Nastase: "Djokovic muss aufpassen"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Ilie Nastase galt als genialer Tennisspieler - und als einer der größten Spaßvögel der ATP-Historie
© Imago

Tennis-Legende Ilie Nastase ist nicht nur einer der talentiertesten Spieler aller Zeiten, er ist auch ein lustiger Vogel. Im SPOX-Interview tritt er sowohl den Nachweis seiner Fachkenntnis als auch seines Humors an. Vor den ATP Finals beurteilt er die Favoriten. Er warnt Novak Djokovic und zweifelt an Roger Federer. Rafael Nadals Karriere hat er quasi auf den Weg gebracht.

Cookie-Einstellungen

Nach einem kurzen Vorgespräch mit der Medienbeauftragten der Laureus-Foundation reicht sie den Hörer an Ilie Nastase weiter...

Ilie Nastase: Hi, ich bin Ilie aus Rumänien. Wer bist Du?

SPOX: Ich bin Philipp von SPOX in München.

Nastase: München? Bist Du jetzt gerade in München?

SPOX: Ja.

Nastase: Ist es bei Euch auch so verdammt kalt? Schneit es?

SPOX: Kalt ist es, aber Schnee haben wir bisher nicht.

Nastase: Ich sitze hier in London und ich bin sicher, dass es bald schneien wird.

SPOX: Ist das schlimm? Mögen Sie keinen Schnee?

Nastase: Doch sicher, ich liebe Schnee. Aber sag mal: Wollen wir uns jetzt über das Wetter unterhalten oder was?

SPOX: Wie wäre es, wenn wir über Tennis reden?

Nastase: Sehr gut. Was willst Du wissen?

SPOX: Naja, bald stehen die ATP Finals in London an. Ich hätte natürlich gerne eine Einschätzung von Ihnen.

Nastase: Gerne, darauf freue mich mich schon. Hoffentlich kann ich an ein oder zwei Tagen dabei sein.

SPOX: Sie haben das Turnier vier Mal gewonnen. Was halten Sie von dem Saisonfinale? In Deutschland wird es leider nicht sehr geschätzt.

Nastase: Ich mag es sehr. Wenn man vier Mal in fünf Anläufen gewinnt, dann muss man wohl sagen, dass mir das Turnier lag. (lacht) Ich bin stets sehr frisch in die Finals gegangen, während andere Spieler müde gespielt waren. Vielleicht war das ein Grund.

SPOX: Aber wie kann das sein? Sie haben schließlich das ganze Jahr über Einzel, Doppel und Mixed gespielt, dazu den Davis Cup. Sie haben praktisch kein Turnier ausgelassen.

Nastase: Gerade deswegen war ich so frisch! Ich habe mich immer umso fitter gefühlt, je mehr ich gespielt habe.

SPOX: Das Feld ist mit Djokovic, Nadal, Murray, Federer usw. einmal mehr exzellent. Ist Novak Djokovic trotzdem der große Favorit?

Nastase: Na klar, ich würde mein Geld auf ihn setzen. Er hat nach den US Open nicht mehr viel gespielt und zuletzt überraschend gegen Kei Nishikori verloren, aber wenn man so ein Jahr hatte, fühlt man sich praktisch unbesiegbar.

SPOX: Haben Sie ihm eine solche Saison zugetraut?

Nastase: Ehrlich gesagt nicht. Er hat schon fantastisch gespielt und ist absolut verdient die Nummer eins. Aber er muss auch aufpassen. Das wird natürlich nicht immer so weitergehen. Vielleicht findet Nadal nächstes Jahr zu alter Stärke, Murray schließt die Lücke langsam, aber stetig.

SPOX: Haben Sie Roger Federer bewusst nicht erwähnt?

Nastase: Er hat ja schon alles erreicht und ist, für einen Tennisprofi, auch nicht mehr der Jüngste. Vielleicht fehlen ihm einfach die letzten paar Prozent Motivation, wirklich noch der Allerbeste zu sein. Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber ich könnte mir vorstellen, dass sich seine Prioritäten so langsam in Richtung Familie verschieben.

SPOX: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie Toni Nadals Idol sind und dass Sie der Grund waren, dass er angefangen hat, Tennis zu spielen?

Nastase: Oh ja, ich kenne Toni inzwischen gut. Wir sehen uns immer bei den French Open und unterhalten uns. Ein netter Kerl. Er hat mir am Anfang mal erzählt, dass er meine Spielweise sehr mochte und dass er mich 1972 in Barcelona hat gewinnen sehen.

SPOX: In gewisser Weise haben Sie also Rafael Nadals Karriere über seinen Onkel und Trainer entscheidend beeinflusst.

Nastase: (lacht) So habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich könnte mir vorstellen, dass Toni mich mochte, weil ich in den 60ern Manolo Santana sehr mochte. Vielleicht war meine Spielweise also ein bisschen spanisch beeinflusst.

SPOX: Ist Rafa Nadal ein Spieler, dessen Spielweise Sie mögen?

Nastase: Er spielt natürlich ganz anders, als ich es getan habe, sehr physisch. Aber diese Spielweise hat auch seinen Reiz und ist vor allem sehr fordernd. So wie er könnten nicht viele spielen. Ich habe eher technisch anspruchsvoll gespielt, Rafa spielt körperlich anspruchsvoll. Das soll aber nicht heißen, dass mir sein Spiel nicht gefällt.

