"Ich bin schockiert"

Von Alexander Mey
hamilton, ferrari, spa
© Getty

Manchmal ist Politik eine Seuche. Der Belgien-GP hatte so ein legendäres Ende, Lewis Hamilton war so ein strahlender Sieger, das Aus von Kimi Räikkönen hatte so viel Dramatik. Es war die pure Emotion. Doch dann kam die Strafe gegen Hamilton.

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Durch eine nachträgliche 25-Sekunden-Strafe wegen "unerlaubten Abkürzens der Schikane und Erlangen eines Vorteils" wurde aus dem strahlenden Sieger Hamilton ein Drittplatzierter mit langem Gesicht. Neuer Sieger ist Felipe Massa, neuer Sieger ist Ferrari.

Was war passiert: Hamilton hatte Räikkönen vor der letzten Schikane vor Start und Ziel außen angegriffen. Räikkönen hatte dagegen gehalten, es wurde eng, Hamilton musste ausweichen, indem er die Schikane abkürzte.

Hier geht es zum kompletten Rennbericht mit Reaktionen

Danach lag er zwar vor Räikkönen, ließ den Iceman aber den Regeln entsprechend wieder passieren. Allerdings so clever, dass er sich direkt wieder in dessen Windschatten heften konnte. Diese Cleverness wurde ihm vermutlich zum Verhängnis.

Vertretbar, aber nicht gerecht

Die WM ist durch die Strafe wieder spannender, Hamilton führt nur noch mit zwei Zählern Vorsprung auf Massa - immerhin. Ansonsten hat die Entscheidung der Rennleitung aber nichts Positives.

Sie zeigt nur wieder einmal, dass die Rennkommissare in Büros sitzen und Entscheidungen treffen, die mit der sportlichen Realität auf der Rennstrecke nichts zu tun haben.

Der Kampf zwischen Hamilton und Räikkönen war hart, aber er war nie unfair, ebenso wie das Manöver in besagter Schikane. Hamilton dafür zu bestrafen, mag nach ausführlicher Paragraphenreiterei im Regelbuch vielleicht vertretbar sein, gerecht ist es deshalb noch lange nicht.

An "Lex Ferrari" ist etwas dran

Manchmal fragt man sich, ob die Rennkommissare überhaupt Überholmanöver und harte Zweikämpfe auf der Strecke wollen oder ob sie nicht lieber einen stressfreien Sonntagnachmittag hätten.

Und man fragt sich immer wieder, wie viel Wahrheit tatsächlich in der angeblichen "Lex Ferrari" der FIA steckt. Als neutraler Beobachter will man glauben, dass die FIA Ferrari und McLaren-Mercedes gleich behandelt. Man kann es aber nicht - nach allem, was auch in diesem Jahr wieder passiert ist.

Die Formel 1 hat ohnehin schon genug Probleme mit der Transparenz und der Glaubwürdigkeit. Tage wie dieser sind ein weiterer Schritt in die völlig falsche Richtung.

Was sagen Betroffene, Experten und User?

So viel zur Meinung der SPOX-Redaktion zur Strafe gegen Lewis Hamilton. Die ist aber natürlich nicht allgemeingültig.

Deshalb haben wir auch die Einschätzungen der Betroffenen, von Formel-1-Experten und der mySPOX-User zusammengestellt.

Das sagen die Betroffenen:

Stefano Domenicali (Ferrari-Teamchef): "Wir haben oft gesagt, dass das Rennen nicht vorbei ist, bis die offiziellen Ergebnisse veröffentlicht wurden. So war es auch heute. Wie gewöhnlich werden wir die Entscheidung der Stewards nicht kommentieren. Wir wurden nach dem Rennen zu ihnen zitiert und haben unsere Sicht der Dinge dargelegt."

Offizielles Statement von McLaren-Mercedes: "Wir haben alle unsere Daten angeschaut und auch den Rennkommissaren der FIA zugänglich gemacht. Es hat sich gezeigt, dass Lewis vom Gas gegangen und 6 km/h langsamer als Kimi war, als sie die Start- und Ziellinie überquerten. Nachdem er die Führung an Kimi zurückgegeben hatte, positionierte Lewis sein Auto neu, fuhr herüber und hinter Kimi auf die rechte Seite und bremste ihn dann auf dem Weg in die Haarnadelkurve aus. Basierend auf diesen Daten haben wir keine Möglichkeit, als unsere Absicht eines Protests anzuzeigen."

