Ungewissheit pflastert den Weg ins Jetzt. Hinterlässt Brandblasen an so manchem Fuß. Die Sonne am Horizont ist nur so lange warm, wie sie deine Haut berührt. Verschwindet sie, ist sie nie ganz weg, nur dort wo sich jemand anderes an ihr wärmen und erfreuen kann. Bis sie dann wieder in deine Richtung strahlt. Der unsichtbare Begleiter in der Nacht, ohne den der Mond niemals scheinen würde. Doch was ist sichtbar und was nicht. Gibt es das Unsichtbare? Gibt es Dinge, die vor unseren Augen passieren, obwohl wir es nicht sehen? Gibt es Dinge im Leben, die wir nicht im Stande sind zu kontrollieren?

Mit der Liebe verhält es sich wohl so. Allgemein mit jedem Gefühl, was sich in den Hirnwindungen des subjektiv Erlebenden zusammenbraut. Wir sind Opfer und sogleich reichlich beschenkt. Sind verliebt und wissen oft nicht warum. Reine Logik, das Schutzschild einer allwissenden Gesellschaft. Die Liebe zu einem Verein mag abzuleiten sein, der Funke, die Zuneigung, die man im Laufe der Zeit entwickelt, ist jedoch in keinem Fall garantiert. Der Tag folgt auf die Nacht. Immer und immer wieder. Der Rest bleibt Ungewiss.

Und wenn von jungen Stürmern von Zuneigung und Kontinuität gesprochen wird, dann ist das garstige Realität. Selbstverständlichkeit in einer selbstherrlichen Branche. Wenn nach tristen Wochen der Angst und Verzweiflung dann plötzlich doch eine erheiternde Zukunft in den Startlöchern steht, alles wie in einem Traum zu funktionieren scheint, dann sitzt die Zunge locker im Sattel. Ist das Gemüt erwärmt und offen. Wirst du dann von deinem Liebhaber bei anderen Vereinsbesitzern zum Kauf angeboten, bist du der Söldner. Ein Mittel zum Zweck. Verwertbares Kapital, das Werder mehr heute als vielleicht übermorgen von Nutzten ist. Ein Wechsel nach Leipzig nicht der Liebe zum altehrwürdigen Fußballtradition wegen, sondern der eigenen Karriere.

Nicht jedem gefällt das. Und es ist das gute Recht eines jeden dies auch so kundzutun. Doch sollte Kritik nicht produktiv sein, Kommunikation im Dialog betrieben werden und auch verbal der Respekt vor eines anderen Menschen Entscheidung erhalten bleiben? Selke hat niemanden verraten. Vielmehr sorgt er dafür, dass Werder Bremen auch 2015/2016 die Klasse halten kann. Sozialromantische Ideologie und medienwirksam gepushter Profisport passen nicht ins gleiche Bett. Ein Ledercase fürs iPhone, in einem veganen Restaurant. Wacht auf ihr Narren.

Doch wir träumen gerne. Von Europa. Von Reisen weit weg. In der Realität ist der Klassenerhalt greifbar, ist es möglich die letzte Saison zu toppen. Einen nächsten, kleinen Schritt zu machen. So wie wir es wollten, so wie es die großen Herren des Clubs mit uns vorhaben. Etwas, was noch vor wenigen Monaten undenkbar schien, ist nun Selbstverständnis und gleichzeitig Durst nach mehr. Der Abstand nach Europa scheint knapp. Hoffenheim zeigt keine Konstanz, erscheint verwundbar.

Und deshalb singen und tanzen wir. Die Hoffnung ist das letzte was bleibt. Ist der einzige Regentropfen am Ende des Sommers, der übrig blieb. Erst weckte er immer wieder die Hoffnung in uns einen Abstieg vermeiden zu können, erstklassig zu bleiben. Jetzt, wo es geschafft scheint, versuchen wir über den Horizont zu schielen. Zu erahnen, was noch möglich wäre und wo der nächste Tropfen sein Versteck gefunden hat. Wir strecken uns, stellen uns auf die Zehenspitzen. Es ist etwas auszumachen, da hinten in der Ferne. Aber dort ist die See rau, ist das Wetter unberechenbar und ohne Gnade. Auf den Zehenspitzen stehend werden wir fallen. Nicht nur auf den Hosenboden, sondern viel tiefer. Der lange Weg, die zahlreichen kleinen Schritte, alle wären sie umsonst gewesen. Wir würden uns selbst verlieren. Schon wieder. Ob sich der Verein ein weiteres Mal aufrichten kann, ist ungewiss. Eine Saison inklusive drei Wettbewerbe für eine Mannschaft, die aktuell an einem normalen Tag nicht über ein 0:0 im direkten Duell mit der Konkurrenz hinauskommt, wird fallen. Würde dem Druck der Zusatzbelastung nicht aushalten können und im schlimmsten Fall zerbrechen.

Der Kader, wie vor nicht allzu langer Zeit in Freiburg, erscheint nicht tief genug für einen solchen Ausflug. Europa kommt noch mindestens ein Jahr zu früh. Muss aber kommen, um die Hoffnung weiter am Leben zu halten, den Verein interessant für junge Leute zu machen, die dann, wie Selke, das weitere Überleben ohne Millionen von Extern sichern können. Das ist der Weg, den wir gehen. Es geht nicht darum mit anderen Vereinen mitzuhalten, sondern eine eigene Identität zu finden, zu perfektionieren und auch vor schmerzenden Veränderungen nicht zurückzuschrecken.

Wir waren dabei als sich ein Verein neu erfand und sich dabei auf Altbewährtes verließ. Mut war gefragt, mutig waren wir. Wir allein sind Herr der Lage. Nicht groß, aber selbstbestimmt. Ein seltenes Gut, dessen Wert oft verkannt wird. Möge die Raute auf Ewig im schönsten Grün erstrahlen.