"Der Russe spielt schon gut Eishockey"

Von Florian Regelmann
Fünf Mal jubelten die Russen beim WM-Auftaktspiel gegen die deutsche Mannschaft
© Getty

Deutschland bekam beim WM-Auftakt klar die Grenzen aufgezeigt. NHL-Star Jochen Hecht braucht noch Eingewöhnungszeit, wie er SPOX verriet.

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In der PostFinance-Arena in Bern legt man wert auf klare Trennungen. Die Flaggen der Top-8-Nationen hängen auf der einen Seite, die Flaggen der restlichen acht teilnehmenden Länder auf der anderen Seite.

Wenn man die Symbolik den tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Eis anpassen wollte, man müsste die deutsche Fahne nehmen und sie irgendwo am Berner Rathaus aufhängen.

Hauptsache weit weg von der russischen. Denn zwischen diesen beiden Ländern liegen Eishockey-Lichtjahre. "Die sind Weltmeister und haben unsere kleinen Unaufmerksamkeiten gnadenlos ausgenutzt", sagte Moritz Müller nach der 0-5-Pleite im Gespräch mit SPOX.

Beeindruckende russische Dominanz

Sicher - jeder, der sich einigermaßen mit dem Eishockey-Sport auskennt, der weiß, dass Deutschland nicht das Niveau der Sbornaja hat. Natürlich nicht.

Die DEB-Auswahl hat ja schließlich nicht umsonst noch nie bei Weltmeisterschaften gegen Russland auch nur einen einzigen Punkt geholt.

Dennoch war die Art und Weise der russischen Dominanz bemerkenswert. Uwe Krupp hatte zur WM bekanntlich extra ein Team zusammengestellt, das läuferisch eine gute Qualität hat. Vielleicht die beste, die ein deutsches Team jemals hatte.

Russland zelebriert ICE-Eishockey

Im Vergleich zu ihren Gegenspielern müssen sich dann einige deutsche Kufencracks aber so vorgekommen sein, als ob sie in ihren Heimatvereinen in der DEL in Zeitlupe spielen würden.

Ein langer Pass von Ottawas Verteidiger Anton Volchenkov, Thrashers-Superstar Ilya Kovalchuk fliegt förmlich weg und netzt ein. Boom, schon hat's hinter dem guten Goalie Dimitri Pätzold eingeschlagen.

Das zweite Tor der Russen war nur ein Beispiel für ihr ICE-Eishockey. "Es ist beeindruckend, wie sie mit der Scheibe umgehen. Die Russen haben uns mal schön gezeigt, was für ein Tempo hier gespielt wird", meinte Müller, der bei seinem WM-Denüt mit 22 Jahren noch einer der Besten war, viel Eiszeit erhielt und im weiteren Verlauf des Turniers eventuell sogar einem NHL-Scout ins Auge springen könnte.

Trotzdem: Krupp hat bereits einiges erwirkt

Dass Deutschland derart unterlegen war, heißt aber nicht, dass Krupp nichts bewirkt hat. Deutschland ist weit weg von den Zeiten eines Hans Zach, in denen auf Teufel komm raus die eigene Zone dicht gemacht wurde. Auch damals wurde gegen Russland verloren. Aber anders.

Krupp lässt beispielsweise kein 1-4-Trapsystem spielen. Seine Mannschaft läuft, checkt vor, ist dadurch anfällig für schnelle Konter, kommt aber auch so zu viel mehr Torchancen als früher.

Chancenverwertung bleibt das Problem

Das ganz große Problem bleibt nach wie vor die Chancenverwertung. Gegen Russland begann Deutschland stark und hätte durchaus in Führung gehen können. Wer weiß, wie sich die Partie entwickelt hätte.

Sie wäre zumindest länger offen geblieben. Doch Christoph Schubert scheiterte in einem Break an Ilya Bryzgalov und auch Jochen Hecht konnte seine Scorer-Qualitäten nicht unter Beweis stellen.

"Die Umstellung auf die größere Eisfläche ist immer unglaublich schwierig. Vor allem im ersten Drittel hatte ich große Probleme. Die Wege sind sehr weit und das Timing ist ein völlig anderes", stöhnte Hecht gegenüber SPOX.

Zu viele deutsche Strafen

Deutschland geriet also doch relativ früh in Rückstand und verbrachte in der Folge einfach viel zu viel Zeit in der Penalty-Box. Insgesamt setzte es neun Strafen für die DEB-Auswahl (Russland bekam nur zwei), dreimal spielte man sogar 3-5-Unterzahl, teilweise nach unglücklichen oder dummen Strafzeiten für Spielverzögerungen und wegen zu vieler Spieler auf dem Eis.

Logisch, dass man so keine Chance auf ein achtbares Ergebnis gegen den Weltmeister hat. Um gegen Russland irgendwie bestehen zu können, braucht es einen Glanztag, den man aber eben nicht herbeizaubern kann.

Es ist völlig unnötig, sich mit der Auftaktpleite lange aufzuhalten. "Verloren ist verloren, egal wie. Wir nehmen keine Punkte mit und jetzt geht's weiter", erklärte Müller.

Volle Konzentration auf die Schweiz und Frankreich

Abhaken und sich auf das zweite Gruppenspiel gegen die Schweiz vorbereiten. Eine etwas größere Möglichkeit auf einen Sieg besteht selbstverständlich, die Schweiz hatte beim 1:0 gegen Frankreich überraschend viel Mühe, aber auch nicht mehr.

Realismus ist in diesen Tagen angesagt. Frankreich muss im letzten Gruppenspiel geschlagen werden, dann ist alles in Ordnung.

Ein deutscher Schlachtenbummler brachte die deutsche Stimmung auf dem Nachhauseweg auf den Punkt, als er nüchtern vor sich hin murmelte: "Der Russe spielt schon gut Eishockey..."

Deutschland - Russland: der Spielbericht