2015 und Offseason

Die San Diego Chargers haben ein turbulentes Jahr 2015 hinter sich. Eine enttäuschende Saison, die mit vier Siegen und 12 Niederlagen abgeschlossen wurde, liegt hinter ihnen. Dennoch dominierte etwas anderes als der schlechte Record die Schlagzeilen in Kalifornien. Der Streit mit der Stadt um den Bau eines neuen Stadion und der in Folge dessen im Raum stehende Umzug nach Los Angeles war Gesprächsthema Nummer 1.

Neben den Chargers bewarben sich noch die Rams und die Raiders für den Umzug der Franchise nach LA. Das letzte Heimspiel der vergangenen Saison hatte somit etwas von einem Abschiedsspiel. Spurlos ging das Thema, welches Ende der vergangenen Saison verstärkt aufkam, auch nicht am Team vorbei. Philip Rivers zum Beispiel kündigte an einen Umzug nicht mitmachen zu wollen und schloss ein Karriere Ende nicht aus.

Letzten Endes bekamen jedoch die Rams den Zuschlag und die Chargers bleiben der Stadt San Diego zumindest eine weitere Saison erhalten. Der Streit mit der Stadt um den Bau eines neuen Stadions hält dabei weiter an. Die Zukunft ist weiter offen.

Nach der Entscheidung der Teambesitzer konnte das Augenmerk während der Offseason langsam wieder auf das sportliche gelegt werden. Die vergangene Saison hatte Spuren hinterlassen. Beide Linien, also sowohl die Offensive Line als auch die Defensive Line, waren verletzungsgeplagt und mit die schlechtesten der NFL. Das Running Game funktionierte trotz oder wegen Erstrundenpick Melvin Gordon, der eine katastrophale Rookiesaison erlebte, überhaupt nicht. Die durchaus solide Secondary wurde ebenfalls durch Verletzungen ausgedünnt und von einem kaum existenten Pass Rush zusätzlich im Stich gelassen. Eine Adjusted Sack Rate von 5,7% (Platz 28) macht das deutlich. Auch der Ausfall von Top-Wideout Keenan Allen war nicht aufzufangen.

Im Draft und der Free Agency adressierte man dann besonders diese Schwachstellen und sorgte in erster Linie für Tiefe. Ken Whisenhunt, welcher von den Titans entlassen wurde, soll als Rückkehrer und neuer OC das Running Game zum Laufen bekommen. HC Mike McCoy darf hingegen, durchaus überraschend, in seine vierte Saison mit den Chargers gehen. Ebenso bekommt DC John Pagano die Chance weiter mit der Defense zu arbeiten. Dagegen gab es im weiteren Coaching Staff einen Umbruch. Die Linebacker, die Offensive Line und die Tight Ends bekommen neue Coaches, ebenso wurden beinahe alle Assistentenplätze neu besetzt. Craig Aukerman wurde zum Special Team Coach befördert.

Doch auch in den letzten Tagen kommen die Schlagzeilen immer öfters von Abseits des Platzes. Der dritte Pick des Drafts, Joey Bosa, ist mit den Vertragsmodalitäten, welche ihm die Chargers anbieten unzufrieden und ist dem Mini Camp und dem Trainings Camp bisher komplett ferngeblieben. Das Ohio State Produkt hat in Folge dessen seinen Rookievertrag noch nicht unterzeichnet. Jede Trainingseinheit die er fehlt, macht es dem Team schwerer, ihn zu integrieren. Dabei brauchen sie seine Pass Rusher Fähigkeiten so dringend. Wann dieses Kapitel geschlossen werden kann scheint offen. Dabei rennt vor allem den Chargers die Zeit davon.

Free Agency

In der Free Agency haben die Chargers nichts Verrücktes versucht. Brandon Mebane(NT), Matt Slauson (C), Dwight Lowery (FS), Casey Hawyward (CB) sollen stattdessen für die so wichtige Tiefe im Kader sorgen. Zusätzlich wurde Travis Benjamin(WR) als Gegenstück zu dem von seiner Verletzung zurückkommenden Keenan Allen unter Vertrag genommen. Slauson und Mebane sollten sofort Upgrades auf ihren Positionen darstellen. Besonders der Center Veteran Slauson sollte sofort helfen, da Vorjahrescenter Trevor Robinson von PFF als der schlechteste benotete Center der abgelaufenen Saison eingestuft wurde. Mebane, der von den Seahawks kommt, ist selbst zwar nicht mehr am Leistungshöhepunkt, sollte aber trotzdem direkt starten und Druck über die Mitte machen.

