Vom Sterbebett an die Weltspitze

Von Felix Götz
Der EHC Red Bull München will an die Eishockey-Spitze klettern
© imago

Mit dem DEL-Auftakt am Freitag gegen die Hamburg Freezers (Fr., 19.30 Uhr im LIVE-TICKER) beginnt für den EHC Red Bull München eine neue Zeitrechnung. Der Angriff auf die Eisbären Berlin ist fest eingeplant, Trainer Pierre Page nennt den EHC schon in einem Atemzug mit dem FC Bayern und dem FC Barcelona. Mit Hilfe einer gigantischen Nachwuchsakademie soll der Lionel Messi des Eishockeys hervorgebracht werden.

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Im Mai 2012 war der EHC München am Boden. Gespräche mit der Stadt über eine Werbekooperation mit lokalen Unternehmen zur Erhaltung des Spitzeneishockeys in der bayerischen Landeshauptstadt waren gerade gescheitert. Der Verein so gut wie tot, der Verkauf der Lizenz nach Schwenningen schien unter Dach und Fach.

"Es hat sich wieder mal gezeigt, dass München keine Eishockeystadt ist", sagte damals der ein Jahr zuvor an die Isar gewechselte Klaus Kathan. Der Stürmer aus Bad Tölz ärgerte sich darüber, eine Warnung seines Vaters Peter in den Wind geschlagen zu haben. "Geh ned nach Minga", hatte der seinem Sohn mit auf den Weg gegeben.

Peter Kathan sprach aus Erfahrung. Er hatte einst als Trainer beim ESC gearbeitet. Einem der zahlreichen Eishockeyklubs, die in München vergeblich ihr Glück versucht hatten.

Ob anfangs Bayern München, später EV, Hedos, ESC, die Maddogs oder die Barons - alle hatten sie sich trotz teilweise großer sportlicher Erfolge (Hedos und die Barons gewannen jeweils eine Meisterschaft) im Schatten der Fußballer des FC Bayern eine deftige Watschn in Form von Desinteresse von Publikum und Stadt abgeholt.

Red Bull bringt vorläufige Rettung

Nun war auch der EHC, der in den drei Jahren nach dem Aufstieg in die DEL Millionenverluste gemacht hatte, kurz davor, von der Eishockey-Landkarte zu verschwinden.

Da verlieh wie aus dem Nichts Red Bull dem klinisch toten Patienten zwar vorerst keine Flügel, aber immerhin wieder einen Herzschlag. Der Brausehersteller aus Österreich stieg als Namenssponsor ein und steuerte für die Saison 2012/2013 eine Million Euro bei.

"Damals war es nicht fünf nach 12, es war eher schon halb eins", erinnert sich Manager Christian Winkler im Gespräch mit SPOX an die dramatische Zeit. Es ging weiter, wenn auch mit mäßigem Erfolg. Die Münchner verpassten die Pre-Playoffs. Die Zukunft hing erneut am seidenen Faden, weil Red Bull mit einem weiteren Engagement zögerte.

EHC mit höchstem Etat der Liga

Dies änderte sich quasi über Nacht. Red Bull übernahm alle Anteile vom bisherigen Alleingesellschafter Michael Phillips und beschloss, Eishockey in München ganz groß aufzuziehen. In dieser Saison steckt das Unternehmen von Dietrich Mateschitz dem Vernehmen nach 13 Millionen Euro in den Verein.

Allein knapp sechs Millionen sollen in den Spieleretat fließen. Da kann Meister Eisbären Berlin (4,8 Millionen Euro) und die Adler Mannheim (4,7) nicht mithalten. Im Handumdrehen zählt der EHC zu den Titelfavoriten in der DEL.

"Es ist sicherlich so eine kleine Cinderella-Story. Aber ich denke schon auch, dass die Pionierarbeit, die in den vergangenen zehn Jahren geleistet wurde, dabei hilfreich war. So wurde das Fundament gelegt, um jetzt etwas Großes zu starten. Es beginnt eine neue Zeitrechnung", sagt Winkler, der in den ganzen Jahren dabei war.

Dem neuen Reichtum entsprechend gingen die Münchner im Sommer auf große Einkaufstour. Spieler mit NHL-Erfahrung wie Darren Haydar, Nick Palmieri, Jon DiSalvatore und Matt Smaby oder gestandene deutsche Nationalspieler wie Alexander Barta flitzen nun in Red-Bull-Trikots über die Eisfläche. Auch hinter der Bande gab es eine Änderung. Der langjährige EHC-Coach Pat Cortina wechselte als Bundestrainer zum DEB, seinen Posten hat Pierre Page übernommen. Als Assistent fungiert Goalie-Legende Helmut de Raaf.

