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Werder Bremen


Gründer: RedBull74 | Mitglieder: 145 | Beiträge: 29
31.03.2017 | 12049 Aufrufe | 0 Kommentare | 0 Bewertungen Ø 0.0
Was macht Nouri besser als sein Vorgänger?
Werder-Trainer im Check
Werder-Trainer im Check

Knapp sieben Monate ist es her als eine diffus wirkende und völlig verunsicherte Bremer Mannschaft im Auswärtsspiel gegen Mönchengladbach mit 1:4 unterging und damit noch sehr gut bedient war. Die Konsequenz dieses Debakels war die Entlassung vom damaligen Übungsleiter Viktor Skripnik, der vereinsintern durch den U-23-Trainer Alexander Nouri ersetzt wurde.

Trotz vieler Zweifel und einigen Höhen und Tiefen sieht es aktuell so aus, als könnte Nouri den SV Werder wieder in ruhige Fahrwasser bringen. Zumindest vom Klassenerhalt ist man im Verein und im Umfeld mittlerweile überzeugt. Es ist genug Zeit vergangen, um ein erstes Resümee der Amtszeit Nouris zu ziehen und genauer zu analysieren an welchen Stellschrauben er gedreht hat um die Hanseaten wieder auf Kurs zu bringen.

Taktische Flexibilität

Viktor Skripnik war vor allem in seiner Anfangszeit ein Verfechter des werdertypischen Rautensystems mit einem Sechser, einem Zehner und zwei Spielern auf den Halbpositionen. In der Praxis war das System sehr starr und pragmatisch und erforderte viel Laufarbeit der Spieler. Im Angriff wurden bevorzugt mit langen Bällen agiert. Das funktionierte anfangs gut, als mit di Santo und Selke kopfballstarke Stürmertypen zur Verfügung standen, die mit ihrer Robustheit lange Bälle halten und verarbeiten konnten. Das Rautensystem erwies sich als untauglich gegen tiefstehende Gegner a la Darmstadt und Ingolstadt, denn Werder war nicht im Stande ein Spiel dominant zu gestalten. Skripnik probierte fortan ein 4-1-4-1-System aus, in dem Werder spielerisch stärker war, aber defensiv zu große Lücken offenbarte. Insbesondere die Verbindung zwischen der Abwehrkette und dem Mittelfeld war kaum vorhanden. Je länger Werders Krise anhielt, desto kopfloser und aktionistischer wirkten die Entscheidungen des Ukrainers. Ständige Taktikwechsel und skurrile Personalentscheidungen verstärkten die Krise nur noch mehr. Der Tiefpunkt war die Beorderung von Zlatko Junuzovic zur Sturmspitze im eingangs erwähnten Spiel gegen Mönchengladbach.

Alexander Nouri brauchte einige Wochen um das passende System zu finden. Er entschied sich für ein variables und eher defensives 4-4-2-System mit zwei sich ergänzenden defensiven Mittelfeldspielern. Mit der Formation siegten die Bremer bei Hertha BSC, der heimstärksten Mannschaft der Liga, und ließen dabei hinten kaum etwas anbrennen. Nouri passt die Aufstellung immer wieder dem Spielstil der gegnerischen Mannschaften an - und das häufig mit Erfolg. So auch in der Hinrunde gegen Hoffenheim, als man mit einer massiven Fünferkette agierte und den Hoffenheimer Offensivdrang bremste. Als es notwendig war, konnte Werder den Hebel umlegen und das eigene Offensivspiel forcieren um gegen erschöpfte Hoffenheimer zum Ausgleich zu kommen ein Indiz für Flexibilität und Wandlungsfähigkeit innerhalb des Spiels.

In der Winterpause versuchte Nouri das Ballbesitzspiel seiner Mannschaft weiterzuentwickeln und stellte auf ein wandelbares 3-5-2-System um, das in der Defensive zu einem 5-3-2 mutiert. Ein ähnliches System spielt seit einigen Jahren Juventus Turin und auch andere Bundesligateams haben es inzwischen aufgegriffen. Mit dem System erlangte Werder Überlegenheit im Zentrum und war in der Lage ein Spiel zu kontrollieren. In dieser Formation gab es jedoch einige unglückliche Niederlagen, die allerdings eher individuellen Fehlern (wie gegen Augsburg) oder der qualitativen Überlegenheit der Gegner (Dortmund & Bayern), als dem System zuzuschreiben sind. Gerade gegen Leverkusen und Leipzig zeigte sich wie gut die Formation funktionieren kann. Als Unattraktiver, aber zuletzt erfolgreicher erwies sich das 4-4-2-System, das Nouri gegen Mainz, Wolfsburg und Darmstadt spielen ließ. Defensiv, passiv, auf Kampf und Konterspiel ausgerichtet. Wenn auch viel Glück dabei war: Diese Formation eignet sich vor allem gegen Gegner, die über eine schwache Spieleröffnung und ein unkreatives Mittelfeld verfügen. Stand jetzt hat der neue Coach also zwei funktionierende Spielsysteme implementiert (auch wenn man sagen muss, dass ein 4-4-2 nicht gleich ein 4-4-2 ist, sondern es in der genauen Umsetzung immer wieder feine Unterschiede gibt), was Werder eine gewisse Unberechenbarkeit verleiht.

