Von vielen als Traumlos deklariert, entpuppte sich Manchester United im Hinspiel (1:1) zu einem extrem unangenehmen Gegner, der dem FC Bayern auch im Viertelfinal-Rückspiel alles abverlangen dürfte.
Sorgen bereitet bei den Münchnern vor allem die dünne Personaldecke: Mit Javi Martinez, Bastian Schweinsteiger (beide gesperrt) und dem verletzten Thiago sind gleich drei zentrale Mittelfeldspieler nicht dabei, Toni Kroos und Philipp Lahm dürften somit hier gesetzt sein.
Außerdem steht Manuel Neuer unter besonderer Beobachtung: Nach den Verletzungen der Ersatztorhüter Tom Starke und Lukas Raeder stünde lediglich der 19-jährige Leopold Zingerle als Ersatzkeeper bereit.
Das Lazarett wird komplettiert durch Diego Contento und Xherdan Shaqiri, immerhin kehrt aber Innenverteidiger Dante nach Sperre zurück. Gelbvorbelastet ist lediglich Mario Mandzukic.
United dagegen muss nur auf Robin van Persie verzichten, Patrice Evra ist nach Sperre wieder dabei. Zwar sind Ryan Giggs und Wayne Rooney offiziell noch fraglich, dass beide spielen können steht aber außer Frage. Ashley Young könnte nach seiner Handverletzung vom Wochenende noch ausfallen.
I.Taktische Analyse
Manchester wird höchstwahrscheinlich, wie schon im Hinspiel, versuchen, anfangs hoch zu pressen und auf ein frühes Tor zu gehen, um sich danach massiv zurückzuziehen und auf Konter zu lauern.
Welbeck, Valencia und Rooney sind in dieser Form eines 4-3-3 stets bereit, einen hohen Ball aus der Defensive abzulaufen und können gleichzeitig die Abwehr unter Druck setzen, sollte United versuchen wollen, ein Pressing aufzuziehen.
Unterstützt wird das ganze dann von Fellaini, der immer wieder aus dem Mittelfeld vorstoßen und so vor allem den Aufbauspieler der Münchner mit stören kann. Valencia und Rooney lassen sich bei Ballbesitz des Gegners nach und nach weiter zurückfallen, so dass ein 4-4-1-1 entsteht. Gleichzeitig kann Manchester dann die bespielbare Fläche enorm eng machen, wie immer wieder im Hinspiel zu sehen:
Giggs, Fellaini und Valencia (Kreise) bilden eine Kette direkt am Strafraum, um so einen möglichen Distanzschuss zu unterbinden. Carrick rückt raus, um den Außenverteidiger gegen Bayerns Flügelstürmer (in dem Fall Robben) zu unterstützen - auf der anderen Seite würde demzufolge Valencia rausrücken.
Rooney (Viereck) dagegen lauert auf einen Münchner Ballverlust, während Wellbeck auf Höhe der Mittellinie einem langen Ball hinterhersprinten kann. So wird es für Bayern extrem schwer, zwingende Abschlüsse zu erzielen, während United durch Konter stets gefährlich ist. Wie das aus genau so einer Situation heraus entstehen kann, sieht man in einer Szene einige Minuten später:
Rooney (Viereck) bekommt den Ball zugespielt und hat sich dem Zugriff der zentralen Mittelfeldspieler entzogen.
Rooney schaltet blitzschnell um, vorne startet Welbeck sofort, der eine 1-gegen-1-Situation gegen Boateng hat (Kreis) und weil der Nationalspieler wegrutscht, bewahrte nur eine starke Parade von Manuel Neuer die Münchner vor dem Rückstand.
Umgekehrt bekam Manchester so ziemlich jedes Mal Probleme, wenn Bayern den Ball schnell in die Lücken spielte, bevor die Abwehr wieder ihre Ordnung eingenommen hatte. Schweinsteiger kam so nach Pass von Rafinha zur ersten guten Gelegenheit im zweiten Durchgang:
Und auch beim Ausgleich spielte Bayern schnell über die Außen und sofort fehlte bei United im Strafraum jegliche Zuordnung.
Bayern muss also Rooney als Konter-Umschaltspieler ausschalten, gleichzeitig muss die eigene Offensive schlicht schneller agieren als im Hinspiel, wo die Münchner oft träge im letzten Spielfelddrittel wirkten. Nur mit Geschwindigkeit kann die massive United-Defensive um die beiden Viererketten gebrochen werden.
