"Wahnsinn ist das richtige Wort"

Von Interview: Alexander Mey
Timo Glock, Interview, Ralf Schumacher, Testfahrten, Saisonstart
© xpb

München - Timo Glock tritt 2008 ein schweres Erbe an. Er wird Nachfolger von Ralf Schumacher bei Toyota und soll das Team endlich an die Spitze führen. 

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Wie das klappen soll? "Das geht nur Schritt für Schritt und mit vollem Einsatz", sagt Glock im SPOX.com-Interview. Und das meint der 26-Jährige durchaus ernst. Denn er testet bis zum Umfallen, vernachlässigt seine Wohnung und führt Fotoalben seiner Mechaniker.

Und er hat große Ziele: "Unsere Gegner heißen Williams aber auch Renault und BMW", so Glock. Doch einen hat er dabei besonders im Blick: Teamkollege Jarno Trulli. Denn: "Natürlich will ich Jarno schon im ersten Jahr schlagen", sagt Glock.

SPOX: Herr Glock, Sie waren voller Neugier auf das, was Sie bei Toyota erwartet. Jetzt haben Sie die ersten Monate hinter sich - was hat Sie positiv, was negativ überrascht?

Timo Glock: Positiv angetan bin ich auf jeden Fall von der tollen Stimmung im Team. Wir arbeiten alle hart und haben ein gemeinsames Ziel. So richtig enttäuscht worden bin ich noch nicht. Es ist schon Wahnsinn, was ein Team wie Toyota für irre Ressourcen hat - und wie viele Menschen hier arbeiten. Für mich war es vor allem wichtig, alles so schnell wie möglich kennen zu lernen. Schließlich wollen wir zusammen einen guten Job machen.

SPOX: Das trauen Ihnen viele Experten nicht zu und schreiben Toyota schon jetzt wieder ab. Ist bei Ihnen selbst auch Ernüchterung eingekehrt?

Glock: Naja, wir haben immer gesagt, dass wir im ersten Jahr keine Wunderdinge erwarten dürfen. Aber abschreiben sollte man uns auf keinen Fall. Die Bestzeit  von Jarno Trulli bei den Tests in Barcelona hat gezeigt, dass wir Potenzial haben. Und das wollen wir in den nächsten Monaten ausschöpfen.

SPOX:. Sie haben ein Fotoalbum mit Bildern aller Ingenieure...

Glock: (lacht) Jaja, das Fotoalbum. Ich kann mir eben sehr schlecht Namen merken.

SPOX: Spaß beiseite: Ist das Ihr einziges Hilfsmittel, um sich an das Team zu gewöhnen? Wie finden Sie sich mittlerweile zurecht.

Glock: Ich versuche so oft wie möglich bei meinen Mechanikern in Köln zu sein und auch bei den Tests so viel Zeit wie möglich mit den Menschen von Toyota zu verbringen. Inzwischen kenne ich mich schon ganz gut aus - und kenne auch schon viele Namen.

SPOX: Die kennt Ihr Teamkollege Jarno Trulli sicher auch. Schließlich ist er ein alter Hase im Team. Trotzdem müssen Sie ihn klar schlagen, wenn Sie in der F1 vorwärts kommen wollen.

Glock: Zunächst einmal muss ich den Vorsprung aufholen, den Jarno in der Zusammenarbeit mit dem Team und in der Formel 1 hat. Aber natürlich ist der Teamkollege der erste Gegner, das ist auch bei uns so. Ich weiß um meine Aufgabe. Jarno ist ein sehr guter Qualifyer. Da wird es bestimmt nicht leicht, ihn zu schlagen.

SPOX: Dann mal konkret: Wie viel Zeit geben Sie sich, um Trulli zu überflügeln?

Glock: Ich muss aufholen. Aber dafür habe ich ja ein mehrjähriges Engagement. Und die Tests haben gezeigt, dass ich auf Jarnos Level fahren kann. Sie haben aber auch gezeigt, dass wir nur gemeinsam etwas bewegen können. Ich will Jarno schon im ersten Jahr schlagen, aber wir wollen gemeinsam mit Toyota erfolgreich sein.

SPOX: Deshalb haben Sie viel getestet. Wie haben Sie den Testwahnsinn erlebt? Haben Sie außer essen, schlafen, Fitnesstraining und testen noch irgendwas gemacht?

Glock: (lacht) Wahnsinn ist das richtige Wort. Teilweise bin ich quasi direkt aus dem Auto ins Bett gefallen, so kaputt war ich. Nach dem Aufwachen bin ich dann sofort wieder ins Auto gestiegen. Insgesamt war ich vielleicht vier oder fünf Tage zu Hause.

SPOX: Dann haben Sie Ihre neue Wohnung in Köln bisher kaum genutzt?

Glock: In der vergangenen Woche habe ich dort erst das zweite Mal übernachtet. Nur gut, dass mir ein paar Freunde geholfen haben, die Bude einzurichten. Sonst würde ich wahrscheinlich immer noch zwischen Umzugskartons schlafen.

SPOX: Ein Opfer, um Toyota nach vorne zu bringen. Denn genau das sollen Sie tun. Aber wie wollen Sie das schaffen? Was können Sie alleine ausrichten?

Glock: Alleine kannst du immer wenig bewegen. Was wir schaffen wollen, können wir nur als Team schaffen. Dafür arbeiten wir hart. Das ganze Team ist sehr motiviert. Ich versuche, mein Bestes dazu zu geben. Das geht nur Schritt für Schritt und mit vollem Einsatz.

SPOX: Muten Sie sich nicht ein bisschen zu viel zu, wenn Sie als Beinahe-Rookie auf Anhieb ein krisengebeuteltes Team wie Toyota auf die Erfolgsspur bringen wollen?

Glock: Toyota hatte einfach das beste Paket für mich. Ich habe hier eine Riesen-Herausforderung und gleichzeitig eine Riesen-Chance. Man muss es mal so sehen: Toyota ist seit sieben Jahren in der Formel 1. Das Team hat riesige Ressourcen. Meine Aufgabe ist es, nicht nur schnell Auto zu fahren, sondern mitzuhelfen, diese Möglichkeiten auszuschöpfen.

SPOX: Aber wofür reicht es 2008? BMW hat sich gesteigert, Williams und Red Bull machen einen sehr starken Eindruck und auch Renault wird mit Alonso kaum zu knacken sein.

Glock: Na gut, die Tests haben gezeigt, dass Ferrari und McLaren derzeit in ihrer eigenen Liga spielen. Aber dahinter sehe ich es nicht so klar. Da ist noch vieles offen. Da hat sich eigentlich keiner die ganzen Tests über als Nummer drei, vier oder fünf aufgedrängt. Ich denke nach wie vor, dass wir unter den Top-Teams mitfahren können. Unsere Gegner heißen Williams aber auch Renault und BMW.

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