Das sagen die Experten:

Marc Surer (Premiere-Experte): "Ich bin schockiert. Die Strafe kam für mich völlig überraschend, denn Lewis hat aus meiner Sicht alles richtig gemacht. Er hat Kimi den Regeln entsprechend wieder passieren lassen, sich hinter ihm eingereiht und erst danach wieder angegriffen. Jetzt bekommt er eine Zeitstrafe für ein Vergehen, das keines war. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. In Valencia hat Massa eine Geldstrafe von 10.000 Euro bekommen, nachdem er in der Boxengasse Adrian Sutil fast gerammt hätte. Hier in Spa hat Bruno Senna im GP2-Rennen für exakt die gleiche Aktion eine Durchfahrtsstrafe bekommen."

Jacques Schulz (Premiere-Experte): "Diese Strafe ist absolut unberechtigt. Das Manöver von Hamilton war okay, auf der Ziellinie war Räikkönen wieder vorne. Warum können diese Politiker Rennfahrer nicht einfach Rennfahrer sein lassen? So eine Strafe ist blanker Unsinn. Hätte Räikkönen gegen Hamilton das gleiche Manöver probiert, wäre er höchstwahrscheinlich mit einer Verwarnung davongekommen. McLaren ist schon arg gebeutelt, da kann man nur mit dem Kopf schütteln."

Hans-Joachim Stuck (Ex-Formel-1-Fahrer): "Diese Strafe kann ich absolut nicht nachvollziehen. Hamilton hat Räikkönen einwandfrei passieren lassen. Dass man ihn dafür bestrafen kann, sehe ich ganz und gar nicht so."

Das sagen die User:

aramäer: "Diese Ferrari-Mafia! Man hat Hamilton so viele Sekunden abgezogen, damit er nur nicht gewinnt und somit Massa gewinnt. Es ist doch lächerlich, dass Ferrari nach dem Rennen bei den eigenen Funktionären (FIA) heulen geht. Lächerlich!"

ixoanimal: "Die Formel 1 ist ein mieser Scheißhaufen und ich wäre dafür, dass sich McLaren nun aus der Formel 1 zurückzieht, weil sie nicht gewinnen dürfen. Es ist eine große Sauerei!"

Meyki: "Diese Entscheidung ist ein Ergebnis der politischen Macht Ferraris in der FIA und hat mit Sportlichkeit und berechtigter Bestrafung nix, aber auch gar nix zu tun. Wenn überhaupt, wäre ein Protest von Mercedes berechtigt gewesen, weil Räikkönen sich bei dem Überholmanöver und dem Auffahren auf Hamiltons Silberpfeil äußerst unsportlich verhalten hat. Mercedes hat aber seinerseits darauf verzichtet und war der Meinung, dass die Fahrer das austragen sollen und nicht die Kommissare. Aber Ferrari war und ist immer schon ein unsportlicher und schlechter Verlierer gewesen."

Honcho: "Ich denke, dass die Strafe schon berechtigt ist. Hamilton hat abgekürzt und hat Räikkönen dann vorbeigelassen, sich aber direkt wieder in den Windschatten begeben und ihn überholt. Hätte er damit 2 Kurven gewartet, dann wäre er nicht bestraft worden, aber so kam mir das gleich komisch vor und die Strafe überrascht mich nicht."

Manül: "Das geht absolut in Ordnung. In der Szene habe ich mir schon gedacht, dass das entweder sau clever von Hamilton war, wenn er nicht bestraft wird, oder er wird eben bestraft. Jetzt ist es halt so und es ist absolut vertretbar!"

Coltcz3: "Natürlich hat McLaren in diesem Jahr viele Strafen bekommen, aber die meisten waren gerechtfertigt. Ihr neigt immer dazu, in allem eine Verschwörung zu sehen. Auch ich finde manche Entscheidungen der FIA nicht richtig, aber ich bin hundertprozentig überzeugt, dass die Kommissare kein Team bevorzugen. Außerdem fällt es auf, dass Ron Dennis und McLaren gerne die Opferrolle übernehmen, um Sympathien für sich zu gewinnen."

So steht es in Fahrer- und Team-WM

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