Auch Benjamin sollte als Deep Threat sofort weiterhelfen. Benjamin hat für die Browns vergangene Saison 14,2 Yards pro Reception aufgelegt. Seine Zahlen sollten mit Philip Rivers als Quaterback steigen. Zudem kam James Jones von den Packers als weitere Ergänzung für die Offense.

Auf der anderen Seite wurde Star Free Safety Eric Weddle ziehen gelassen, der für vier Jahre und 26 Millionen bei den Ravens unterschrieben hat. Dessen Abgang, nach Streitigkeiten mit dem Team, wird beinahe unmöglich zu ersetzten sein und dürfte eine deutliche Schwächung für die Passverteitigung sein.

Auf einen neuen Zweijahresvertrag hat man sich dagegen mit TE Antonio Gates geeinigt, welcher so zusammen mit River weiter an den Bestmarken arbeiten kann. 104 TDs hat er schon im Dress der Chargers gefangen - wird mit seinen 36 Jahren allerdings auch nicht mehr jünger.

Draft

Im Draft sollten dann weitere Lücken geschlossen werden. Nummer 3 Pick Joey Bosa, welcher nach PFF der beste Pass Rusher der vergangenen beiden Jahre am College war, sollte hier, wenn man sich denn auf einen Vertrag einigen kann, sofort einen Impact haben.

Ansonsten wurde in den weiteren Runden viel für die Offense getan. So zog man wenig erwartend in den Runden 3, 5 und 7 Spieler für die Oline. Hinzukommen TE Hunter Henry in Runde zwei und in Runde sechs FB Derek Watt, der kleinere Bruder von JJ Watt.

Bosa könnte von Tag eins starten, was jedoch mit jedem verpassen Tag des Training Camps unwahrscheinlicher scheint. TE Henry sollte hinter Gates an die NFL herangeführt werden. Der vermutlich beste Receiving TE des Drafts sollte in den ersten Wochen aber noch keinen großen Einfluss haben.

Fazit

In der Free Agency gab es wenig Bewegung, viel mehr hofft man auf die von Verletzungen zurückkommenden Spieler. Im Draft wurden die Schwachpunkte jedoch klar angegangen und mit Bosa in Runde eins ein möglicher Playmaker gezogen. Dennoch schmerzt der Abgang von Eric Weddle und der Kader muss erst noch beweisen, dass er besser als 2015 ist.

Offense

Die Offense war vergangenes Jahr noch das kleinere Problem. Football Outsider listet sie auf Platz 15 mit einem DVOA von 0,9%. In konkreten Zahlen hat man 2015 371,8 Yards pro Spiel aufgelegt, was Liga weit Platz neun bedeutete. Zum Großteil war das Philip Rivers zu verdanken, der das Team besonders nach dem Ausfall von Keenan Allen tragen musste. Ob Rivers dies, selbst auch schon 34, weiterhin gelingt bleibt aber abzuwarten. Nach PFF war die vergangene Saison die Schlechteste seiner Karriere. Weiterhin gilt es ein Laufspiel zu etablieren, welches diesen Namen auch verdient hat. Hier steht besonders Melvin Gordon in der Pflicht, der nach einer grausamen Rookie Saison sein Breakout Jahr versprochen hat.

Quaterback

Voraussichtlicher Starter: Philip Rivers

Hinter einer weiterhin schwachen Oline geht Philip Rivers in seine 13 NFL-Saison. Hinter ihm kämpfen Kellen Clemens und Zach Mettenberger um den Backup Spot. Beide wären selbstverständlich kein adäquater Ersatz für Rivers. Für diesen kann man nur hoffen, dass diese Saison weniger frustrierend verläuft und er weniger harte Hits einstecken muss.

