Der schräge Monsieur Gress und Fodas Chance

Nach der Weltreise folgt der Schock in Traiskirchen
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SPOX besucht den Ex-Sturm-Graz-Kicker Amadou Rabihou beim Training seines neuen Vereins ASK Elektra, in der Wiener Stadtliga. Ein Gespräch über seinen Jugendverein AC Mailand, die Flüchtlingskrise und eine bewegte Karriere.

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Eingekesselt zwischen meterhohen Betonklötzen, unpersönlichen Einkaufszentren und der naheliegenden U-Bahn-Station liegt der Fußballplatz der ASK Elektra Wien. Die Zuschauer stehen hinter den Banden, eine Tribüne gibt es nicht. Der Geruch einer Kantinenfritteuse vermischt sich mit dem Duft einer beackerten Wiese. Kinder kreischen, motivierte Jugendtrainer fordern 'Attacke'. Stoisch an der Seitenlinie: ein grimmig dreinblickender Zeugwart, eine Zigarette rauchend. Es ist das typische Bild eines Wiener-Oberliga-Vereins, oberflächlich betrachtet.

Doch bei ASK Elektra Wien drehen sich die Uhren etwas anders. Die Betonklötze, die wie drohende Denkmäler den Platz umzingeln, sind keine gewöhnlichen. Nebenan thront das Ernst-Happel-Stadion. Wie eine schelmisch grinsende Erinnerung an das, was als Fußballer möglich gewesen wäre. An der gegenüberliegenden Seite die Realität: das Elektrizitätswerk, für dessen Angestellte der Verein in den 1920er-Jahren gegründet wurde.

Der prominenteste Kicker, der sich seit geraumer Zeit in den Untiefen der hiesigen Fußballligen durchrauft: Amadou Rabihou. SPOX trifft den Ex-Sturm-Graz-Stürmer, der in seine Jugendausbildung beim AC Milan genoss, auf dem Weg zum Training und plaudert mit ihm über seine Karriere, die Zeit in Traiskirchen und einen seltsamen Trainer.

Angibeauds Vermittlung und der komplizierte Gilbert Gress

Der Kameruner Rabihou kommt als 18-Jähriger vom AC Milan nach Österreich, auf Vermittlung des damaligen Sturm-Zauberers Didier Angibeaud. Angibeaud ist Rabihous Nachbar, spielt oft mit ihm und ermöglicht ihm ein Probetraining in Graz. In Mailand teilt sich Rabihou die Umkleidekabine mit Kalibern wie Andrea Pirlo oder Andriy Schevchenko, absolviert die Vorbereitung mit der ersten Mannschaft. Im Nachhinein bereut er den Schritt: "Es wäre vielleicht gut gewesen, wenn ich in Mailand geblieben wäre. Aber man weiß es im Fußball einfach nie."

Die Zeit in Graz ist für Rabihou persönlich aber dennoch eine gute. In 108 Spielen erzielt der Stürmer 28 Tore, der Durchbruch gelingt ihm aber nur in wenigen Phasen. Auch weil bei Sturm existenzbedrohende Zeiten herrschen, Präsident und Zampano Hannes Kartnig zwischenzeitlich Polizeischutz benötigt. Rabihou kommt in der Post-Osim-Ära nach Graz, der junge Franco Foda deligiert den sinkenden Dampfer: "Foda hat sich für mich eingesetzt, hat mir die Chance gegeben. Ich hatte es am Anfang sehr leicht, weil in Graz sehr viele Ausländer waren."

2003 übernimmt der legendäre Gilbert Gress für 61 Tage das Zepter bei den Blackys. Eine skurille Zeit, auch für Rabihou: "Das war die alte Schule, das war sehr, sehr kompliziert. In der Vorbereitung mussten wir um 7 Uhr früh laufen, 45 Minuten, mit dem Pullover drüber. Im Sommer. Es war ganz heiß. Er ist ein starker Mann und ich war ein junger Spieler. Als erfahrener Routinier hattest du's mit ihm leichter."

Nach der Weltreise folgt der Schock in Traiskirchen

Nachdem 2006 der Verein die ultimative Katastrophe abwenden kann und mit einem Kraftakt trotz zehn Minuspunkten in der Bundesliga bleibt, wechselt der Stürmer nach Frankreich, in die zweite Liga zum SC Amiens. Was folgt ist eine Tour de Force durch unterklassige Ligen unzähliger Länder: Rabihou kickt in Deutschland, England und nach einer recht erfolgreichen Saison bei Austria Lustenau auch in Dubai. Via Italien findet sich Rabihou plötzlich in Traiskirchen wieder.

Just in einer Zeit, in der die niederösterreichische Gemeinde aufgrund der Flüchtlingskrise im Zentrum der österreichischen Aufmerksamkeit steht. Das geht nicht spurlos an einem vorbei: "Ich habe in Traiskirchen alles gesehen. Ich war schon sehr schockiert. Wenn man sich zuhause nicht gut oder nicht sicher fühlt, dann will man natürlich, dass es einem besser geht, egal was passiert und egal, wohin man geht. Das ist ein Schock dort, Afrikaner, Syrer. Es ist eine schwere Zeit momentan."

Die Multikulturalität sei eine Chance für die Gesellschaft, meint Rabihou, der seit fünf Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt: "Ich habe auch in meiner Karriere Rassismus erlebt. Aber das kann im Fußball passieren. Das wird sich ändern, aber dazu braucht es Zeit. Langsam findet ein Umdenken statt, die Gesellschaft wird 'gemixt'". Die Umstände, als Rabihou mit 17 vom heimischen Kamerun nach Europa kam, waren für ihn aber leichter: "Fußball verbindet die Menschen, man redet über das gleiche, du kriegst einen Pass, du isst gut, du lebst gut, du denkst nicht an die schlechten Sachen."

Der Weltenbummler und die Perspektive

Warum der Fußball den Nomaden Rabihou ausgerechnet wieder nach Österreich gespült hat, ist für den 31-jährigen Stürmer leicht erklärbar: "Ich habe Spaß in Wien. Ich fühle mich heimisch hier. Ich war auch in den letzten Jahren immer mindestens zwei Mal pro Jahr in dieser Stadt." Dass er momentan in der Wiener Stadtliga kickt, ist nach dieser bewegten Karriere kein Problem: "Graz, Mailand, Dubai, Frankreich - ich hatte schon eine coole Karriere. Ich bin noch jünger, ich danke Gott, dass ich noch fit bin. Nur Spaß, Spaß, Spaß haben, die letzten paar Jahre und immer weiter. Dann wird man sehen, was kommt." Bis dahin bleibt Rabihou immerhin der Blick auf das Happel-Stadion. Und die Erinnerung an eine bewegte Karriere.