Der Mensch.

In Sachen körperlicher Leistungsfähigkeit in nahezu allen Belangen irgendeinem Tier unterlegen.

Sprinten, Springen, Schwimmen. Alles einfach.

Ja, toll, wir sind super intelligent und so, aber mal ehrlich: man will unbedingt heller, schneller, greller sein als irgendwelches Gevieh! MANN SEIN! TESTOSTERON! AAAAAH!

Eine Disziplin beherrschen wir jedoch tatsächlich wie keine zweite Spezies der Landlebewesen: ausdauernd laufen (hab ich gelesen)! Ihr kennt sicher die Jungs aus Afrika, die seit Jahrtausenden ihre Beute erlegen, indem sie sie bis zur Erschöpfung im Dauerlauf jagen bis die Gazelle einfach irgendwann umfällt. Hat dann keinen Bock mehr. Lässt sich lieber essen. Nicht mal Pferde können uns dahingehend übertrumpfen (hab ich gelesen)!

Wozu das halbwissende Gelaber?

Ich muss beweisen, dass ich Mensch bin!

Am 01.01., sprich vor knapp 2 Wochen, irgendwann gegen 1 Uhr nachts rum, kam es zum Gespräch:

"Murph", sagte mein Kumpel, "du läufst dieses Jahr die 3-Brückentour in unter 50 Minuten oder ich krieg 100 Tacken von dir!"

Ich dachte so: Deal, weil: Gute Vorsätze und so. (Zwei Doppelpunkte nacheinander? Darf man das überhaupt? Der Typ ist irre!)

Jeder, der irgendwie in oder um Mainz lebt, weiß was die 3-Brückentour ist, denn wenn man auf eins wetten kann, dann ist es, dass Leute die joggen mit Sicherheit erzählen, dass sie joggen. Und zwar die 3-Brückentour. Weil man ist ja so geil. Als Jogger.

Ich persönlich habe noch nie die Schönheit am Laufsport verstanden. Ich meine, Laufen ist einfach die primitivste Art des Sports. Ist ja schön und gut, dass es einen gesund hält aber zu welchem Preis? Es macht einfach keinen Spaß! Und immer wenn ich das erkläre, kommen mir die Laufnazis mit ihren dünnen Thermojacken und hässlich-bunten Asics mit spezial Einlage gegen Senkfüße um die Ecke und erzählen mir was von "Runner's High".

Nee, sorry. Um high zu werden brauch ich in erster Linie Entspannung. Joggen ist eher das Gegenteil davon. Es nervt. Und weil es nervt, kann es mich auch nicht high machen. Falls ich tatsächlich beim Laufen sowas wie ne kurze Erleichterung spüre, die mich für einen kurzen Augenblick fröhlich stimmt (Endorphin-Shizzle? Hab ich gelesen), dann heißt das höchstens, dass mich das Laufen gerade minimal weniger ankotzt als vorher.

Zurück zur 3-Brückentour...und zur Story.

Der Spaß ist so zwischen 8 und 9 Kilometer lang und entspannt flach (hab ich gelesen). Manche arroganten Spoxler mit nervtötendem Laufsport-Gen werden jetzt vielleicht sagen: "Easy! Kein Ding in unter 50 Minuten!"
Dazu hat man bei uns aufm Schulhof früher gesagt: Back dir'n Eis. Ich gehöre zur Fraktion Mensch die beim Clementine-schälen in Schweiß ausbricht. Insofern ist die Sache für mich schon recht ambitioniert.

Also, erster Schritt: Laufschuhe besorgen.

An sich bin ich ja eher so der Guerilla-Sportler. Wenns nach mir ginge, würde ich einfach meine alten grün-gelben Adidas Samba anziehen und einfach loslaufen. Da ich aber nicht gegen Technologie argumentieren kann und mir anständige Laufschuhe die Tortur sicher erleichtern, muss ich wohl investieren. Nicht in das Geilste und Beste und Teuerste, aber zumindest Anständige. Nike Flex sinds geworden. 70 Tacken. Sehn in schwarz-gelb wenigstens lässig aus (für Laufschuhe. Warum ziehen immer mehr Leute die Dinger im Alltag an?).

