Eine Nacht mit Gus Hansen

Von GX Magazin
Poker, Gus Hansen, Exklusiv, spielen mit,
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Kann Gus die entscheidende Hand gewinnen? Und was können wir davon lernen? Das und vieles mehr: Im zweiten Teil unserer Geschichte....

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Wild, loose, Gus Hansen

Doch etwas darf nicht unberücksichtigt bleiben: Der Gegner von Erik ist Gus Hansen, der für seine wilde und loose Spielweise bekannt ist.

Den Preflopraise kann er mit vielen Händen machen und die Continuation Bet kann auch ein letzter Versuch sein sich den Pot mit einer eher schwachen Hand zu stehlen. Vielleicht hat er vor dem Flop mit einer Hand wie T9s semi-geblufft und unternimmt einen letzten Angriff. Es ist nicht so, dass Hansen hier unbedingt ein starkes Ass haben muss.

Kemsley hat bisher gezeigt, dass seine Calls wirklich alles bedeuten können. Wäre er wirklich stark, hätte er wahrscheinlich Gus' Einsatz geraised. Er hat aber nur gecallt und kann damit irgendeine mittelmäßige Hand haben.

Kurzum muss Seidel nicht mit gewaltiger Stärke rechnen und seine Hand kann letztlich mehr wert sein, als man anfangs vermutet.

Zu unwiderstehlich für einen Call

Für Hansen ist nur entscheidend mit welchen Händen Seidel diesen Raise anbringt und wie seine eigene Hand gegen diese Hände abschneidet.

Horrorhände sind AK und 88, alles andere ist zu vernachlässigen. Gegen AJ, AT und JJ, TT führt Gus deutlich. Abgesehen davon hat er Position auf Seidel und sieht sofort was dieser am Turn veranstaltet.

Wenn er checkt, liegt Gus sehr wahrscheinlich vorne, wenn er erneut einen Einsatz tätigt, hat Hansen wieder keine einfache Entscheidung.

Er bekommt fast 3:1 Pot Odds - zu unwiderstehlich für einen Call und darum setzt er dir nötigen 14.000 Dollar in die Mitte. Jetzt sind 55.000 Dollar im Pot, Kemsley foldet und es kommt die Turnkarte: Eine Dame.

Extreme Stärke

Seidel wirft nun einen Blick auf Hansen's Stack und tätigt einen Einsatz von 20.000 Dollar. Gus bekommt 3,75:1 Pot Odds und hat Top Two Pair.

Trotz dieser guten Pot Odds und der recht starken Hand ist das eine unkomfortable Situation. Erik hat weiter gefeuert obwohl Gus mit dem Call des Check-Raises am Flop extreme Stärke gezeigt hat.

Hansen schlägt jetzt immerhin AK, dafür sind wegen der Spielweise schwächere Asse wie AJ nahezu auszuschließen.

Wahrscheinlich, unwahrscheinlich...

Immer mehr in den Fokus rückt die scheinbar unwahrscheinlichste Hand, 88. Dies würde alle bisherigen Spielzüge Seidels rechtfertigen. Dies ist aber auch der Worst-Case, wenn man von AA und QQ wegen der extremen Unwahrscheinlichkeit einmal absieht.

Angenommen Seidel hat tatsächlich ein Set gefloppt. Hansen liegt damit zurück, hat aber noch vier Outs (zwei Asse, zwei Damen) um das höhere Full House zu bekommen. Dieser Fall tritt etwa zu 10 % ein.

Rein von den Pot Odds ist das nicht ausreichend, schließlich bekommt Hansen als 9:1 Underdog "nur" 3,75:1 Pot Odds.

Aber wie sieht es mit den Implied Odds aus? Angenommen Gus trifft das Ass oder die Dame am River. Wieviel Geld muss er am River noch bekommen um einen "schlechten" Call am Turn aufzuwiegen?

Das Warten auf den River

Erik hat noch gut 50.000 Dollar in seinem Stack. Im Falle einer zweiten Dame oder einem zweiten Ass auf dem Board hat Erik mit 88 ebenfalls ein Full House und es wird für ihn fast unmöglich sein loszulassen.

Diese 50.000 Dollar wird Hansen also relativ sicher einstreichen können, wenn er sein "Boot" komplettiert. Die Pot Odds müssen um die Implied Odds erweitert werden. Es kostet Gus jetzt nicht 20.000 Dollar um einen 75.000 Dollar Pot zu gewinnen, sondern den gleichen Betrag um 125.000 Dollar einzuheimsen. Das Verhältnis von 6,25:1 reicht aber noch nicht für einen sicheren Call, denn Gus gewinnt gegen Erik's Set nur jedes zehnte Mal.

Doch wer sagt, dass Er zu 100 % das Full House benötigt um zu gewinnen? Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass Seidel blufft oder Ass König hat.

In diesen Fällen ist es Gus egal wie gut die Pot Odds sind, weil er in Führung liegt. Die Entscheidung ist trotz dieser guten Pot Odds äußerst knapp, aber er macht den Call und wartet gespannt auf den River: Noch eine Dame.

"That was pretty sick!"

Bingo! Jetzt heisst es nur noch, nicht auffällig werden. Das wird aber auch etwas schwer, denn Erik sagt gleich All in und Gus hat einen leichten Call.

Seidel schaut äußerst verschmerzt drein als er das höhere Full House sieht und darf sich von 100.000 Dollar verabschieden.

Hansen verabschiedet diese Hand mit einem für ihn typischen "WOW, that was pretty sick!" und sammelt seine Chips ein.

Die Moral von der Geschicht

Die soeben aufgezeigte Hand war extrem interessant. Nicht nur weil Full House gegen Full House gelaufen ist und das kleinere viel Geld gekostet hat - sondern weil die Spielsituation eine besondere war und Hansens Entscheidungen keine leichten waren.

Es zeigt aber auch die Schwächen eines tight-aggressiven Spielers wie Erik Seidel. Und zwar insofern als dieser relativ leicht zu durchschauen und auf eine gewisse Hand gesetzt werden kann. Der Grund hierfür ist die Selektion der Hände vor dem Flop und das meist logische Spiel nach dem Flop. Dadurch kann sich der Gegner gut in ihn hineinversetzen und ihn lesen.

So steht der Preflopcall schon einmal für eine recht kleine Palette an Händen: Mittlere Pocketpaare, die für einen Reraise zu schwach und für einen Fold zu stark sind wie JJ - 66. Starke Asse, die nur selten dominiert sind, in der obigen Situation AK und AQ. Ansonsten spielt ein tighter Spieler kaum mehr Hände in dieser Situation, vor allem als Small Blind out of Position.

Aufgrund dessen kann Hansen die möglichen Hände sehr stark eingrenzen, wobei er gegen einen looseren Gegner, der an dieser Stelle auch mit Connectors callt, weitaus größere Probleme hat.

Auch die Aktionen nach dem Flop ermöglichten es Hansen ihn auf extrem wenige Hände zu setzen und damit nach dem "Fundamental Theorem of Poker" möglichst perfekt zu spielen.