Damiao: "Auf Augenhöhe mit Barca"

Von Interview: Oliver Wittenburg/Luiz Zini Pires
Leandro Damiao debütierte 2011 in der brasilianischen Nationalmannschaft
© Imago

Ende Juli empfängt der FC Bayern München die europäische Fußballprominenz des FC Barcelona und des AC Milan zum Audi Cup. Viertes Team im Bunde ist Internacional de Porto Alegre aus Brasilien. Einer der interessantesten Spieler im Team von Falcao ist der junge Stürmer Leandro Damiao. Tottenham bot 15 Millionen für den brasilianischen Jungnationalspieler, was Internacional mit einem müden Lächeln quittierte. Im Interview mit SPOX stellt sich Damiao vor.

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Es ist nicht lange her, da rannte ein schlaksiger 17-Jähriger in geborgten Fußballschuhen über die Ascheplätze an der Peripherie Sao Paulos. 20 Euro bekam er umgerechnet für ein Spiel in einem der zahllosen Amateurklubs der Megacity mit ihren über 20 Millionen Einwohnern.

Das ist, wie gesagt, nicht lange her. Keine fünf Jahre später, am 22. März dieses Jahres war es genau, betrat Leandro Damiao in seinen eigenen Schuhen den Designerrasen im Londoner Stadion Emirates im sonnengelben Trikot der brasilianischen Nationalmannschaft, die legendäre Nummer neun auf dem Rücken.

Zwischen der Asche von Sao Paulo und seinem Debüt in der Selecao lagen seine Entdeckung durch die Scouts von Internacional de Porto Alegre und sein Durchbruch beim Traditionsklub, für den einst Falcao und Dunga, aber auch Lucio, Ailton und Alex Pato kickten.

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15 Millionen? Danke, nein

35 Tore in 60 Pflichtspielen, darunter ein schon legendäres im Finale der Copa Libertadores 2010, brachten ihn bei Nationaltrainer Mano Menezes auf die Agenda. Ein Angebot von Tottenham Hotspur über 15 Millionen Euro für Damiao lehnte Internacional Anfang Juni achselzuckend ab. Es heißt, unter 25 Millionen brauche man bei den Roten gar nicht vorzusprechen.

Inzwischen verdient Damiao 69.000 Euro im Monat und hat sich zumindest in Brasilien und bei Europas Scouts einen Namen gemacht. Im Interview mit SPOX spricht der 21-Jährige über seinen Werdegang, das Abenteuer Europa und das Kräftemessen mit dem FC Barcelona beim Audi Cup Ende Juli in München.

SPOX: Es ist noch kein Jahr her, da schossen Sie im Endspiel der Copa Libertadores gegen Chivas ein unglaubliches Tor und Internacional holte den Titel. Erzählen Sie mal.

Leandro Damiao: Ich habe einem Chivas-Spieler den Ball ziemlich genau an der Mittellinie geklaut und dann die Lücke gesehen. Ich bin mit allem, was ich hatte, Richtung Tor, rein in den Strafraum und hatte dann im Eins-gegen-Eins mit dem Torhüter etwas Glück. Der Ball ist rein. Es war ein sehr wichtiges Tor für Inter und hat uns geholfen, den Titel zu gewinnen.

SPOX: Sie sind noch keine 22 Jahre alt, aber haben schon in der Selecao debütiert. Erzählen Sie uns etwas über Ihren Karriereweg und Ihre Anfänge.

Damiao: Es ging alles sehr schnell in meiner Karriere, nachdem ich von Zuhause weg bin. Ich spielte in Santa Catarina im benachbarten Bundesstaat Rio Grande do Sul und Inter beobachtete mich während meiner Zeit bei Atletico Ibirama. Ich wuchs über die Jugend in den Klub hinein, kam dann in die 2. Mannschaft und landete schließlich bei den Profis. Und schließlich wurde ich in die Selecao berufen. Ich werde weiter hart dafür kämpfen, um Nationaltrainer Mano Menezes im Gedächtnis zu bleiben.

SPOX: Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben? In welchem taktischen System können Sie Ihre Stärken am besten ausspielen?

Damiao: Ich bin ein Strafraumstürmer, der selbst den Abschluss sucht, aber auch gerne für seine Mitspieler auflegt. Ich bevorzuge eigentlich kein bestimmtes System, weil es am Ende immer nur darum geht, den Ball nach vorne zu bringen, damit du Tore machen kannst. Und manchmal ist ein System mit drei Stürmern nicht so offensiv wie eines mit nur einer Spitze.

SPOX: Wer ist Ihr Vorbild?

Damiao: Ronaldo. Ich habe ihn immer bewundert. Er ist mein absolutes Idol. Er hat viel durchgemacht in seiner Karriere und hat immer gekämpft und ist immer wieder aufgestanden. Er ist wirklich ein Phänomen.