Defensive Stabilität

Werder Bremen kassierte unter Skripnik knapp 1,92 Tore pro Spiel der Wert eines Absteigers. Alexander Nouri bekam die Defensivprobleme nur allmählich in Griff (vor allem durch die Hinzunahme eines zweiten Sechsers um das Zentrum zu verdichten) und insbesondere in der Mitte der Hinrunde fing man sich noch zu viele Tore. In der Phase zwischen 13. und 25. Spieltag gab es pro Spiel allerdings nur noch ein einziges Gegentor allein Bayern und Hoffenheim kassierten in der Periode noch weniger Gegentore. Standen unter Skripnik hohe Niederlagen gegen Spitzenteams noch auf der Tagesordnung, hält Werder unter Nouri die Topgegner stets in Schach (knappe Niederlagen gegen Bayern und Dortmund, Remis gegen Hoffenheim). Mehr als drei Gegentore in einem Spiel gab es in der Ära Nouri bislang nicht zu sehen. Nach den deprimierenden letzten Jahren unter Schaaf und den verkorksten Jahren unter Dutt und Skripnik, in denen man sich den Ruf als Schießbude der Liga redlich verdiente, werden die Fans nun also mit einem ganz neuen Gefühl von defensiver Stabilität konfrontiert.

Werder steht komptakter, verschiebt besser und hält die Räume dicht. Es ist ein klares Abwehrkonzept zu erkennen, in dem jeder Akteur seine Aufgabe kennt und sie ausführt. Die Doppelsechs mit dem neuen Führungsspieler Delaney überzeugt durch Zweikampfstärke, wodurch die Angriffe der gegnerischen Teams frühzeitig im Keim ersticken. Die Innenverteidigung um Sane und Moisander ist stark in der Luft und daher ist Werder gerade über hohe Bälle schwer zu überwinden. Die starke Defensivleistung ist natürlich auch an bestimmte Personalien festzumachen. Neben dem zuvor erwähnten Delaney befindet sich der viel gescholtene Keeper Wiedwald derzeit in der Form seines Lebens.

Konstante Leistungen

Als Resultat der taktischen Flexibilität, also der Fähigkeit sich taktisch auf jeden Gegner einzustellen, ergibt sich über die Saison gesehen eine größere Konstanz in den eigenen Leistungen.

Sportliche Lichtblicke gab es auch unter Viktor Skripnik. Welcher Werder-Fan erinnert sich nicht noch an das spektakuläre 4:3 im Pokal gegen Borussia Mönchengladbach in der letzten Saison oder das 4:1 gegen Bayer Leverkusen, bei dem Pizarro zum ältesten Hattrick-Schützen der Bundesligageschichte avancierte? Doch schon kurz nach diesen Spielen folgten neuerliche Rückschläge und Ernüchterungen. Der Mannschaft gelang es nicht Selbstvertrauen aus den Spielen zu ziehen und die gute Leistungen zu konservieren.

Wer Werder unter Nouri beobachtet konnte schon vor der derzeitigen Erfolgsserie eine gewisse Stabilität in den Leistungen erkennen. Vor dem furiosen 3:0 gegen den Aufsteiger RB Leipzig fehlten die begeisterten und mitreißenden Spiele, aber es gab eine Reihe von taktisch guten Partien, in denen Bremen seinen Gegnern auf Augenhöhe begegnete. Nach dem hart erkämpften 2:1 gegen Ingolstadt in der Hinrunde folgte eine Serie von drei Spielen ohne Niederlage gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte. Nach der Winterpause verlor man unglücklich gegen Dortmund, einem Spiel, in dem man trotz Unterzahl den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielte. Das anschließende Heimspiel gegen den Rekordmeister konnte man insbesondere in der zweiten Halbzeit offen gestalten. Das Auswärtsspiel in Augsburg war bis 15 Minuten vor Schluss eine sehr gute und souverän geführte Partie der Bremer über den Rest des Spiels deckt man lieber den Mantel des Schweigens.

Die schlechten Spiele in der Nouri-Ära kann man bislang an einer Hand abzählen: Das Heimspiel gegen Freiburg gehört dazu, genauso wie das (von beiden Seiten) unterirdisch schlechte Nordderby. Das Heimspiel gegen Mönchengladbach und die erste Halbzeit gegen Darmstadt waren auch nur bedingt bundesligareif. Insgesamt aber hat man als Fan wieder Vertrauen zu der Mannschaft und schaut ein Spiel nicht mehr mit der Sorge, dass das Team in jene alten, chaotischen Muster zurückfallen könnte, die in den letzten so Jahren kennzeichnend für das Bremer Spiel waren.

