ÖFB-Regisseur Christoph Baumgartner im Interview: "Euphorie ist um einiges geringer als 2016"

Von SID
Christoph Baumgartner
© getty

Christoph Baumgartner gehört zu den Shootingstars der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft. Mit dem ÖFB-Team will der 21-Jährige von der TSG Hoffenheim bei einer EM erstmals die Gruppenphase überstehen. Über seine Ziele, Vergleiche mit Michael Ballack und ein mögliches Duell gegen Deutschland spricht der Offensivspieler im Interview.

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Britische Medien haben Sie zuletzt den neuen Michael Ballack genannt. Was sagen Sie dazu und wie sehr schmeichelt sie das?

Christoph Baumgartner: "Der neue Michael Ballack bin ich definitiv nicht. Er hat sehr viel erreicht und ist ein ganz großer Fußballer. Natürlich ist es immer wieder schön, mit solchen Namen in Verbindung gebracht zu werden. Aber es ist noch ein sehr weiter Weg bis dahin. Er ist einer der Größten, vor allem in Deutschland. Da muss ich noch viel und hart arbeiten, um ähnlich weit wie Michael Ballack zu kommen."

Im österreichischen Kader stehen 21 Spieler aus der deutschen Bundesliga. Ist es ein Vorteil, quasi als 'FC Bundesliga' oder 'Deutschland II' aufzulaufen?

Baumgartner: "FC Bundesliga gefällt mir (lacht). Es ist schon hilfreich, wenn die Spieler sich untereinander gut kennen. Aber das ist in jeder Nationalmannschaft so, dass sich viele Spieler über einen längeren Zeitraum kennen. Die Qualität unseres Kaders ist jedenfalls sehr hoch. Es sind 21 Bundesliga-Akteure dabei und es gibt sogar welche, die noch nicht berücksichtigt wurden."

Im Achtelfinale könnte es ein Duell gegen Deutschland geben. Wie sehr würde Sie das reizen?

Baumgartner: "Natürlich extrem. Das wäre dann ein Aufeinandertreffen von etwa 17 Bundesligaspielern auf dem Platz. Jeder kennt den anderen. Österreich gegen Deutschland ist sowieso immer etwas Besonderes. Gerade für uns Österreicher ist das der große Bruder und eine Partie, bei der man nochmal extra motivierter ist und sich mehr freut, wenn man die Deutschen schlägt. Das letzte Spiel hat Österreich gegen Deutschland gewonnen, auch wenn es ein Testspiel war. Wenn es dazu kommen sollte, von mir aus auch gerne im späteren Verlauf des Turniers, dann werden wir alles reinhauen. Da bin ich auch zuversichtlich, dass wir dann nicht chancenlos wären."

Wer sind die Favoriten auf den Titel?

Baumgartner: "Die 'üblichen Verdächtigen'. Frankreich muss man ganz oben hinstellen, aber wie immer auch die Deutschen. Auch wenn die Euphorie durch die jüngsten Ergebnisse ein bisschen weg ist. Aber jeder kennt Deutschland und jeder weiß, wie sie sich innerhalb eines Turniers entwickeln können. Deshalb muss man Deutschland immer auf dem Zettel haben. Ein Geheimfavorit wäre für mich Dänemark, weil wir gesehen haben, wie gut sie sind. Die hat keiner so richtig auf dem Schirm, eine Nation, die man nicht unterschätzen sollte."

"Wie groß ist der Druck, den Sie vor der EM verspüren?

Baumgartner: "Durch die jüngsten Ergebnisse und die Klatsche gegen Dänemark ist die Euphorie um einiges geringer als 2016. Es muss nicht zwingend ein Nachteil sein, vielleicht erwartet man jetzt nicht so viel von uns. 2016 hat man nur davon gesprochen, ob man sogar das Halbfinale schafft - und am Ende haben wir die Gruppenphase nicht überstanden. Wir haben jetzt durchaus die Qualität, die Gruppe zu überstehen. Wenn wir gut ins Turnier starten, ist sehr viel möglich. Dann stehen K.o.-Spiele an und da weiß jeder, dass in einem Spiel sehr viel möglich ist. Ich selbst traue uns absolut zu, dass wir die Gruppe erstmalig überstehen, was unser ganz großes Ziel ist."

Wie stark schätzen Sie Nordmazedonien ein?

Baumgartner: "Ein Sieg gegen Deutschland (2:1 in der WM-Qualifikation, Anm. d. Red) hat eine gewisse Aussagekraft. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir am Ende die bessere Mannschaft sind. Wenn wir auf 100 Prozent kommen, dann werden wir das Spiel für uns entscheiden. Gerade durch den Erfolg von Nordmazedonien gegen Deutschland sollte aber trotzdem auch der letzte wissen, dass sie auf keinen Fall zu unterschätzen sind. Das war für uns alle ein guter Weckruf, dass wir direkt mit 100 Prozent da sein müssen."

Was ist Ihr großes Ziel in den kommenden Jahren?

Baumgartner: "Das große Ziel in meiner Karriere ist es, irgendwann Titel zu gewinnen. Das ist der Grund, warum man beginnt, Fußball zu spielen. Ich möchte jedes Spiel gewinnen, egal, ob es ein Trainingsspiel oder ein Backgammon-Spiel gegen meine Freundin ist. Ich habe den ganz großen Traum, im Laufe meiner Karriere die Champions League zu gewinnen. Das ist extrem ambitioniert, aber nicht unmöglich. Das Ziel werde ich jagen und alles dafür tun."

Wie sieht es mit Ihrer Barista-Karriere aus? Werden Sie die Teamkollegen im Trainingslager mit Ihren Kaffee-Kreationen beglücken?

Baumgartner: "Wenn wir eine gute Espresso-Maschine haben, dann werde ich definitiv den ein oder anderen Cappuccino zaubern. Aktuell stockt es ein bisschen, da ich nicht zuhause bin, deshalb kann ich nicht trainieren (grinst). Das einfachste ist das Herz, das beherrsche ich relativ gut. So wie die Herz-Tulpe. Da setzt man mehrere Herzen aufeinander, dann sieht es aus wie eine Tulpe. Diese beiden Formen kann ich. Jetzt arbeite ich an dem Blatt, das ist relativ schwer, da braucht es eine andere Technik. Aber auch das werde ich irgendwann hinbekommen."

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