EHC soll wie die Oilers spielen

Der Kanadier Page holte mit den Eisbären zwei Meisterschaften und war als NHL-Head-Coach in Minnesota, Quebec, Calgary und Anaheim tätig. Zuletzt arbeitete er beim ebenfalls zu Red Bull gehörigen Klub in Salzburg. Der 65-Jährige vertritt die Red-Bull-Philosophie wie kaum ein zweiter. Immer höher hinaus soll es gehen.

"München soll eine Weltmacht im Eishockey werden. Das ist der Anfang von etwas Spektakulärem. Das ist die Stadt der Champions. Wer den FC Bayern mag, wer den FC Barcelona mag, der wird auch uns mögen", erklärte Page. Wenn der Mann aus Quebec über seinen neuen Klub spricht, dann sprudelt die Begeisterung nur so aus ihm heraus. Wie die Edmonton Oilers oder die Montreal Canadiens wolle man spielen. "Wir sind hier, um etwas zu erschaffen, worauf das deutsche Eishockey stolz sein kann", sagt Page.

Selbst die durchwachsene Vorbereitung tut dem Enthusiasmus des Trainers keinen Abbruch. Von acht Testspielen wurden nur zwei gewonnen. Allerdings müssen zum einen 21 Neuzugänge integriert werden, was zu Abstimmungsproblemen führt.

Zum anderen mussten die Münchner aufgrund des Hallenumbaus alle Partien auswärts bestreiten. "Die schwerste Phase der Saison" liege hinter dem EHC, glaubt Page und gibt die Richtung vor: "Berlin ist der Favorit. Wir wollen Berlin schlagen. Mit Red Bull ist alles möglich."

Olympia-Eishalle erstrahlt in neuem Glanz

Fakt ist: Red Bull hat bei seinen bisherigen Engagements im Sport bewiesen, dass es keine halben Sachen macht. Der Extremsport ist fest in der Hand des Brauseherstellers, in der Formel 1 sieht die Konkurrenz von Sebastian Vettel meist nur noch die Rücklichter. Und selbst im Fußball scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Drittligist RB Leipzig in der Bundesliga auftaucht.

Nun also auch Dosen on Ice in Deutschland. Und da Red Bull nichts dem Zufall überlässt, ist es nicht mit Investitionen in die Mannschaft getan. Knapp drei Millionen Euro sollen die Bullen in den Umbau der altehrwürdigen, aber nicht mehr zeitgemäßen Olympia-Eishalle gesteckt haben.

Wer das 1967 erbaute Eisstadion am Oberwiesenfeld schon einmal gesehen hat, erkennt es heute kaum wieder. Ein neuer 300 Quadratmeter großer VIP-Raum, neue Sitzschalen, neuer Anstrich, ein schicker Videowürfel am Hallendach - kaum mehr etwas erinnert noch an die Zeiten der finanziellen Schieflage.

Da die Halle an sich aber alt bleibt, ist sogar ein Neubau vorgesehen. Zwischen 2016 und 2018 soll eine Multifunktionshalle für 10.000 Zuschauer fertiggestellt sein, die auch die Basketballer der Bayern mitnutzen sollen. Eine entsprechende Absichtserklärung haben die Stadt München und Red Bull bereits unterzeichnet.

Suche nach dem Eishockey-Messi

Für das Eishockey wird nicht nur in München, sondern vor allem in Liefering bei Salzburg gebaut. Dort wird 2014 die gigantische Nachwuchsakademie fertig, in der Fußballer und Eishockeyspieler ausgebildet werden. Zwei Eisflächen mit allem möglichen technischen Schnickschnack wie zum Beispiel hochmodernen Geräten zur Erfassung von Leistungsdaten der Spieler entstehen. Dazu alle erdenklichen Trainings- und Regenerationseinrichtungen.

"Wir wollen den Messi des Eishockeys finden. Je jünger die Jungs sind, wenn sie in die Akademie kommen, desto größere Chancen haben wir, etwas aus ihnen zu machen", hat Page auch für die Junioren, die mit 12, 13 oder 14 Jahren nach Liefering kommen sollen, ehrgeizige Ziele.

Bereits in dieser Saison tritt ein Farmteam aus Spielern aus Salzburg und teilweise auch München bestehend in der starken russischen Nachwuchsliga MHL an. Der Clou dabei: Die weiteste Reise wird den Nachwuchs zum Auswärtsspiel nach Chabarowsk im Osten Russlands nahe der chinesischen Grenze führen. Satte 8000 Kilometer muss das Team dabei zurücklegen - einfach, versteht sich.

Von all dem wird in erster Linie München profitieren. Die deutsche Meisterschaft ist in den kommenden Jahren fest eingeplant, doch was passiert danach? Wie kann der EHC zur Weltmacht werden? "Es gibt keine Grenzen", sagt Page und bleibt ebenso wenig konkret wie Winkler: "Wir haben einen langfristigen Plan. Den verraten wir aber nicht."

Der DEL-Spielplan 2013/14