Eine Lektion Demut für die Roten

Von Alexander Mey
räikkönen, ferrari, melbourne
© Imago

München - Da soll noch einmal einer sagen, Deutsche könnten keine Partys feiern. Sie können es sehr wohl, vor allem nach berauschenden Erfolgen wie beim Formel-1-Auftakt in Australien.

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Und es soll noch einmal einer sagen, Italiener wären hochemotional und würden ihr Herz auf der Zunge tragen. Dass auch das nicht immer stimmt, zeigte sich nach dem Debakel von Melbourne.

Während sich Nick Heidfeld in seinen Bart hinein über Platz zwei freute und Nico Rosberg wie ein kleines Kind mit Sieger Lewis Hamilton im Arm auf und ab sprang, um seinen allerersten Podestplatz zu feiern, strahlten die Chefs der deutschen Hersteller über beide Ohren.

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Haug: "Der Speed war überragend"

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, weil sein Team es allen Unkenrufern gezeigt und das Rennen souverän gewonnen hatte. Sein BMW-Kollege Mario Theissen, weil sein Team viel früher als erwartet da angekommen ist, wo es hinwollte - auf Augenhöhe mit den Besten.

"Das war ein phantastischer Auftakt in die neue Saison", strahlte Theissen und wurde dabei nur von Haug überboten, der sagte: "Ich bin sehr, sehr glücklich. Wir waren im Rennen noch stärker als im Qualifying. Der Speed war überragend! Lewis Hamilton war fehlerfrei und Heikki Kovalainen hatte eine Traum-Premiere."

Lewis Hamilton hat in der Tat das Rennen beherrscht. Obwohl er mehrmals wegen der Safety-Car-Phasen einen großen Vorsprung einbüßte, wurde er nie nervös, immer wieder führte er die Gegner beim Neustart vor.

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Motivationsschub für Sauber 

Auch Nick Heidfeld, der zwar ein fehlerfreies Rennen fuhr, aber ohne die Probleme der Konkurrenz nicht Zweiter geworden wäre. "Heidfeld hat durchaus von dem Chaos profitiert", sagte Premiere-Experte Jacques Schulz SPOX.com. "Platz zwei ist sicher das Beste, was wir herausholen konnten", gab auch Theissen zu.

Glück hin oder her: Fakt ist, dass BMW-Sauber nach den Eindrücken aus Rennen und Qualifying deutlich näher an der Spitze dran ist als nach den Testfahrten befürchtet. "Wir wissen jetzt, dass wir stärker sind als erwartet", sagte Heidfeld. Theissen ergänzte: "Zusammen mit unserem sehr guten Qualifying am Samstag ist dies eine gute Basis für die kommenden Rennen. Für das ganze Team war dies ein enormer Motivationsschub."

Desaster für Ferrari 

Mit fehlender Motivation hat McLaren-Mercedes naturgemäß ebenfalls keine Probleme. "Man hat gesehen, dass sich unsere Arbeit gelohnt hat. Wir haben keine Geräusche gemacht, sondern haben gearbeitet", ließ Haug einen kleinen Seitenhieb auf Ferrari fallen. "Wir haben jetzt 14 WM-Punkte, Ferrari hat einen. Die haben sich hier nicht sehr stark präsentiert."

Damit wären wir bei den Roten, der Scuderia, dem haushohen Favoriten auf den Sieg in Melbourne, ach was, auf den WM-Titel.

Ferrari erlebte ein Desaster. Fahrfehler von beiden Piloten, zwei Motorschäden, schwaches Qualifying - da wirkte der nachträglich geschenkte WM-Punkt für Kimi Räikkönen durch die Disqualifikation von Rubens Barrichello fast schon wie Hohn.

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Ausflug in den Dreck 

"Ferrari war genauso indisponiert wie seine Fahrer", analysierte Schulz. "Massa ist aufs Gas gestiegen, als hätte er immer noch Traktionskontrolle, Räikkönen hätte ohne seine Ausflüge in den Dreck Dritter werden können."

Entsprechend konsterniert waren die Verantwortlichen. "Über so einen desaströsen Saisonstart gibt es nicht viel zu sagen", erklärte Chef-Stratege Luca Baldisserri. "Wir haben in keinem Bereich gut gearbeitet, und das ist die Folge. Es ist Ewigkeiten her, dass wir zwei Motorschäden in einem Rennen hatten. In Sachen Zuverlässigkeit haben wir ernste Defizite."

Kaum Zeit, die Roten zu verreißen

Alarm bei der Scuderia. Offenbar haben die Warnungen von Präsident Luca di Montezemolo, sich von den guten Testeindrücken nicht einlullen zu lassen, nicht gefruchtet. "Es war eine Lektion für uns alle. Wir müssen uns nun in Demut üben", sagte der Chef nach dem Rennen.

Vielleicht ist es gut für die Scuderia, dass es schon in der kommenden Woche in Malaysia weitergeht. Da bleibt für Team und Fahrer kaum Zeit zum Grübeln und für die Presse zu Hause kaum Zeit, die Roten zu verreißen.

Außerdem ist die Chance zur direkten Wiedergutmachung ganz nah. "Ferrari darf man auf keinen Fall abschreiben. Gerade auf dem Kurs in Malaysia sollte es für die Roten deutlich besser laufen", sagte Schulz.

Die Latte liegt hoch 

Di Montezemolo hätte nichts dagegen. "Ich freue mich schon auf nächsten Sonntag, dann werden wir den wahren Ferrari sehen", lautet seine Kampfansage.

Nur wo steht der wahre Ferrari denn nun? McLaren-Mercedes hat eine Latte gelegt, die erst einmal übersprungen werden will. Und BMW-Sauber hat eine ganz neue Farbe ins Spiel gebracht, an die sich die Roten im Kampf um Siege und bald vielleicht schon WM-Titel werden gewöhnen müssen.

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