ÖSV-Sportdirektor Toni Giger äußert Lösungsvorschlag nach Kreuzband-Epidemie

Von APA
Marc Digruber stürzte beim Slalom in Chamonix unglücklich.
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Angesichts der auch in diesem Weltcup-Winter zahlreichen Verletzungen im alpinen Skisport plädiert ÖSV-Sportdirektor Toni Giger für ein grundsätzliches Umdenken. Laut dem Salzburger sollten Kurse so gesteckt werden, dass es keine Anreize gebe, das Material immer aggressiver und damit riskanter abzustimmen. Denn: "Du bist nicht immer mit einem aggressiven Material schneller", meinte Giger.

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Der 56-Jährige erklärte, dass man sich im Österreichischen Skiverband systematisch Gedanken zu der Problematik mache. Die verschiedenen Muster und Ursachen von Verletzungen würden laufend analysiert, aus den Erkenntnissen könnte man mögliche Gegenstrategien ableiten. Momentan werde sehr stark das LACE-Konzept diskutiert, sagte Giger. Die Abkürzung steht für "Less Aggressive Competition Equipment".

"Der Ansatz in den letzten Jahren war eigentlich immer der, dass man versucht hat, über Regeländerungen Material zu kontrollieren", erklärte Giger. So wurde der Radius der Riesentorlauf-Ski geändert oder Parameter wie die erlaubte Standhöhe. "Der neue Ansatz wird sich damit beschäftigten, dass man sagt: Wie müssen Aufgaben gestellt werden, wie müssen Kurse gesteckt werden, dass eine Athletin mit weniger aggressivem Material schneller ist? Wenn es uns gelingt, da genügend Beispiele zu finden, dann werden sich die Athletinnen inklusive Trainer und Firmen auf das einstellen."

Hannes Reichelt auf Krücken
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Hannes Reichelt auf Krücken

Am vergangenen Wochenende hatte es bei den Weltcup-Rennen wieder folgenschwere Ausfälle zu beklagen gegeben: Slalom-Spezialist Marc Digruber zog sich in Chamonix einen Kreuzbandriss zu, sein ÖSV-Kollege Stefan Brennsteiner erlitt eine Außenmeniskus- und Knorpelverletzung im Knie. Auch beim Südtiroler Simon Maurberger lautete die Diagnose Kreuzbandriss. Die Deutsche Viktoria Rebensburg nahm einen Bruch des Schienbeinkopfes als Andenken von den Heimrennen in Garmisch mit. Sofia Goggia aus Italien brach sich den linken Arm. Die Schweizerin Nathalie Gröbli lag zu dem Zeitpunkt längst mit einem offenen Schien- und Wadenbeinbruch im Krankenhaus.

Toni Giger mit Material-Kritik

Zwar sind die Verletzungen von Topathleten nicht immer auf den gleichen Faktor zurückzuführen, einer der wichtigsten Punkte neben der Pistenbeschaffenheit ist jedoch das Material. Denn harte Pisten erfordern eine aggressive Materialabstimmung mit extrem scharfen Kanten, um in den Kurven beschleunigen können. Dadurch erhöhen sich die Fliehkräfte, denen vor allem die Knie ausgesetzt sind. Laut Giger gibt es mit der Kurssetzung aber eine Variable, die bisher wenig Beachtung fand.

"Es gibt etliche Beispiele, wir sind jetzt da am Erarbeiten von möglichst vielen Situationen, wo man mit weniger aggressivem Material schneller ist", erläuterte der frühere Erfolgstrainer der ÖSV-Herren. "Wenn ich in einem Flachstück starke Kurven setze, werde ich das Material sehr aggressiv gestalten, dann bin ich schneller. Wenn ich dort relativ gerade durchfahre, werde ich die Kanten eher hängender machen, also weniger aggressiv gestalten, genauso den Schuh, weil ich dann wiederum schneller bin. Umgekehrt - zum Beispiel im Steilen - stark drehende Kurven: Wenn ich da zu aggressiv abgestimmt bin, dann wird das ganze Materialpaket unruhig."

Giger: "Das Material ist sehr aggressiv geworden"

Ob und wann die FIS die Erkenntnisse übernehmen werde, könne er nicht sagen. Zumal der Ski-Weltverband in der vergangenen Woche eine eigene Arbeitsgruppe ankündigte, die sich dem Dauerthema Verletzungen annehmen soll. Unklar ist auch, ob es überhaupt möglich ist, bei dem Thema Lösungen zu finden, die Sportler, Veranstalter, Zuschauer und die Industrie zufriedenstellen können.

"Zumindest wird es sich lohnen, das einmal zu diskutieren und umzusetzen zu versuchen, anstatt immer noch drehender zu setzen", versicherte Giger. Das habe man nämlich nicht zu Ende gedacht: "Man hat gesagt, wir müssen drehender setzen, damit nehmen wir die Geschwindigkeit raus und werden die Kräfte niedriger. Im Endeffekt ist über das drehender und drehender Setzen das Material aber aggressiver und immer noch aggressiver geworden. Die Geschwindigkeit hat sich letztendlich gar nicht so verändert, aber das Material ist halt sehr aggressiv worden."

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