Offensive Line

Voraussichtliche Starter: C Matt Slauson, LG Orlando Franklin , LT King Dunlap, RG D.J. Fluker, RT Joe Barksdale

Um die Offensive Line von 2015 zu beschreiben reichen ein paar wenige Zahlen. 298 Pressures hat man bei 716 Passing Plays abgegeben, was der schlechteste Wert der Liga war. Dazu kommen 3,18 Adjustet Line Yards im Run Blocking. Platz 31. Nur die 49er waren hier noch etwas schlechter. Was macht also Hoffnung auf eine Besserung? Slauson sollte auf Center wie oben erwähnt ein deutliches Upgrade sein. Der Rest der Starting-Oline hat sich nicht stark verändert, stattdessen hofft man auf die Tiefe durch die Rookies und auf die von Verletzungen zurückkommenden Starter. Hier schwingt auch das hoffen nach einer größeren Konstanz mit. Die Offensive Line der Chargers sollte aber auch dieses Jahr zu den schlechtesten der NFL gehören.

Receiving corps

Voraussichtliche Starter: WR Keenan Allen, WR Travis Benjamin, WR Dontrelle Inman, TE Antonio Gates, TE Sean McGrath

Das Receiving corps sollte die stärkste Gruppierung der Chargers für die kommende Saison sein. Mit Keenan Allen hat man einen klaren Nummer 1 Receiver und mit Benjamin nun dazu einen passenden man für die tiefen Pässe. Auch Antonio Gates sollte mit all seiner Erfahrung und seiner unvergleichlichen Verbindung zu Rivers weiterhin eine gute Rolle spielen. Je nachdem wie sich Zweitrundenpick Hunter Henry zurechtfindet, könnte auch er als solide Option für Rivers für Variabilität sorgen.

Running Backs:

Voraussichtlicher Starter: Melvin Gordon

Bei den Running Backs steht Melvin Gordon im Fokus. Der Erstrundenpick spielte eine enttäuschende Saison und zeigte warum viele Teams in der ersten Runde gerne die Finger von Running Backs lassen. Gordon war zwar solide im Passspiel, jedoch verursachte er auch bei 184 Carries sechs Fumbles. Er wurde von PFF deutlich unter Durchschnitt aller Running Backs bewertet. Aber auch hier hat die Offensive Line ihren Anteil daran, denn nur 1,39 Yards before contact war der drittniedrigster Wert der Liga. Gordon selbst konnte aber auch nur 1,4 Yards after contact erlaufen.

Hinter ihm dürfen Danny Woodhead und Brandon Oliver sich die restlichen Snaps teilen. Jedoch ist eine Degradierung zum Backup im Laufe der Saison von Gordon, sollten sich seine Zahlen nicht bessern, nicht auszuschließen.

Das Laufspiel wird so aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin das Sorgenkind der Offense bleiben und der Fokus auf Rivers ausgerichtet sein.

Fazit

Die Offense bleibt der beste Mannschaftteil der Chargers. Die Oline sollte sich etwas steigern, wenn auch auf niedrigen Niveau und von den Running Backs sollte unter Whisenhunt etwas mehr kommen als letzte Saison. All das wird aber nichts daran ändern das der Fokus weiterhin auf dem Passspiel liegen wird.

Defense

Neben der Offense hat auch die Defense einiges wieder gut zu machen. Hier schlugen die Verletzungen noch schwerer ins Gewicht. Besonders der erneute Ausfall von Jason Verrett tat weh.

Trotzdem bleiben auch bei einem gesunden Kader einige Fragezeichen. Ein Blick auf die nackten Zahlen zeigen auch hier warum in der letzten Saison nur vier Spiele gewonnen werden konnten. Mit einem DVOA von 10,4% belegte man nur den 28. Platz. Zudem gelangen dem Team aus Kalifornien nur 32 Sacks. Die Pass Defense von 15,6% (Platz 21) war noch das geringere Problem gegen über der Rush Defense 4,2% (Platz 31). Man ließ im Schnitt 4,8 Yards pro Laufversuch zu. Nur die Saints waren hier noch marginal schlechter. Brandon Mebane, Joey Bosa und Casey Hayward als Slotcornerback sollten Besserung für diese Defizite versprechen.

