Warum ist Vettels Team so stark?

Von Alexander Mey
Red Bull Racing feierte in China den ersten Sieg in der Teamgeschichte
© Getty

Red Bull Racing ist der große Abräumer des China-GP in Shanghai. Pole-Position, Doppelsieg - und das, obwohl dem Team alles fehlt, was andere Autos angeblich schneller macht. Kein KERS, kein Doppel-Diffusor und trotzdem an der Spitze. Red Bull macht einiges besser als die Großen der Branche Ferrari, McLaren-Mercedes und BMW-Sauber.

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Die Rechnung geht so: Doppel-Diffusor: plus 0,5 bis 1 Sekunde. KERS: plus 82 PS. Macht zusammen zumindest auf einigen Strecken einen riesigen Vorteil.

Eigentlich. Denn in Shanghai war alles anders. KERS brachte gar nichts, im Gegenteil, es war sogar ein Nachteil. Nick Heidfeld wollte es zum Beispiel überhaupt nicht einsetzen, weil die zusätzlichen PS auf der Geraden die Nachteile bei der Balance in den schnellen Kurven nicht aufwiegen konnte.

Jetzt nachlesen: So lief das Rennen in Shanghai

Und der Doppel-Diffusor? Der brachte durchaus etwas, sonst hätte Fernando Alonso im Renault nicht plötzlich auf Startplatz zwei fahren können, nachdem sein Auto mit dem Aerodynamik-Teil nachgerüstet wurde. Allein an der geringen Spritmenge lag das nicht.

Button beschreibt Vorteile des Red Bull

Stellt sich also die Frage, warum ausgerechnet ein Team wie Red Bull, das weder KERS noch einen Doppel-Diffusor hat, plötzlich allen um die Ohren fährt. Natürlich kam ihnen der Regen im Rennen entgegen, aber auch im Trockenen hätte Vettel gewinnen können, das hat das Qualifying gezeigt. Außerdem hätte das Team auch in Australien (Vettel) und in Malaysia (Webber) auf dem Podium gestanden, wenn die beiden von äußeren Einflüssen wie Unfall oder Regen verschont geblieben wären.

Zwar sagte Brawn-GP-Pilot Jenson Button nach dem Rennen in Shanghai der "BBC", dass Brawn GP seiner Meinung nach im Trockenen viel schneller gewesen wäre, aber er gab auch zu, dass Red Bull im Nassen in den Kurven deutlich besser lag und enge Linien fahren konnte, während er auf dem Wasser ständig nach außen driftete.

Newey als Geheimwaffe

Der Schlüssel für die Stärke des Red Bull ist die extreme Konstruktion des Autos, die schon bei den Wintertests Aufmerksamkeit erregt hat. Star-Designer Adrian Newey setzte kompromisslos auf Abtrieb durch Front- und Heckflügel und nicht auf Abtrieb durch den Unterboden.

"Die Flügel müssen mir den Abtrieb zurückholen, den mir die Regeln gestohlen haben. Beim Diffusor bin ich zu stark beschnitten", hatte Newey vor der Saison dem Fachmagazin "auto, moto und sport" gesagt.

Wie stark wäre Red Bull mit Doppel-Diffusor?

Damals wusste er noch nichts von den Doppel-Diffusoren der Konkurrenz, deshalb hat er das Heck seines Autos so flach gebaut, dass Red Bull nicht wie Renault von heute auf morgen nachrüsten kann.

Das muss aber auch gar nicht sein, denn auch so kann Vettel schon Rennen gewinnen. "Wir haben den Diffusor noch nicht und haben schon jetzt ein verdammt schnelles Auto", freute sich Vettel nach seinem Triumph in China.

Eine Tatsache, die Teamchef Christian Horner zu der Frage bringt: "Wo würden wir stehen, wenn die Sache mit den Diffusoren nicht gewesen wäre? Wenn man die Autos mit den Doppel-Diffusoren einmal außer Acht lässt, sehen wir wirklich stark aus."

Neuer Diffusor frühestens in Barcelona

Red Bull kann es sich dank der effizienten Konstruktion des Autos mit der Nachrüstung auf den Doppel-Diffusor Zeit lassen. Das muss man auch, denn ein Schnellschuss würde die ausgefeilte Aerodynamik, die den aktuellen Boliden so stark macht, wahrscheinlich zerstören.