Nächster Schritt: Trainingsroute.

Rauchen, Alkohol und schlechte Ernährung haben meinen Körper schon zu nem großen Teil zerstört. Werden sie auch weiterhin. Allerdings kann ich natürlich jetzt nicht von 0 auf 100 diese bekackte 3-Brückentour losrennen ohne zu sterben. Deswegen muss ich kleine Brötchen backen. Also fang ich an zunächst 4 Kilometer in etwa 20 Minuten anzupeilen. Beziehungsweise erstmal überhaupt versuchen meinen Arsch hochzukriegen. Schön die Rheinallee entlang bis zum McDonalds (zufälligerweise die 2km-Marke. Es werden keine Burger geholt!) und wieder zurück.

Welcher Schritt fehlt? Richtig: Mucke!

Ich krame also meinen abgewichsten alten mp3-Player (4 Gigabyte; sieht aus wie n USB-Stick und hat quasi kein lesbares Display. Kinder von heute sind viel zu verwöhnt!) aus dem Auto und klatsch mir Arctic Monkeys' erstes Album auf die Ohren. Dachte mir, das wäre n fetter Soundtrack zum Laufen. Ich behielt recht.

Und los geht der Mist.

Der Anfang ist bekanntlich immer am leichtesten. Man fängt an zu Laufen und denkt sich: "Jo, so schwer ist das gar nicht", und rennt dabei mit Happy-Commerzbank-Werbung-Visage durch die Straßen und fühlt sich toll. So für einen Kilometer vielleicht. Dann merkt man, dass man die ganze Zeit nicht drauf geachtet hat im Rhythmus zu atmen. Fuck. Seitenstechen? So halb, aber wenn du jetzt anfängst anständig zu atmen kriegste das sicher noch in den Griff.

Der Schleim im Hals löst sich bemerkbar und man fängt an in 20-Sekunden-Abständen irgendwo hinzurotzen obwohl mans selbst kacke findet. Aber der Dreck muss halt raus. Mittlerweile ists auch schon verdammt anstrengend geworden zu laufen, aber man darf nicht aufgeben! Einfach einen Schritt nach dem anderen. Wo sind wir? Gleich 2 Kilometer? Du bist ne Schande, Murph!

Klar, aufgeben oder zumindest ne Gehpause machen kommt einem natürlich in den Sinn, aber es geht ja um alles! Um dein Menschsein! Dann kommt ne Fußgängerampel. Rot. Würd ich natürlich normalerweise entspannt ignorieren - ich bin jetzt nämlich Jogger. Allerdings stehn da die Bullen, die fänden das sicher nich so toll und im Wegrenn-Modus bin ich auch nicht grade. Die Versuchung stehen zu bleiben und durchzuatmen ist groß. Aber nein:

Super-Jogger-Move: auf der Stelle Laufen. Ich ziehs durch bis es grün wird. Stolz. Ich glaube ich bin ein Mensch. "No surrender! No chance of retreat!" dröhnt es in meinen Ohren. Ganz genau. Noch ein Kilometer.

Meine Atmung ist mittlerweile extrem rhythmisert. Schweizer-Uhrwerk-Style. Meine Körperhaltung erinnert allerdings mittlerweile mehr an Udo Bölts als an Commerzbank-Werbung. Udo Bölts war aber geil. Ich wär jetzt auch gerne gedopt. Aber erstmal heißts: "Quäl dich, du Sau!" Mach ich. Ich gucke nur noch auf meine Füße. Ein Schritt nach dem anderen. Ich rotze fast nur noch aber versuche es in den perfekten Einklang mit meinem Ausatem-Rhythmus zu bringen. Ekelhaft. Nur noch 100 Meter, dann ist gut. Seitenstechen entsteht trotz sorgfältiger Atmung. Zieht in Richtung Hals. Unangenehm. Egal. Weiter. Ein Schritt nach dem anderen.

Da ist mein selbstgestecktes Ziel.

Letzter Meter.

Ich bin Mensch!