SPOX: Internacional hat einen ausgezeichneten Ruf als Talentschmiede - gerade für Stürmer. Namen wie Pato, Nilmar oder Rafael Sorbis sind aussagekräftig genug. Gibt es ein Geheimnis in der Nachwuchsarbeit und Ausbildung?

Damiao: Inter kümmert sich sehr um das Scouting in den unteren Klassen und deshalb werden immer wieder viele Spieler entdeckt. Die Arbeit mit dem Nachwuchs ist hervorragend. Das war bei mir genauso. Der Klub ist bemüht, eine gute fußballerische Grundlage zu vermitteln und erzielt vor allem bei den Stürmern gute Ergebnisse. Die Basis stimmt einfach und das zeigt sich dann eben, indem immer wieder gute Spieler aus der Jugend hervorgehen.

SPOX: Große Spieler wie Dunga, Taffarel oder Lucio spielten bei Internacional. Ihr Trainer Falcao war einst einer der besten Spieler der Welt. Ist es etwas Besonderes, für diesen Verein zu spielen?

Damiao: Aber hallo! Ich darf mit Falcao zusammenarbeiten, der eine absolute Legende ist. Überhaupt ist es eine Extra-Motivation, in einem Verein zu sein, bei dem solche Stars spielten. Ich will selbst Geschichte schreiben bei Inter und Nationalspieler sein.

SPOX: Sie könnten der nächste Star aus Brasilien sein, der nach Europa kommt. Tottenham Hotspur etwa hat großes Interesse bekundet. Möchten Sie überhaupt nach Europa und wenn ja: Sind Sie bereit für den großen Sprung?

Damiao: Darüber mache ich mir wirklich keine Gedanken. Ich gebe alles für Inter und um den Rest kümmert sich mein Berater Vinicius Prates. Ich konzentriere mich voll auf meinen Klub und gebe mein Bestes. Das heißt nicht, dass nicht alles passieren kann, aber ich beschäftige mich nicht mit einem Wechsel.

SPOX: Wenn Sie sich die großen europäischen Ligen ansehen: Wo wäre Leandro Damiao am besten aufgehoben?

Damiao: Wie ich schon sagte, ich verschwende keine Gedanken daran, Inter zu verlassen. Wenn ich weiter besser werde, dann kommt alles andere von ganz allein. Aber natürlich verfolge ich den Fußball und sehe gerne die Champions League. Vor allem das Tempo dort ist sehr beeindruckend.

SPOX: Wie wär's mit der Bundesliga? Einige Ihrer Kollegen haben in Deutschland gespielt. Was sagen die?

Damiao: Viele Brasilianer haben in Deutschland gespielt oder spielen dort. Die Bundesliga ist eine sehr starke Liga und die Stadien sind immer voll. Ohne Zweifel hat Deutschland eine der stärksten Ligen in Europa.

SPOX: Ende Juli nehmen Sie am Audi Cup in München neben dem FC Bayern, dem AC Milan und dem FC Barcelona teil. Wie stark würden Sie brasilianische Topklubs im Vergleich mit den europäischen einstufen?

Damiao: Wir sind auf Augenhöhe, würde ich sagen. Es gibt sehr viele gute Klubs hier in Brasilien. Wir haben in den letzten Jahren auch schon Barcelona und Inter Mailand geschlagen.

SPOX: Internacional bestreitet das Auftaktmatch gegen Barcelona. Das ist doch kein Spiel wie jedes andere, oder?

Damiao: Barcelona hat eine der besten Mannschaften weltweit, wenn nicht die beste überhaupt. Es wird schon etwas Besonderes sein, gegen ein Team mit solch guten Spielern anzutreten, das noch dazu so schönen Fußball spielt. Aber wir werden versuchen zu gewinnen. Egal wie.

SPOX: Die ganze Welt fragt sich, wie man Barca schlagen soll. Wenn Sie Trainer wären, wie würde Ihr Team gegen Messi, Xavi und Co. spielen?

Damiao: Ich bin heilfroh, dass ich nicht Trainer bin, wenn's gegen Barcelona geht. (lacht) Selbst wenn du ein oder zwei ihrer Superstars komplett abmeldest und dir nicht den geringsten Fehler leistest, dann kommt eben der nächste daher und entscheidet das Spiel. Bei ihnen kann jeder Spieler den Unterschied ausmachen.

SPOX: Die nächste WM findet in Ihrem Heimatland statt. Wie gut schätzen Sie Ihre Chancen ein, im Kader zu stehen?

Damiao: Natürlich wäre es ein Traum, bei der WM zu spielen. Aber es ist ganz schwer, Prognosen zu stellen. Heute wirst du nominiert und morgen dann nicht mehr, weil ständig neue Spieler in den Vordergrund drängen. Es könnte schwer werden mit der WM. Aber mein nächstes Ziel sind ohnehin die Olympischen Spiele in London im nächsten Jahr. Brasilien hat noch nie Gold gewonnen.

Leandro Damiao im Steckbrief

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