Wichtig ist auch das Denzel Perryman, der eine solide Rookiesaison gespielt hat, sich weiter steigern kann und Manti Teo, der eine der schlechtesten Linebacker der abgelaufenen Saison war, sich an bessere Zeiten erinnert. Cornerback Brandon Flowers muss ebenso wieder an bessere Leistungen anknüpfen um der Defense zu helfen. Trotz schwerer Saison sollte er aber dennoch noch zu den besseren Startern auf CB in der Liga gehören. Ebenso sein Partner Jason Verrett, der von PFF über seine ersten beiden Jahre, wenn er Gesund war, immer sehr positiv bewertet wurde.

Front-Seven

Voraussichtliche Starter: DE Darius Philion, DE Corey Liuget, NT Brandon Mebane, OLB Melvin Ingram, OLB Kyle Emanuel, ILB Manti Teo, ILB Denzel Perryman

32 Sacks stehen aus der Vorsaison zu Buche. Da Bosa ein Fragezeichen bleibt, ist die einzige Veränderung zum Vorjahr Mebane. Die Defensive Line versprüht ohne den Nummer 3 Pick wenig Talent und von einer deutlichen Leistungssteigerung ist deswegen nicht auszugehen.

Defensive Backs

Voraussichtliche Starter: CB Brandon Flowers, CB Jason Verrett, SS Jahleel Addae, FS Dwight Lowery

Der Abgang von Eric Weedle wird ein großes Loch in der Secondary der Chargers hinterlassen. Er war der Star und Leader der Unit. Das vergleichsweise geringe Gehalt das er von den Ravens bekommt, macht den Abgang noch bitterer. Mit Hayward hingegen kommt ein Upgrade für den Slot. Flowers und Verrett sind eines der besseren CB Tandems der Liga, wenn sie fit bleiben. Besonders Verrett könnte sich zu einem der besten Cornerbacks der Liga entwickeln, wenn seine Gesundheit mitspielt. Die Passverteidigung sollte, wenn sie gesund bleibt, sich noch etwas zur vergangenen Saison steigern können, wo man solide 7,9 Yards pro Versuch abgegeben hat.

Fazit

Die Defense könnte von einer soliden Secondary getragen werden und sich so zur schwachen vergangenen Saison steigern. Mit Bosa und Mebane sollte man mehr Druck auf den gegnerischen Quaterback ausüben können, was der gesamten Defense helfen sollte. Trotzdem muss man erstmal abwarten, wie sehr sich die Nachwirkungen des Weedle Abgangs bemerkbar machen. Wenn man sich zu einer durchschnittlichen NFL Defense steigern könnte, wäre das sicherlich ein Erfolg.

Special Teams

Voraussichtliche Starter: P Drew Kaser, K Josh Lambo, H Drew Kaser, LS Mike Windt, KR Brandon Oliver, PR Travis Benjamin

Platz 31 nach Football Outsiders stehen hier im Jahr 2015 zu buche. Benjamin sollte mit seiner Schnelligkeit für ein Upgrade als Returner sorgen. Josh Lambo hatte 26 von 32 FGs verwandelt und ist ein solider Kicker. Rookie-Punter Drew Kaser von Texas A&M wird Mike Scifres (Net Average 38,2), der seit 2003 für die Chargers gespielt hat, ersetzten.

Players to Watch

Melvin Gordon: Wie angesprochen muss er zeigen, dass er das Niveau für die NFL hat. Mit ihm steht und fällt das Laufspiel für die Chargers diese Saison sehr wahrscheinlich. Ob es wirklich zu einer Breakout Saison hinter dieser Offensiv Line reicht bleibt aber stark zu bezweifeln.

Joey Bosa: Falls Bosa spielt steht er sofort im Rampenlicht und muss eine schwache Front-Seven sofort führen. Wie gut ihm das gelingt, vor allem da er schon so viele Trainingseinheiten verpasst hat, bleibt abzuwarten.

Schedule und Ausblick

Der Schedule sieht besonders in den ersten Wochen machbar aus. Nach dem Strength of Schedule hat San Diego den 13. schwersten. In der AFC West mit den Broncos, Raiders und Chiefs wird es jedoch sehr schwer. Alle drei könnte man an einem guten Tag ärgern, aber mehr wird wahrscheinlich nicht drin sein.. Die Playoffs scheinen momentan weit weg. Der vierte Platz in der Division scheint so schon vor der Saison mit den Chargers besetzt. Mehr als vier Siege sollten aber trotzdem drin sein. Ebenso wie ein erneuter früher Pick im kommenden Draft.

Prediction: 6-10