen hat mich nicht sonderlich überrascht, denn der Red Bull war an diesem Wochenende das schnellste Auto. Aber seine große Leistung war, im Qualifying im Gegensatz zu Vettel Übersicht und Ruhe bewahrt und dadurch einen guten Startplatz herausgeholt zu haben.

Platz 3, Jenson Button: Er selbst sagt, das war das beste Rennen seiner Karriere. So weit würde ich nicht gehen, aber es war auf jeden Fall das kämpferischste und vielleicht auch beste seiner Weltmeister-Saison. Seine Nerven möchte ich haben. In dem Rennen, in dem er den WM-Titel entweder gewinnen oder sich das Leben selbst noch einmal so richtig schwer machen kann, packt er unglaublich entschlossene Überholmanöver am Fließband aus und macht dabei nicht den geringsten Fehler. Für seinen 14. Platz im Qualifying hat er aber keine so gute Ausrede wie Hamilton, denn in Q2 fuhren andere mit den gleichen Reifen wie Button deutlich schneller. Er hätte die Top Ten schaffen können. Das ist der Grund, warum ich Hamilton in Brasilien stärker gesehen habe als Button.

Platz 4, Sebastian Vettel: Auch Vettel ist ein ausgezeichnetes Rennen gefahren. Er ist immer im Sog von Button mitgeschwommen, war beim Überholen ähnlich entschlossen, hatte aber nicht so ein gutes Händchen wie der neue Weltmeister. Einmal wäre er deshalb fast abgeflogen, als er beim Überholversuch auf die Wiese gekommen ist. Als Vettel freie Bahn hatte, konnte er deutlich schneller fahren als Button und hat ihn folgerichtig überholt. Im Qualifying sah er nicht gut aus. Ich bin nicht ganz der Meinung, dass es ausschließlich Pech war, das zu seinem frühen Ausscheiden geführt hat. Ein, zwei Rutscher hatte er in schnellen Runden drin. Aber wer will ihm das bei diesen lausigen Verhältnissen lange aufs Brot schmieren? Trotzdem habe ich ihn insgesamt nicht so gut wie Button gesehen.

Platz 5, Robert Kubica: Der Pole ist eines der stärksten Rennen der Saison gefahren. Am Start hat er vom Crash zwischen Trulli und Sutil profitiert. Dennoch: Der BMW hatte einen beeindruckenden Speed. Was aber auch daran lag, dass das Team kompromisslos auf Trockenabstimmung gesetzt hatte. Das führt mich direkt zum größten Lob an Kubica. Nämlich dafür, dass er trotz dieser Abstimmung die erste Quali-Runde im Regen überstanden hat. Ich gebe zu, dass ich überlegt habe, Kubica weiter nach vorne zu setzen, aber die Aufholjagden im Rennen von Hamilton, Button und Vettel haben mich mehr beeindruckt - Ansichtssache.

Platz 6, Kimi Räikkönen: Wie so oft in dieser Saison grundsolider Punktesammler. Nur diesmal sehr unglücklich, denn ohne die leichte Kollision mit Webber, bei der sein Frontflügel in die Brüche ging, wäre vielleicht sogar Platz zwei drin gewesen. Dass er ganz nebenbei in der Boxengasse durch einen Feuerball gefahren und trotzdem cool geblieben ist, darf man auch noch erwähnen. Ich wiederhole mich an dieser Stelle: Kimi, bitte bleibe in der Formel 1, du würdest mir und wohl auch vielen anderen fehlen.

Platz 7, Sebastien Buemi: Kaum schafft es der Schweizer einmal, kein Kleinholz zu produzieren, ist er verdammt schnell und holt für das Team wichtige Punkte. Weder an seinem Qualifying noch an seinem Rennen gab es etwas auszusetzen. Er hat das Optimum aus dem Toro Rosso herausgeholt. Und das auf einer Strecke, auf der er vorher noch nie gefahren ist. Das muss man auch einmal dazu sagen.

Platz 8, Kamui Kobayashi: Button hat den Neuling als verrückt bezeichnet, weil er beim Anbremsen offenbar sehr unorthodox die Spur gewechselt hat. Mir ist das ehrlich gesagt gar nicht aufgefallen. Mich hat vielmehr beeindruckt, wie rotzfrech der Kerl in seinem ersten Formel-1-Rennen dem zukünftigen Weltmeister und einigen anderen Fahrern Paroli geboten hat. Und das ohne größeren Fehler. Bei der Kollision mit Nakajima habe ich keinen eindeutig Schuldigen gesehen. Auf jeden Fall ein Einstand, mit dem er auf sich aufmerksam gemacht hat. Unbemerkt ist Kobayashi zumindest im rundenlangen Duell gegen Button keinem Teamchef und potenziellen Arbeitgeber geblieben.

Härtefall 1, Rubens Barrichello: Da war er wieder, der berühmte Herr Pechochello. Er bekommt es in Brasilien einfach nicht auf die Reihe. Sein Qualifying war noch sehr gut, wenngleich er die Pole-Position mit ziemlich wenig Benzin erreicht hat. Aber im Rennen war er auch ohne den Reifenschaden kurz vor Schluss schlichtweg nicht schnell genug, um im Titelkampf genügend Druck auf Button machen zu können. Der konnte sich über Funk genüsslich anhören, wie Barrichello immer weiter zurückfiel, während er selbst nach vorne kam.

Härtefall 2, Adrian Sutil und Jarno Trulli: Was war der Trulli nach dem Crash zwischen den beiden sauer! Aber da sage ich: Man kann auch einfach mal vom Gas gehen, wenn man sieht, dass einem die Straße ausgeht. Sonderlich clever war die Aktion nach dem Start auch von ihm nicht. Bei Sutil war es wie so oft. Auch wenn man ihm zugute hält, dass er Trulli nicht gesehen hat, zieht er doch Unfälle nach wie vor magisch an. So viele Crashes, an denen er beteiligt ist, können kein Zufall oder Pech mehr sein. So schnell er manchmal ist, er sollte vielleicht doch einmal seinen Fahrstil in engen Situation überdenken.

Meine Punkte für das Brasilien-Wochenende: