Wenn das Umfeld die Mittelmäßigkeit nicht mehr akzeptiert

Von Kommentiert von Fabian Zerche
Kommentiert von Fabian Zerche
© GEPA

Die Mittelmäßigkeit des SK Sturm wirft Fragen auf. Die aktive Fanszene geht längst auf die Barrikaden und von ruhigen Fahrwassern kann nur geträumt werden. Und dann wäre auch noch der 18. Jänner.

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Was Samstagvormittag noch für Gelächter sorgte, wurde am Nachmittag während der Bundesliga-Partie zwischen Sturm und der Admira für die Verantwortlichen der Grazer zur galligen Realität. In der Kleinen Zeitung inserierte die Nordkurve zynisch: "1909 gegründeter Traditionsverein sucht Sportdirektor mit Stallgeruch. Wir bieten hochprofessionelle Strukturen, einen modernen Trainer mit Affinität zur Jugendförderung und ein funktionierendes Scoutingsystem. Ihr Aufgabengebiet umfasst das unselbstständige Abarbeiten von Trainerwünschen und die Verhaberung mit steirischen Leitmedien. Keinerlei Vorkenntnisse erforderlich."

Während der Partie reproduzierte die Kurve das Inserat über drei Sektoren auf einem überdimensionalen Plakat und stellte Forderungen wie "Förderung von attraktivem Spiel", "professionellen Umgang mit Medien" und "ehrliche Kommunikation statt Schönreden". Eine Kampagne, welche die Verantwortlichen in Messendorf ins Herz traf. Was hinter den Kulissen schon länger gemunkelt wurde, ist nun offensichtlich: Die Kurve des SK Sturm hat die Schnauze voll.

Das Warum ist nicht schwer zu erraten. Sturm ist maximal Durchschnitt. Und es verbleibt die Frage: Welcher Bundesliga-Klub schöpft sein Potenzial geringer aus? Die Grazer befinden sich näher am Tabellenende als an der Spitze, haben gleich viele Niederlagen wie Siege und eine Tordifferenz von null. Der praktizierte Fußball ist nicht reizvoll, die Mannschaft nicht jung. Argumente, um den Stillstand bis Rückschritt in Schwarz-Weiß zu kaschieren, verbleiben keine. Dass Sturm steht, sich vielleicht im Wind dreht, aber keinen Schritt nach vorne geht, lässt sich auch mit platten Zahlen belegen. So waren es unter Peter Hyballa nach 19 Runden in der Saison 12/13 noch 35 Punkte. Unter dem so verschmähten Darko Milanic in der Saison 13/14 nur 22 und unter Foda nicht besonders prävalente 26.

Benedikt Pliquett sagte einst im Interview mit SPOX: "Es macht mich traurig, dass ich einen tollen Verein sehe, der sich aber leider in allen Belangen selbst im Weg steht und sein Potenzial nicht ausschöpft." Damit deutete der deutsche Querdenker an, dass es die Summe aus vielen großen und kleinen Komponenten ist, die Sturm gegenwärtig zu einem Verein von vielen macht. Aus dem zerstreuten und sich sowieso schon seit Jahren uneinigen Umfeld des Vereins hört man im Moment viele Details. Details, die bewusst gestreut und gesteuert werden, und Details, die den Verein schon seit Jahren begleiten. Dass Sturm mit einem durchaus kostspieligen, erfahrenen Kader nur dümpelt, erzeugt Gegenwind. Und diesen bekommt besonders Generalmanager Gerhard Goldbrich ab. Die Protestaktion der Fans verfolgte Goldbrich krank vor dem Fernseher. Gerüchte, die seine Abwesenheit anders begründen, wurden vom Verein übrigens eindringlich dementiert.

Es sind in erster Linie die abgegebenen, aber nicht eingehaltenen Versprechen, welche die aktive Fanszene auf die Barrikaden brachten. "Sturm ist nicht mehr dieser Ausbildungsverein. Jetzt wird Talenten ständig ein neuer Spieler vor die Nase gesetzt", sagte Ex-Sturm-Kicker Jürgen Prutsch unlängst. Die großen Talente dürfen maximal an der Kampfmannschaft schnuppern. Einsätze sind einzig Andreas Gruber (20) vorbehalten. Und vielen vergeht das längst. Dass Sandi Lovric, vom Guardian zu einem der talentiertesten Spieler Europas tituliert, weg will, ist kein Geheimnis. Und auch so stellt sich die Frage, wieso Sturm im Vergleich zu anderen Vereinen einen derart schwachen Output aus der Akademie vorweisen kann. Während ehemalige Rapid-Nachwuchskicker in der ganzen Bundesliga verstreut spielen, ist ähnliches bei Sturm in dieser Schlagzahl nicht der Fall. Schon gar nicht die Rede kann davon auf internationalem Parkett sein, wenn auch von Foda anders kommuniziert. Denn dieser sprach bei einer Pressekonferenz unlängst davon, wie viele Spieler er in Europas Topligen unterbrachte. Nach kurzer Recherche bleibt lediglich Sebastian Prödl übrig, der vor sieben Jahren nach Deutschland wechselte. Von der oft bemühten Karriereplattform ist wenig bis nichts zu sehen.

Aus dem Inneren des Vereins ist zu hören, dass hinter Dietmar Pegam (sportlicher Leiter der Akademie) ein Fragezeichen stehen soll. Demnach wurde ihm die Karenzierung zur Weiterbildung verwehrt. Bestätigen will das bei Sturm niemand. Unbestätigt bleibt auch das Gerücht, dass für Markus Schopp eine Rolle als Ausbildungsleiter über Gilbert Prilasnig (Jugend) und Pegam (Akademie) angedacht wird. Dinge, die man im Umfeld halt so munkelt. Von Spielereltern ist jedenfalls zu hören, dass sich Jugendspieler gegen die Aufnahme in die Akademie Steiermark Sturm Graz entscheiden und lieber nach Wolfsberg, in die Südstadt oder nach Mattersburg gehen, weil dort die Perspektive besser eingestuft wird. Probleme, die nicht unmittelbar die Form der Kampfmannschaft beeinflussen, aber über Jahre hinweg zum Ausfall talentierter Generationen führen könnte.

Zur Summe der verschiedensten Teilchen zählen eben einige Komponenten. Wie die offene Stadionthematik, in der Sturm den Rivalen Rapid und Austria Kilometer hinterherhinkt. Ein Problem, das sich vielschichtig zeigt. Vom desolaten VIP-Klub bis zum groß propagierten "Tor der Stadt", das in der Konzeption Geld kostete, aber von der Umsetzung weiter weg ist, als die Chinesische Mauer von steirischen Weinbergen. Da passt es gut in den Terminkalender, dass im Jänner die nächste Generalversammlung ansteht. Wie es mit Präsident Christian Jauk weiter geht, ist momentan schwer abschätzbar. Die einen Insider meinen, Jauk wird sich am 18. Jänner der Wiederwahl stellen und auch gewählt werden. Die Opposition spekuliert simultan etwa auf Hans Rinner als Gegenkandidaten. Jauks Antwort auf die Frage der Kleinen Zeitung, ob er wieder antritt, lässt sich diffizil interpretieren: "Zu Weihnachten gibt's immer Überraschungen, also lassen Sie sich bitte auch da überraschen."