Wir sind Königsklasse

Von Jan-Hendrik Böhmer
Formel 1, deutsche Fahrer, Piloten, Rosberg, Glock, Sutil, Heidfeld, Vettel
© Getty

Beim Rennen in Singapur kamen vier der ersten sechs Piloten aus Deutschland. "Das hat es glaube ich noch nie gegeben", lobte BMW-Motorsportchef Dr. Mario Theissen. Hat es tatsächlich nicht. Doch war das alles nur eine Eintagsfliege?

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Nein. Denn die Tendenz gleich mehrerer deutscher Piloten zeigt klar noch oben. Und selbst wenn derartige Top-Ergebnisse eine Ausnahme bleiben werden, so zeigten doch besonders Sebastian Vettel und Timo Glock in den letzten Rennen, was in ihnen steckt.

Enorm wichtig war der Singapur-Erfolg auch für Nico Rosberg. "Wenn das Auto nicht geht, geht auch dein Marktwert runter", weiß der 23-Jährige. Deshalb sei es wichtig, kleine Zeichen auch mit einem Wagen zu setzen, der nicht so schnell ist.

Das ist ihm gelungen - doch nicht nur ihm. SPOX fasst die Saison zusammen.

Die Piloten im SPOX-Check:

Sebastian Vettel: Von den deutschen Fahrern hat er den größten Schritt nach vorne gemacht. "Er hat demonstriert, dass er ein echter Star der Zukunft ist", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner - und fasste damit Vettels Aufstieg während der vergangenen Monate zusammen. Und das nicht nur wegen seines Sieges in Monza, sondern viel mehr wegen der Entwicklung, die der 21-Jährige nach seinem mittlerweile fast in Vergessenheit geratenen desaströsen Saisonstart (vier Rennen, vier Ausfälle) hinter sich hat.

Vettel ließ sich selbst von der zwischenzeitlichen Stärke seines erfahrenen Teamkollegen Sebastien Bourdais (vierfacher ChampCar-Meister) nicht aus der Ruhe bringen, arbeitete konzentriert an seinen Fehlern - und dominiert den Franzosen mittlerweile klar. "Der Bursche läuft einfach rund und wird sich überall zurechtfinden", meint Toro-Rosso-Mitbesitzer Gerhard Berger. Fazit: Aktuell ist Vettel die größte deutsche Hoffnung.

Timo Glock: Der 26-Jährige hat besonders in der zweiten Saisonhälfte enorme Fortschritte gemacht und kann endlich Talent und Erfahrung umsetzen. "Er hat gezeigt, dass er den nächsten Schritt nach vorne gemacht hat", sagte Manager Hans-Bernd Kamps. In Zahlen ausgedrückt: 20 Punkte aus den letzten neun Rennen, darunter ein zweiter und zwei vierte Plätze. In der zweiten Saisonhälfte holte Glock damit deutlich mehr Punkte als Teamkollege Jarno Trulli - für den Deutschen eine besonders wichtige Messlatte, da er noch zu Beginn der Saison gegen den erfahrenen Italiener keine Chance hatte.

Auch Toyota hat Glocks Entwicklungspotential erkannt. "Bei einem jungen Fahrer dauert es eben ein bisschen, sich an ein Formel-1-Auto zu gewöhnen, an den Renningenieur, an die Arbeitsweise. Wir waren aber schon immer sicher, dass Timo schnell und ein guter Racer ist", lobte Toyota-Teampräsident John Howett gegenüber "Motorsport-Total.com". Übrigens: Sein Saisonziel von 20 Punkten hat Glock bereits erreicht.

Nico Rosberg: Dass Nico Rosberg enormes Talent besitzt, steht außer Frage. Doch zeigen konnte es der 23-Jährige in dieser Saison viel zu selten. Und Schuld daran ist der auf den meisten Strecken miserabel funktionierende Williams. Doch sobald das Auto auch nur ansatzweise konkurrenzfähig ist, kann Rosberg (wie in Australien oder zuletzt in Singapur) zeigen, was in ihm steckt. "Er hat eine schwierige Saison hinter sich", sagt deshalb auch BMW-Motorsportdirektor Dr. Mario Theissen. Und Formel-1-Experte Christian Danner ergänzt: "Der arme Kerl fährt um die goldene Ananas."

17 Punkte hat Rosberg trotz allem bisher geholt und stand dabei zwei Mal auf dem Podium. Einzige ernsthafte Messlatte ist und bleibt dennoch Teamkollege Kazuki Nakajima - und den Japaner hatte er in 13 von 15 Qualifying-Duellen im Griff. Fazit: Trotz des schlechten Williams empfiehlt sich Rosberg für höhere Aufgaben.

Nick Heidfeld: Der Routinier unter den deutschen Piloten quält sich durch eine schwierige Saison mit etwas Licht und viel Schatten. So zeigte Heidfeld zwar in Silverstone und Spa einige der schönsten Überholmanöver der gesamten Saison, doch immer wieder kommt er mit dem BMW überhaupt nicht zurecht und muss sich Teamkollege Robert Kubica geschlagen geben.

In zwölf von 15 Quali-Duellen hatte er das nachsehen und steht nicht nur deshalb in der Kritik. Sein Cockpit bei BMW ist alles andere als sicher. Und das, obwohl er aktuell WM-Fünfter ist und sogar noch theoretische Chancen auf den Titel hat. Für die gestiegenen Ansprüche des Teams könnte das in Zukunft aber zu wenig sein. Fazit: Heidfelds Entwicklung stockt. Er hat seinen Zenit scheinbar überschritten.

Adrian Sutil: Während der 25-Jährige in seiner ersten Formel-1-Saison selbst im unterlegenen Auto noch glänzen konnte und Teamkollegen am laufenden Band alt aussehen ließ, hat es Sutil in diesem Jahr enorm schwer. Nur beim verregneten und chaotischen Monaco-GP konnte er Teile seines Talents zeigen - und wurde durch den Unfall mit Räikkönen prompt um den hart erkämpften Lohn gebracht. Natürlich ist es schwer, im Force India respektable Ergebnisse einzufahren. Doch das, was Sutil aktuell zeigt, ist einfach zu wenig. Besonders der direkte Vergleich mit dem vor der Saison bereits abgeschriebenen Giancarlo Fisichella lässt Sutil alt aussehen - Fisichella gewann deutlich mehr Quali-Duelle und fuhr einige beeindruckende Rennen. Fazit: Will Sutil in der F1 bleiben, muss er zulegen.

Welcher deutsche Fahrer hat am Ende die meisten Punkte? Der SPOX-Grand-Prix-Rechner

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