Logan Bailly: Teufelskerl auf Abwegen

Gladbachs Keeper (24) bringt alles mit, was ein Torhüter moderner Prägung braucht - und für Fußball-Romantiker bedient er dazu das Klischee vom exzentrischen "Typen" im Tor. Seine Anlagen sind großartig. Doch in letzter Zeit gibt Bailly nicht immer eine gute Figur ab.

Es war geschafft. Die Borussia hatte den Klassenerhalt geschafft und den Kopf gerade so aus der Schlinge gezogen. Dementsprechend kannte die Erleichterung am 23. Mai 2009 nach dem 1:1 gegen den BVB keine Grenzen. 31 Punkte - eine derart magere Ausbeute hatte zuvor noch nie einer Mannschaft zum Nichtabstieg gereicht. Einer, der erheblichen Anteil daran hatte, dass im Jahr nach dem Wiederaufstieg doch noch alles gut wurde, war damals Logan Bailly. Während bei anderen Fußballern die Mannschaftsärzte schon bereit stehen, wenn sie nur zur "Humba" auf den Zaun klettern, feierte der Keeper aus Belgien den Klassenerhalt mit einem Flic Flac der Marke "Extraklasse". Gladbach war sich sicher: Einen echten Teufelskerl hatte man sich da in der Winterpause geangelt.

Nur 16 Monate später ist von so viel Herrlichkeit nicht mehr viel zu spüren. Vergangenes Wochenende gegen Frankfurt lief die 36. Minute, als Logan Bailly einen beherzten Spurt aus seinem Tor für die ultima ratio hielt, um Alex Meier zu stoppen. Die immerhin beherzte Grätsche verunglückte. Links löste Theofanis Gekas die nun dankbare Aufgabe mühelos und schob ein zum 0:2. Erst gegen Leverkusen hatte Bailly eine Flanke fallen lassen und Bayer den Ehrentreffer zum 3:6 geschenkt. Foul hin oder her - auch da machte die Strafraumbeherrschung des Borussenkeeper einen höchst unbeherrschten Eindruck. Doch was ist los mit dem Reflexwunder aus Lüttich?

Viel Schatten, eine Menge Licht

Die Ursachenforschung beginnt mit einer Klimaanlage, im Juli 2009. Das neu erworbene Gerät fiel auf Baillys Fuß, der bracht und setzte den 24-Jährigen bis zum 6. Spieltag außer Gefecht. Der Niederrheiner wird nun in seinen akribischen Wetteraufzeichnungen kramen und sich fragen, ob er damals, rein meteorologisch, irgendetwas verpasst hat. Zynisch könnte man behaupten, Baillys Aktionismus im Kampf gegen zu hohe Raumtemperaturen gleiche seinem Verhalten beim Rauslaufen aus dem Tor: unkontrolliert und folgenreich.

Zu Beginn der vergangenen Saison hütete also Christofer Heimeroth das Tor. Dem Ex- Schalker mag man ein Fallverhalten wie eine Bahnschranke vorwerfen. Nichtsdestotrotz strahlt seine besonnene Aura viel Ruhe aus - was im Vergleich zum hibbeligen Bailly auch seine Vorteile hat. In fünf Spielen kassierte Heimeroth acht Tore, davon gleich zweimal drei, womit er Baillys Quote von 1,79 Gegentreffern pro Partie mit 1,6 unterbietet. Bei seinem Comeback gegen Hoffenheim segelte der Belgier gleich mal in Rene-Higuita-Pose unter einem Salihovic-Freistoß hindurch - um ein paar Tage später beim Pokalspiel gegen Duisburg den einzigen Lichtblick darzustellen. Wo Bailly ist, da findet man eben beides - viel Schatten, aber auch eine Menge Licht.

Bailly, der "Fuxx"

Sein bis heute bestes Spiel zeigte der Mann, der aus Genk kam und mit einem Haarreifen an den belgischen Tim Wiese erinnerte, bei einem Auswärtsspiel in Bremen. Nicht allzu oft kürt der Kicker einen Torwart zum "Mann des Tages". Was Bailly seinerzeit im Weserstadion zeigte, hätte dagegen die Wiedereinführung es "Fuxx" bei Sat. 1 gerechtfertigt. Die Bremer Chancen genügten selbst bei mittelmäßiger Verwertung für einen Kantersieg. Stattdessen entführte die Borussia einen Punkt - weil Bailly so überragend hielt, dass sogar der chronisch mürrische Hans Meyer das Prädikat "Weltklasse" zückte.

Baillys Anlagen gehen in etwa in diese Richtung. Auf der Linie kann der Dinge vollbringen, die dafür sorgen, dass sich ein ganzes Stadion von den Sitzen erhebt. Die Zeiten, in denen ein Abschlag auch mal im Seitenaus landete, sind mit ihm zwar nicht gestorben. Das mag jedoch lediglich daran liegen, dass Bailly zu lange überlegt, ob er den Abstoß nicht direkt ins Tor schießen will. Sobald der 24-Jährige, dem seine Fans aus Belgien mit Superman-Transparenten huldigten, die Linie jedoch verlässt und sobald der Ball nicht in seinen Händen ist, liegt so ziemlich alles Erdenkliche im Rahmen des Möglichen.

Der Apfel fällt nicht weit vom Trainerstamm

Baillys Torwarttrainer heißt Uwe Kamps - 390 Spiele für die Borussia, Bronze bei den Olympischen Spielen in Seoul, vier gehaltene Elfer im Pokal gegen Leverkusen, Torwartlegende. Bis zum Ende seiner Karriere plagte Kamps jedoch ein chronisches Problem - ein physisches, zu seiner Entschuldigung. Denn Kamps ist nur 1,80 Meter groß. Die Torlinie war so sehr sein Zuhause, dass man sich fragen musste, ob der heute 46-Jährige nicht sogar Zweitwohnsitzsteuer für seine Einsätze zahlt. All seine Aktionen im und besonders außerhalb des Fünfmeterraums glichen derweil einen Fallschirmsprung ohne Fallschirm - es half nur Beten.

Eben jener Uwe Kamps soll nun einem Keeper im lernfähigen Alter beibringen, wie er künftig bei Ausflügen aus seinem Tor eine bessere Figur abgibt. Vielleicht fällt der Apfel auch nicht weit vom Trainerstamm. In Kaiserslautern prägt Torwarttrainer Gerry Ehrmann nicht nur optisch eine ganze Torwartriege. Bei Tim Wiese, Florian Fromlowitz und Tobias Sippel ist es auch ansonsten offensichtlich, wer ihnen den Stil einverleibt hat. Sollte Uwe Kamps im Laufe der Jahre eine ähnliche Dynastie ins Leben rufen, würden in Zukunft eine handvoll Torhüter im Profifußball ein äußerst linientreues Dasein fristen.

Zur Zeit gibt Logan Bailly desöfteren eine unglückliche Figur ab. Sein Scheideweg verläuft irgendwo im Fünfmeterraum, zwischen Torlinie und den Weiten des Strafraums. Dass er sich bald einmal überall heimisch fühlt, bleibt angesichts seiner 24 Jahre noch zu hoffen. Trotzdem will die Klimaanlage einfach nicht aus dem Kopf gehen.

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"aufmplatz" heißt im echten Leben Jannik Sorgatz und bloggt außerdem auf www.entscheidend-is-aufm-platz.de.