Mannschaft ist fitter

Im Laufe der Hinrunde beklagte Nouri konditionellen Defizite und mangelnde Fitness im Team. Offenbar gab es diesbezüglich Versäumnisse im Sommer-Trainingslager unter Viktor Skripnik. Im letzten Heimspiel unter Skripnik gegen Augsburg und beim Debüt Nouris gegen Mainz konnte man geradezu spüren, wie die Beine der Spieler von Minute zu Minute schwerer wurden. In beiden Spielen gaben die Werderaner eine Führung aus der Hand und waren in der Schlussphase nicht mehr in der Lage dem Gegner etwas entgegenzusetzen.

In den ersten zwölf Spielen erzielte der SVW nur beim Heimspiel gegen Wolfsburg späte Tore, als man das Schicksal vom Spiel gegen Mainz umkehrte und spät einen Rückstand drehte. Dagegen verspielte man allerdings nicht nur gegen Augsburg und Mainz, sondern auch gegen Frankfurt und Darmstadt mögliche Siege durch späte, unnötige Gegentore. Auch in Leipzig kassierte man zwei Gegentreffer in den letzten 20 Minuten.

Danach verbesserte sich die Fitness im Bremer Mannschaft sukzessive. Im Dezember errang man wichtige Punkte durch späte Tore gegen Ingolstadt und Hoffenheim. Zuletzt erkämpfte man sich den Sieg gegen Darmstadt und das Remis bei Bayer Leverkusen durch Tore in der Schlussviertelstunde. Den Leipzigern setzte man den Todesstoß durch ein Kontertor in der Nachspielzeit. Gegentore in der Endphase des Spiels sind wesentlich seltener geworden. Eine unrühmliche Ausnahme aus der jüngeren Vergangenheit ist das unsägliche Spiel gegen den FC Ausgburg. Zur Verteidigung sei aber gesagt, dass der FCA seinerseits Experten für späte Tore sind und auch andere Teams schon darunter zu leiden hatten.

Nouri - Ein besserer Motivator und Kommunikator

Zugegeben: Ein streitbarer Argumentation, der auf vage Vermutungen basiert. Wer aber Nouri am Seitenrand beobachtet, sieht einen Trainer der mitfiebert, seinen Emotionen Ausdruck verleiht, immer wieder an die Spieler appelliert und ihnen Mut zuspricht. Junuzovic, seinerseits ein Kritiker Skripniks, bestätigt das, nennt Nouri einen Emotionsmensch und Motivator. Der Deutsch-Iraner ist auch wortgewandter als Viktor Skripnik und kann den Spielern deutlicher vermitteln, was er von ihnen erwartet. Es ist naheliegend zu sagen, dass Nouri einen besseren und direkteren Draht zu den Spielern hat.

Viktor Skripnik schien sowohl beim Training als auch im Spiel eine Distanz zu den Spielern gewahrt zu haben. An der Seitenlinie wirkte eher wenig initiativ und eher ausdruckslos, im Training hielt er seltener Ansprachen, sondern dirigierte mehr. Es gilt klarzustellen: Ein guter Motivator ist nicht gleichzusetzen mit einem guten Trainer und andersrum gilt das genauso. Thomas Schaaf als wortkarge und introvertierte Persönlichkeit hat hier eine Ära geprägt. Die United-Legende Sir Alex Ferguson hielt bei den Trainingseinheiten auch oft Abstand zu der Mannschaft und nahm die Rolle des Beobachters an. Auf der anderen Seite ist Jürgen Klinsmann, der Motivatortyp per excellence, zuletzt überall gescheitert.

Die Art des Alexander Nouri scheint bei der Mannschaft insgesamt allerdings besser anzukommen als die Art seines Vorgängers, dies hört man in Interviews in den Zwischentönen immer wieder heraus.

Medien und Öffentlichkeit

Ein professioneller Umgang mit den Medien ist für die Außendarstellung eines Vereins von hoher Bedeutung. Auch hier präsentiert Nouri sich besser als sein Vorgänger nicht nur auf rhetorischer Ebene. Skripnik neigte dazu die Medien als Sündenbock und als persönlicher Gegner darzustellen und erwies sich vor allem nach schlechteren Spielen als sehr dünnhäutig. Nouri dagegen legt vor allem bei Pressekonferenzen eine angenehme Lockerheit an den Tag, versprüht Charme und hat auch hin und wieder einen lockeren Spruch auf den Lippen. Kritischere Fragen bringen ihn nicht aus der Fassung und er meistert sie souverän. Inhaltlich gibt er nicht zu viel preis, liefert aber dennoch informative Antworten.

Ob Frank Baumann im September letzten Jahres bei der Trainerwahl jemanden besseren als Nouri an die Weser hätte locken können, lässt sich retrospektiv schwer beantworten, aber Alexander Nouri macht vieles besser als sein Vorgänger und es sind Fortschritte auf fast jeder Ebene erkennbar. Nouri und die ganze Mannschaft lässt den SV Werder als Verein wieder jung, frisches und hungrig wirken und auf bessere Zeiten hoffen.

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