Norwegen demontiert die DEB-Auswahl

SID
Bedröppelt zieht die deutsche Mannschaft nach der Blamage gegen Norwegen von dannen
© spox

Christoph Schubert ist stinksauer. Den Schläger, auf den sich der deutsche Eishockey-Nationalverteidiger während der kurzen Gespräche nach den Spielen sonst lässig stützt, wirft er unablässlich von einer Hand in die andere. Schweiß spritzt in alle Richtungen, als der 1,91 Meter große Hüne den Satz des Abends spricht: "Das ist eines der schlechtesten Spiele in der Geschichte des deutschen Eishockeys."

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Ganz so dramatische Dimensionen hat die blamable 4:12 (0:3, 1:6, 3:3)-Niederlage im vorletzten WM-Gruppenspiel gegen Norwegen zwar nicht - erst 2008 ging die Auswahl des DEB 1:10 gegen Kanada unter - das Entsetzen, dass die Partie bei Spielern, Offiziellen, Fans und Journalisten hinterlässt, ist dennoch gewaltig.

DEB vs. Tschechien, Di., 16 Uhr im LIVE-TICKER

"Ich kann mich an kein so schlechtes Spiel erinnern, seit ich in der Nationalmannschaft bin - und ich bin schon seit der U 16 dabei", sagte etwa Felix Schütz.

Die deutsche Mannschaft zeigte am Sonntagabend eine desolate Gesamtleistung in einer Art, die man spätestens seit der Ära Krupp und den beiden starken Weltmeisterschaften der vergangenen Jahre vergessen glaubte.

Umso größer war die Fallhöhe, mit der Eishockeydeutschland aus seinen Erfolgsfantasien gerissen wurde: "Wir haben den Weg ins Viertelfinale gesucht, jetzt stehen wir in der Versenkung", resümierte Philip Gogulla und entschuldigte sich im Anschluss mehrfach für das Spiel: "Was wir heute gezeigt haben, ist eine absolute Frechheit."

Drängen des Coversängers erlegen

Wie ein böses Omen wirkt im Nachhinein der Song, den der Anheizer der Arena vor dem Spiel aus seiner Plattenkiste kramte: "Pump ab das Bier" hatte vor 23 Jahren Werner Wichtig gefordert - Deutschlands Spieler wirkten so, als wären sie dem Drängen des unsäglichen Coversängers erlegen.

Die Sturmreihen setzten ihre ohnehin spärlich vorhanden Chancen in schöner Regelmäßigkeit teils meterweit neben den norwegischen Kasten, der Abwehr unterliefen Zuordnungsfehler am laufenden Band.

Und sogar die Torhüter, auf die sich die Mannschaft in solchen Fällen bislang immer verlassen konnte, waren am Sonntag völlig von der Rolle. Mehrfach rochierten Dennis Endras und Dimitrij Kotschnew im Tor, im letzten Drittel wechselte sich Endras sogar selbst aus und zertrümmerte aus lauter Hilflosigkeit seinen Schläger.

Bundestrainer Jakob Köllikers erster Aufarbeitungsversuch wirkte im Angesicht des Ausmaßes der Katastrophe hilflos: "Vielleicht ging das alles ein bisschen zu schnell. Ich glaube, die ersten drei Schüsse waren auch die ersten drei Tore. Wir haben dann versucht, mit Timeout und Torhüterwechsel Impulse zu geben, alles nützte nichts."

Kölliker vor einem Scherbenhaufen

Nun steht der Schweizer, dessen Trainervertrag nur bis zum Ende der WM gilt, vor einem Scherbenhaufen. Nach dem Verpassen des Viertelfinales bleibt dem 58-Jährigen und seiner Mannschaft nur noch die direkte Qualifikation für die Olympischen Spiele in Sotschi 2018 als absolutes Minimalziel - dafür müsste Deutschland das Turnier als Neunter abschließen: "Das liegt ganz gut drin. Wenn wir einen Punkt gegen Tschechien machen, ist die Schweiz hinter uns - wenn sie auch verliert, aber das können wir ja nicht bestimmen", übte sich der Bundestrainer in Zweckoptimismus.

Nur: Wie will man die technisch und läuferisch deutlich höher einzuschätzenden Tschechen schlagen, wenn selbst die Norweger fast jeden dritten Schuss im deutschen Tor versenken konnten?

"Wir müssen hier zusammen fertig spielen: Wir können morgen nicht den Trainer oder den Torhüter auswechseln. Wir sind ein Team und gehen durch dick und dünn - nach einem schlechten Spiel kann man durchaus wieder ein gutes abliefern", glaubt zumindest Kölliker.

Ersatzkapitän Kai Hospelt fand am Sonntagabend noch nicht die Kraft, Dinge schönzureden: "Wir haben immer gesagt, wir denken von Spiel zu Spiel - heute wissen wir ja, wo wir stehen."

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