SPOX: Sie haben, wenn man Einzel und Doppel zusammen nimmt, über 100 Titel in Ihrer Karriere gewonnen. Wie würden Sie gegen Nadal, Djokovic und Co. abschneiden?

Nastase: Ach, ich bin kein großer Fan von solchen Vergleichen. Das ist schwierig, die 60er und 70er waren eine andere Zeit. Die Leute wollen auch unbedingt Pele oder Maradona mit Messi vergleichen. Ich finde, das ist nicht möglich.

SPOX: Dann bleiben wir vielleicht in Ihrer Ära, in der Sie auf einige der größten Spieler aller Zeiten getroffen sind: Björn Borg, Jimmy Connors, Arthur Ashe, Rod Laver und ihren Landsmann Ion Tiriac. Gab es da jemanden, den sie als Gegner absolut gehasst haben?

Nastase: Hass ist dafür ein zu starker Ausdruck. Aber sicher gibt es immer Spieler, deren Art zu spielen einem mehr liegt als die Spielweise anderer. Aber einen ganz bestimmten Gegner, den ich nicht mochte, gab es nicht.

SPOX: Sie gelten auch heute noch als einer der begabtesten Spieler aller Zeiten, sie wurden für Ihr enorm variables Spiel stets gelobt. Dennoch haben Sie "nur" zwei Einzel-Grand-Slam-Siege auf dem Konto. Hätten Sie aus Ihrem Talent mehr machen können?

Nastase: Ach, da bin ich gar nicht so sicher. Sie müssen sich in Erinnerung rufen, dass ich erst mit 20 Jahren ernsthaft angefangen habe, Tennis zu spielen - als ich Rumänien verlassen hatte. All die Junioren-Wettbewerbe sind also an mir vorbei gegangen. Das ist ein gewaltiger Rückstand, den man im Seniorenbereich erst mal aufholen muss.

SPOX: Auf der anderen Seite waren Sie - weit über die Grenzen des Tennis hinaus - dafür berühmt, dass Sie auf dem Platz sehr viel Quatsch gemacht haben und immer zu Scherzen aufgelegt waren. Kritiker glauben, dass Sie sich damit nicht selten um Ihre eigene Konzentration gebracht haben.

Nastase: Ach was! Diese Leute haben doch keine Ahnung. Ich habe diese Späße ja immer gemacht, egal ob im Training, wenn ich ein Match gewonnen oder verloren habe. So war ich einfach. Dass meine extrovertierte Art mich negativ beeinflusst haben könnte, halte ich für Unsinn.

SPOX: Sie waren also auf dem Platz einfach nur Sie selbst? Oder haben Sie durchaus die bewusste Entscheidung getroffen, dass es Ihrem Sport hilft, wenn Sie die Leute so gut wie möglich unterhalten.

Nastase: Nein, nein. Natürlich freue ich mich, dass es den Leuten gefallen hat. Aber sich vornehmen, lustig zu sein, obwohl man es nicht ist: Das geht nicht. Wenn Sie sich zwingen müssen, jemand zu sein, der Sie nicht sind, dann können Sie nicht das erreichen, was ich erreicht habe. So kann man nicht die Nummer eins der Welt werden. In jedem anderen Beruf wird man so auch niemals sein Potenzial ausschöpfen können.

SPOX: Ich vermute, dass Ihnen Ihre lockere Art auch bei Ihrer Arbeit bei der Laureus Foundation hilft. Was genau ist Ihr Part bei der Stiftung, die Sport als Mittel zum sozialen Wandel einsetzt?

Nastase: Ich mache das, was alle hier machen: Ich promote den Sport, ermutige die Menschen, Sport zu treiben. Und zwar auf der ganzen Welt. Mir hat der Sport viel gegeben, jetzt möchte ich den Spaß daran vermitteln.

SPOX: Wie lange tun Sie das schon?

Nastase: Inzwischen schon seit elf Jahren. Die Foundation kam einfach auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich Lust hätte mitzumachen. Da habe ich sehr gerne Ja gesagt.

SPOX: Würden Sie sich aufgrund Ihres Laureus-Engagements als Sportpolitiker bezeichnen?

Nastase: Nein, nein, um Gottes willen! Ich arbeite nur direkt mit jungen Menschen zusammen, von Politik will ich nichts wissen. Den Versuch habe ich einmal gemacht.

SPOX: Sie sind 1996 zur Bürgermeister-Wahl in Bukarest angetreten - und gescheitert. Warum haben Sie die Politik danach gleich wieder aufgegeben?

Nastase: Aufgeben ist das falsche Wort. Ich habe versucht, etwas in meinem Land zu verändern. Da wurden mir viele Steine in den Weg gelegt. Deshalb habe ich entschieden, dass ich das wirklich nicht brauche. Stattdessen habe ich mir mehr Zeit für mich selbst genommen.

SPOX: Sie haben sich dann wieder mehr auf das Tennis konzentriert...

Nastase: Richtig, ich war ab 1997 Präsident des Rumänischen Tennis-Verbandes. Das Amt hatte ich 13 Jahre inne.

SPOX: Können Sie mir vielleicht verraten, warum es so wenige erstklassige rumänische Tennisspieler gibt?

Nastase: Ganz ehrlich? Das kann ich nicht. Da haben wir gerade wirklich eine Dürre. Dafür sind wir sehr stolz auf unsere Mädels (aktuell stehen sechs Rumäninnen in den Top 100, d. Red.). Zu meiner Zeit war es eher anders herum.

ATP: Die aktuelle Weltrangliste der Herren

 

Artikel und Videos zum Thema