Ehrlich, ich bin gar kein so übler Kerl. Mir ist durchaus wichtig, dass ihr mir das glaubt! Es ist nicht so, dass ich per se irgendetwas gegen den Einen oder den Anderen habe - vielmehr muss man doch gelegentlich auch mal dem Neuen eine Chance geben. Oder seht ihr das wirklich anders?

Ach, entschuldigt bitte, dass ich einfach so mittendrin anfange. Wo sind nur meine Manieren geblieben? Also, mein Name ist Hubertus Buzinsky. Ich bin 51 Jahre alt und wohne mal hier, mal dort. Nein, nein - ich bin nicht obdachlos oder so. Und arbeitslos auch nicht! Nur habe ich halt auch nicht wirklich etwas Anständiges gelernt, sagt zumindest meine Mutter. Außerdem halte ich es nirgends lange aus. Irgendwas mit der Psyche, meinte mein Arzt.

Ich möchte aber nicht wehleidig klingen. Nein, das ist nicht meine Absicht. Mir geht es ja soweit gut. Nur, es ist so: Kaum habe ich es mir irgendwo gemütlich gemacht, werde ich verscheucht oder, na ja, ab dem Sommer nicht mehr gebraucht. Ich habe mich daran gewöhnt, dass mich kaum einer mag.

Wobei, so ganz stimmt das nicht: Bin ich in Köln, mag man mich in Mönchengladbach. Bin ich in Frankfurt, mag man mich in Mainz. Oder wahlweise auch umgekehrt. Vermutlich mag man mich in ganz Deutschland, wenn ich mal in München bin - aber da komme ich leider irgendwie nie hin. Dabei haben die einen Flughafen - im Gegensatz zu Berlin.

Ja, ja - in Berlin. Da war ich schon ganz am Anfang. Irgendwann im Winter 1963 habe ich mich dort niedergelassen und ein bisschen umgeschaut. Ein schönes Stadion haben die ja da. Da habe ich es lange ausgehalten, bis weit in den April. Wer hätte gedacht, wie das Schicksal mit mir umspringen würde? Es war nämlich die Partie Hertha gegen München, welche dazu führte, dass mir die Berliner eine Räumungsklage zukommen ließen - und, schwupps, saß ich auf der Straße.

Nicht etwa nur für ein paar Tage oder Wochen. Nein, für weit über ein Jahr hatte ich kein Zuhause! Redet darüber heute noch jemand? Hat irgendwer Mitgefühl mit mir? Nein, natürlich nicht! Das war schon damals so. Nein, es hat sich bis heute nicht wirklich etwas daran geändert - aber festhalten möchte ich das bei dieser Gelegenheit dann doch!

Gut, ich gebe zu, dass ich nicht direkt reiselustig war und an sich gerne in der heutigen Hauptstadt bleiben wollte. Da kamen mir diese Beutelteufel doch genau recht. Spätestens Anfang September habe ich es mir im Bezirk Neukölln gemütlich gemacht und ging auch nicht mehr weg - bis zum darauffolgenden Sommer.

Ja, so fing das alles an. Ich weiß nicht mehr so recht, was mich dazu verleitete Berlin zu verlassen. Ach doch! Klar! Berlin gab es nicht mehr auf der Landkarte. Weg! Ersatzlos gestrichen. In Folge dessen musste ich mich im Westen aufhalten. Wenn ich von Westen spreche, dann heißt das wohl korrekt: "in den alten Bundesländern". Na ja, Düsseldorf und Essen liegen aber zudem im Westen der alten Bundesländer - also probierte ich es zunächst dort!

So ging es jahrein und jahraus. Überall schaute ich mal vorbei - in einigen Städten huldigte man mir oder feierte mich. Meist genau so lange, bis ich es zu bunt trieb. So war es in Bochum 1993 am Ende ein einziger Punkt, der die Fans ins Tal der Tränen stürzte und mich wieder mal eine neue Bleibe suchen ließ. Kennt noch einer von Euch Wattenscheid? Das ist übrigens auch nur ein Stadtteil von Bochum.

Wie schon in Berlin merkten die das mit dem Stadtteil in Bochum auch direkt im Folgejahr und ich musste weiterziehen. Quer durch Deutschland. Ich schaute mir Stadtteile von Krefeld oder Hamburg an und landete 1998 versehentlich in Müngersdorf. Das war nie meine Absicht gewesen und hätte nie passieren dürfen. Ich weiß das - und es tut mir leid.

Inzwischen darf ich mich wohl nur noch in einer Stadt sehen lassen. Zugegeben, eine sehr schöne Stadt. Die an der Elbmündung - Hamburg. Was ich da letztes Jahr getrieben habe, war doch nun wirklich sehenswert. Also, das müsst ihr einfach zugeben! Eine desaströse Saison mit 21 Niederlagen und grad mal 7 Siegen. Dann in der Relegation zwei erbärmliche Unentschieden gegen Fürth ... und trotzdem: Der ewige Dino blieb in der Bundesliga! Das macht mir so schnell keiner nach.

Nun gut - es kann natürlich sein, dass ich dieses Jahr mein letztes Zuhause verliere. Ob das so ist, verrate ich Euch nun natürlich noch nicht. Das wollt ihr doch auch gar nicht, wenn ihr ehrlich seid. Zur Zeit schaue ich wieder in Berlin und Hamburg vorbei, aber auch ganz im Südwesten der Republik oder in Hannover. Ich muss aber zugestehen, dass Ostwestfalen aktuell eine besondere Anziehungskraft hat: Paderborn kannte ich beispielsweise überhaupt noch nicht! Und was liegt da näher, auch in Dortmund ein bisschen rumzuspuken? Immerhin ist das Westfalenstadion ja quasi von Paderborn aus echt schnell erreicht. So wie Freiburg von Stuttgart oder Hannover von Hamburg aus. Alles hat seine Logik!

Dennoch hatte ich in dieser Klopp-Arena stets das Gefühl im falschen Stadion zu sein. Das ist wie im Rhein Energie Stadion - immer Champions League Atmosphäre. Immer! Da gehöre ich dann einfach nicht hin. Das muss man dann als Erscheinung, wie ich eine bin, schon eingestehen. Ich bin diesbezüglich dann so etwas wie ein ganzer Mann.

Wenn ich auf die kommenden zwei Monate schaue, dann sehe ich die Gefahr, also mich, dann doch bis zum allerletzten Spieltag im unteren Drittel der Tabelle herumgeistern.

Warum sollte es 2015 auch anders sein als in den 51 Jahren zuvor?

Ehrlich, ich bin kein so übler Kerl - aber einer muss den Job ja machen!

Vielen Dank für Eure Zeit und für Euer Verständnis.

Herzlichst,

Hubertus "Hui Buh" Buzinsky.