Warum Hirscher vom "Killer zum Bremser" wurde

Von APA
Marcel Hirscher erlebte einen Wandel
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Ski-Superstar Marcel Hirscher spricht über seinen Wandel. Wie er vom "Killer zum Bremser" wurde. Eine Erklärung.

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Slalom-Rakete Henrik Kristoffersen hat die Verhältnisse mit seinem Triumph in Schladming wieder geradegerückt. Wegen seiner Konstanz und brutalen Fokussierung auf das große Ganze ist aber auch der ewige Zweite Marcel Hirscher ein Sieger. Obwohl er so wenig gewinnt wie zuletzt vor seinen fünf Gesamtweltcup-Siegen, könnte er seine sechste Kristallkugel viel früher fixieren als die anderen.

Kristoffersen siegte am Dienstagabend nicht so deutlich wie im Vorjahr, holte sich aber mit einem extrastarken Finish, das Gänsehaut-Feeling aufkommen ließ, die entscheidenden Hundertstel. Bei der zweiten und dritten Zwischenzeit lag er hinter Hirscher, von der dritten Messung bis ins Ziel knallte er die Bestzeit hin. "Die letzten Tore waren schon perfekt", nickte Kristoffersen bei der Pressekonferenz zustimmend.

Kristoffersen: "Schladming für mich ein Heimrennen"

Von den sieben Slaloms, die er in dieser Saison bestritt, gewann der Norweger fünf. Hirscher holte seine zwei Siege in Levi und Kitzbühel, wo Kristoffersen nicht eingreifen konnte. In Levi verzichtete der 22-Jährige wegen Streitigkeiten mit dem norwegischen Verband um seinen Privatsponsor Red Bull auf einen Start, in Kitzbühel verabschiedete er sich im ersten Durchgang unfreiwillig.

"Es ist richtig cool! Ich wohne jetzt in Salzburg, Schladming ist ein bisschen ein Heimrennen für mich", freute sich Kristoffersen. Seine Nerven sind keine Schwachstelle, ist er doch als Halbzeit-Führender in seiner Laufbahn noch unbesiegt. Immer wenn er zur Hälfte schon vorne lag, verteidigte er die Führung bis ins Ziel erfolgreich. Dabei war es am Dienstag so knapp wie noch nie in diesem Winter - nur 0,09 Sekunden trennten die beiden Slalom-Giganten.

Beim ersten Aufeinandertreffen in Val d'Isere waren es noch 0,75 Sekunden, in Madonna 0,33 und in Wengen 0,15. "Es ist definitiv besser geworden, und der Speed ist sicher mehr da. Die letzten 15 Tore waren einfach bescheiden", meinte Hirscher. Schneller als Kristoffersen war der Österreicher zuletzt im März 2016 in Kranjska Gora und dann auch beim Finale in St. Moritz.

Bezeichnend ist, dass Hirscher damals schon als Gesamtweltcup-Sieger feststand und er somit wie am Sonntag in Kitzbühel befreit drauflosfahren konnte. Heuer will er die große Kristallkugel unbedingt zum sechsten Mal mit nach Hause nehmen und vermeidet daher in allen Rennen, bei denen mit einer großen Punkteausbeute seitens Kristoffersens zu rechnen ist, volles Risiko.

"Früher Killer, jetzt eher Bremser"

"Das ist halt etwas die Krux dabei. Wo du früher der bedingungslose Killer warst, wirst du jetzt teilweise eher zum Bremser", sagte Hirscher. "Mit 18 Jahren hast du nur überzeugen können und volle Kanne geben können. Ich habe meinen Startplatz gehabt, wenn ich draußen gelegen bin, war es komplett egal. Heute ist ein Ausfall nicht möglich, oder soll nicht passieren."

Erst drei Siege hat Hirscher in diesem Winter errungen, weniger waren es Ende Jänner noch nie seit der Saison 2010/11. Dafür sammelte er bisher neun zweite Plätze und leistete sich in Slalom und Riesentorlauf noch keinen einzigen Ausfall. Am schlechtesten war Hirscher in den technischen Disziplinen, wenn man den Parallel-RTL in Alta Badia (18.) als Sonderfall betrachtet, im Zagreb-Slalom als Sechster klassiert. Diese Konstanz hebt ihn von den Mitbewerbern ab.

Pinturault ist im Riesentorlauf stark und in der Kombination, in dieser Sparte gab es aber nur zwei Bewerbe. Kjetil Jansrud müsste schon jede Abfahrt und jeden Super-G gewinnen, um Hirscher zu gefährden. Aksel Lund Svindal musste heuer nach neuerlich auftretenden Knieproblemen w.o. geben. Bleibt Kristoffersen, der aber als Slalom-Seriensieger bessere Resultate im Riesentorlauf bräuchte. "Es wird immer mehr zu einer Spezialistengeschichte", bemerkte Hirscher.

368 Punkte liegt Hirscher in der Gesamtwertung aktuell vor Kristoffersen. Vor der WM in St. Moritz wird Hirscher noch den Riesentorlauf in Garmisch-Partenkirchen und den City Event am Dienstag in Stockholm bestreiten, wo auch der Norweger antritt.

Daraus ergibt sich folgende These: Hätte Hirscher vor der Weltmeisterschaft annähernd 400 Punkte Vorsprung, steht er zwar nicht mathematisch, aber praktisch als Gewinner des Glasbechers fest. Denn nach St. Moritz stehen nur noch zwei Slaloms und zwei Riesentorläufe auf dem Programm, die könnte Kristoffersen sogar alle gewinnen, Hirscher in der Theorie viermal ausfallen.

Hirscher und sein Guthaben

Bei über 400 Punkten Guthaben könnte Hirscher bereits vor der Abreise in die Schweiz feiern und noch befreiter in die WM gehen. Es ist nämlich nicht damit zu rechnen, dass Kristoffersen plötzlich die langen Ski anschnallen wird und punktet. Und Jansrud könnte Hirscher selbst bei Siegen in den verbleibenden sechs Speed-Rennen nicht mehr überholen. Pinturault bräuchte sowieso ein kleines Wunder.

"Ende Jänner sagen wir sicher nicht, es sollte reichen", wollte Hirscher offiziell nicht auf solche Überlegungen eingehen. Man kann aber davon ausgehen, dass der stets strukturiert und methodisch vorgehende Salzburger auch in diesem Fall einen Masterplan hat. Körperlich fühle er sich zurzeit top. "Mir geht es gut, und das war nicht immer so um die Jahreszeit. Ich kann mich erinnern, meistens in Schladming war ich irgendwie krank. Von dem her ist es heuer toll."

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