Newey verzichtete extra auf die Reise nach China, um in der Fabrik in Milton Keynes an der Konstruktion des Doppel-Diffusors zu arbeiten. Vielleicht ist für Barcelona schon eine Notlösung fertig. Gut möglich, dass das Team aber lieber noch länger wartet, um gleich eine ausgereifte Version einsetzen zu können.

Dass dafür Newey der richtige Mann ist, davon ist der Teamchef überzeugt. "Adrian hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass fundamentale Regeländerungen sein Spezialgebiet sind. Da ist er immer am kreativsten. Zusammen mit seinem fantastischen Team hat er ein fantastisches Auto entwickelt", sagte Horner.

Ernüchterung bei Ferrari und Co.

Ganz im Gegensatz zu den Teams, die in den vergangenen Jahren Siege und WM-Titel untereinander ausgemacht haben: Ferrari, McLaren-Mercedes und BMW-Sauber.

Alle drei können als Entschuldigung anführen, dass sie 2008 lange um den WM-Titel gekämpft und deshalb erst später ihre 2009er Autos zu Ende entwickelt haben als Red Bull und vor allem Brawn GP. Dennoch ist die Ernüchterung groß.

Hakt Ferrari die Saison schon ab?

"Die Situation ist verwunderlich für uns, denn über die Wintertests waren wir immer bei den Schnellsten dabei. Deshalb sind wir davon ausgegangen, dass das auch zu Beginn der Saison so sein sollte, aber aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen sind die anderen Teams dann doch eine ganze Ecke schneller geworden", wunderte sich Ferrari-Berater Michael Schumacher im "RTL"-Interview.

Ferrari gibt sich noch eine Chance auf die große Wende. Zum Europa-Auftakt in Barcelona kommt ein großes neues Aerodynamik-Paket mit Doppel-Diffusor. Nur wenn das einschlägt und die Roten ab Barcelona um Siege kämpfen können, hat die laufende Saison noch Priorität.

"Andernfalls muss man sich fragen, ob es Sinn macht, die Saison abzuhaken und sich schon auf das nächste Jahr zu konzentrieren", sagte Schumi. Hakt Ferrari nach null Punkten in drei Rennen die Saison 2009 wirklich schon nach einem Drittel ab?

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BMW: "Von Rennen zu Rennen schlechter"

BMW-Sauber will von so einem drastischen Schritt noch nichts wissen. "Wir wollen das Auto so schnell machen, wie es geht. Das ist die Strategie, denn alles, was wir über das diesjährige Auto lernen, gilt auch für nächstes Jahr", sagte BMW-Motorsportchef Mario Theissen nach dem Shanghai-Debakel.

Sein Fahrer Nick Heidfeld konnte diese Einstellung nicht ganz teilen. "Es wird bei uns leider von Rennen zu Rennen schlechter", sagte er. "In Barcelona bekommen wir ein großes Update, das uns hoffentlich weiter nach vorne bringt."

Die Weiß-Blauen hatten in der Saison eigentlich stark angefangen, doch die Lücke zu den Teams an der Spitze wird in der Tat immer größer.

Am besten schnitt in Shanghai von den Großen noch McLaren-Mercedes ab. Die Plätze fünf für Heikki Kovalainen und sechs für Lewis Hamilton klingen nicht schlecht. Aber um WM-Titel kämpfen die Silbernen noch lange nicht.

Schumacher: "Red Bull kann um die WM kämpfen"

Das tun andere. Brawn GP natürlich, vielleicht Toyota. Und seit diesem Wochenende auch Red Bull. "Wir stehen erst am Beginn der Entwicklung und die Kurve geht nach oben", sagte Vettel. "Wir müssen jetzt pushen und das Auto noch schneller machen. Erst feiern wir richtig, dann wollen wir den entscheidenden Schritt machen und das beste Team im Feld werden."

Träumerei oder Realität? Eher letzteres, wenn man Michael Schumacher glaubt: "Red Bull kann in diesem Jahr um die Weltmeisterschaft mitkämpfen."

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