II. Datenanalyse
Manchester United kämpft sich in dieser Saison minimalistisch durch die Champions League. Keiner der Viertelfinal-Teilnehmer hat weniger Siege auf dem Konto als die Red Devils (5), keiner hat mehr Remis (3).
Vor allem die Offensive war dabei für Manchester ein Sorgenkind. Trotz der Kantersiege gegen Bayer Leverkusen (4:2, 5:0) in der Gruppenphase hat United die schwächste Offensive im Viertelfinale (16 Treffer). Dabei ist Manchester aber zumindest Effizient: Nur 59 Schüsse gaben die Engländer bislang aufs Tor ab. Zum Vergleich: Bayern steht bei 114 Torschüssen.
Auch auffällig ist die schwache Passquote von Manchester. im Schnitt kommen nur 74 Prozent der Pässe beim Mitspieler an, nur Dortmund und Atletico sind hier von den Viertelfinal-Teilnehmern schlechter. Darüber hinaus hat United den Ball im Schnitt nur 49 Prozent der Zeit (Bayern: 65 Prozent, Topwert der CL-Saison).
Dass beide Teams gerne über die Außen spielen, zeigt sich im Flankenverhältnis: Während Bayern die Champions League mit unfassbaren 249 Flanken klar anführt, ist United mit 167 Flanken immer noch Vierter in dieser Kategorie.
III. Wissenswertes
- Bayern hat auf europäischer Bühne bislang sechs Mal im Hinspiel 1:1 gespielt. Jedes Mal kamen die Münchner danach weiter.
- Sollte Ryan Giggs auflaufen, wäre es sein 142. Einsatz in der Champions League. Damit würde er mit Rekordhalter Raul gleichziehen.
- Manchester United spielt zwar eine historisch schlechte Saison, dennoch sollte man mit den Red Devils vor allem auswärts nach wie vor rechnen: Keim Team holte in dieser Saison in der Premier League mehr Punkte auf des Gegners Platz. Allerdings: In der Königsklasse gewann United in dieser Saison auswärts nur in Leverkusen.
- Bereits zehn Mal trafen der FC Bayern und Manchester United in der Champions League aufeinander. Die Bilanz: 3 Bayern-Siege, fünf Remis und zwei Erfolge für die Engländer.
- Gegen englische Teams tat sich Bayern zuletzt schwer: In den letzten vier CL-Heimspielen blieben die Münchner gegen Teams aus der Premier League ohne Sieg. Dennoch ist die Heim-Bilanz gegen Teams von der Insel positiv: 10 Siege, 6 Remis und 3 Niederlagen stehen hier zu Buche.
IV. Fazit
Bayern muss, wie schon letzte Woche, höllisch auf die Konter der Engländer aufpassen. Auch wenn United-Coach David Moyes angekündigt hat, über eine andere Taktik nachzudenken, kann man getrost davon ausgehen, dass wie im Hinspiel der ein oder andere hohe Ball auf die wartenden Stürmer geschlagen wird.
"In dieser Phase des Wettbewerbs hast du nie eine zweite Chance. Alles kann passieren", weiß auch Pep Guardiola. Gleichzeitig machte der Spanier im Vorfeld Mut: "Meine Spieler kennen nach dem Hinspiel die Stärken und Schwächen Manchesters."
Auf den Punkt gebracht dürfte das heißen: Häufiger aus der Distanz schießen, Ribery, Robben und Götze müssen 1-gegen-1-Duelle suchen (und gewinnen) und außerdem hat Mario Mandzukic im Hinspiel seinen Wert gezeigt: Der Kroate muss mit hohen Bällen gefüttert werden, denn da offenbarte United in der zweiten Halbzeit immer wieder eine Anfälligkeit - vor allem beim Gegentor, als Mandzukic komplett frei stand.
Darüber hinaus darf sich Bayern nicht zu schade sein, auch mal selbst den schnellen Konter zu suchen. Die Offensivspieler der Münchner haben gegenüber den meisten United-Verteidigern einen erheblichen Geschwindigkeitsvorteil, was bei einem defensiv eingestellten Gegner besser als im Hinspiel genutzt werden muss.
Tipp: 3:1 Bayern.
