Bald geht es wieder los.

Endlich.

Endlich eine neue Chance, mal wieder Erster zu werden. Egal wo. Irgendwo. In der Fairplay-Wertung, der Zahl der verkauften Weißwürste, der Rangliste der dicksten Fans. Hauptsache mal wieder Erster.

Das gehört doch zu unserer DNA. Es fühlt sich einfach falsch an, ständig den Anderen gratulieren zu müssen, irgendwie ungewohnt.

Aber jetzt steht ja die neue Saison endlich vor der Tür und wie sagt man so schön?

Neues Spiel, neues Glück.

Wobei das mit dem Glück ja so eine Sache ist. Lange habe ich dem ersten Spieltag mit sehr gemischten Gefühlen entgegengesehen. Bedenken, Zweifeln und immer einer latenten Anspannung unterlegt mit einem Hauch Fatalismus.

Aber es hat sich eben in den Gesetzen des Universums so einiges verschoben in den letzten Jahren. Spanier gewinnen seit neuestem ständig die EM und WM, Gottschalk muss in Rente und Max geht zu Neon. Zu Neon. Einem Magazin für picklige Germanistik-Studentinnen. Unfassbar. Nun ja, früher sind wir Bayern-Fans auch mit breiter, stolzgeschwellter Brust in eine neue Spielzeit gegangen.

Heute dagegen geht der Blick vor der neuen Saison schon reflexhaft in den fernen Ruhrpott, zu diesem unrasierten Harry Potter und seinem Team der jungen, erfolgshungrigen, sich-liebhabenden, knuddeligen, harmonischen, ja, zum aus der Haut-fahren sympathischen jungen Wilden.

Und das nagt eben an uns, dass wir ständig hinüberschielen müssen, dass wir zum ersten Mal seit langer Zeit nicht von der Pole Position, sondern von hinten starten.

Ja, so dachte ich armer Tropf, aber...

Aber es hat sich ja etwas geändert. Ein neuer, bisher unbekannter Parameter ist ins Spiel gekommen. Ein Parameter namens Sammer.

Ja, der grummelige Sammer, der immer so ernst schaut, dass man sogar vor dem Fernseher auf dem Sofa samt Bier unwillkürlich Haltung annimmt, der gerne über Führungsqualitäten und alte Fußballwerte fabuliert und einem das angenehme Gefühl gibt, dass doch nicht alles vor der Jahrtausendwende obsolet geworden ist.

Und so rattert es in unseren Köpfen:

Der wird den Laden endlich mal ordentlich ausmisten, in ein paar zu bequeme Hinterteile treten, ein paar Mütchen kühlen und Kompetenz, oh, was für ein schönes Wort, Kompetenz mitbringen.

Er soll den Charakter, die rücksichtslose, eisenharte Stärke wieder in die Mannschaft bringen, die uns in letzter Zeit abging und die richtigen, führungsstarken Spieler finden, die ein Elfmeterschießen im CL-Finale nicht in 13-jährige Mädchen verwandelt. Er soll die Zukunft formen, den Trainer finden, unser Schlüssel zur Rückeroberung der Vormachtstellung in der Buli werden.

Ja, der Arme soll und muss eine Menge. So viele Erwartungen, so viele Ansprüche.

Und auch ich hoffe und doch zweifle ich auch. Zu viel habe ich mit diesem Verein schon erlebt, zu viele Funken erlöschen, zu viele Spieler scheitern sehen. Beschwingte Reden auf Rathausbalkonen, leere Flaschen und zertretene Tonnen, brennende Häuser und zerbrochene Träume. Bei uns ist alles drin, immer, im Guten wie im Schlechten.

Die Realität ist so hart an der Säbener Straße, der Fall so nah, das Ende so schnell und gnadenlos.

Ich fürchte um Konflikte, um die Medien, das Wortverdrehen, die unvermeidlichen Niederlagen, die nagenden Zweifel. Ich fürchte, dass aus dem Funken kein loderndes Feuer, sondern ein weiteres Kapitel des Scheiterns werden könnte.

Doch im selben Moment wische ich die Furcht hinfort. Noch ist nicht der Moment für die Zweifel der Pessimisten, noch ist nicht der Moment für die kalte Realität, noch ist der Moment für Zuversicht, den ich genießen, ja, auskosten will.

Und deswegen sage ich auch: Diesmal nicht!

Fünfmal haben sie uns nun an der Nase durch die Manege gezogen, fünfmal gezeigt, dass ihr Kollektiv der eifrigen Renner und selbstlosen Talenten unseren egozentrischen, sensiblen Stars überlegen ist.

Nein, diesmal sind sie von Anfang an die Gejagten. Alle wissen das. Auch wenn es niemand zugibt. Zuletzt die Dortmunder. Sie üben sich in Understatement, in Bescheidenheit, das können sie so gut, auch das können sie so verdammt gut. Zum Verrücktwerden ist das. Aber jetzt steht auf der anderen Seite ja der Sammer. Keine „der Titel geht nur über uns"-Sprüche mehr. Nein.

Nur noch knurriges geknurrte Geknurre von harter Arbeit. Und ein paar blaue Ärsche. Mehr gibt’s nicht. Und das lässt hoffen.

Der Titel dieses Jahr geht nur über Dortmund. Sie gilt es zu schlagen. Und das tut weh. Außerordentlich weh. Es gibt wieder eine Mannschaft, die uns regelmäßig schlagen kann.

Dortmund...Dortmund...Dortmund...

Zwei Jahre piesakt dieser Name nun schon unsere Ohren, gnadenlos, unaufhörlich. Er quält uns, lässt uns rätseln, uns verzweifeln.

Aber jetzt reicht es. Genügend auf den Gegner geschaut. Genügend lamentiert, genügend vermutet. Dank Jogi wissen wir ja jetzt, wer zu viel auf den Gegner schielt, sieht am Ende gar nichts mehr und darf die Koffer packen. Und darauf haben wir dieses Jahr so gar keine Lust.

Nein, und zum Glück gibt es ja noch die Mannschaft, unsere Mannschaft und da stimmt mich einiges doch richtig zuversichtlich.

Ein Manuel Neuer, in dem ich am 19.5 einen Willen, eine Stärke, eine Größe gesehen habe, die ihn für mich hat unantastbar werden lassen. Der jetzt schon mehr Bayer ist, als so mancher, der das rote Trikot weit länger trug. Der dieses Jahr die Bälle an sich abprallen lassen wird, wie der Teufel das Weihwasser. Null Prozent Sorgen bei ihm. 100% Zuversicht.

Ein Badstuber, dem ich trotz seines jungen Alters und seines linkisch-tänzelnden Gangs absolutes Vertrauen schenke. Von dem ich mir Souveränität und Sicherheit erhoffe. Der Bursche spielt ja jetzt schon wie Lucio im besten Alter. Humorlos, abgeklärt, souverän. Der Kerl ist unsere Zukunft. Nur an seinen Interviews kann er noch arbeiten. Wobei, wenn ich es recht bedenke. Vergessen wir die Interviews, da haben wir ja schon einen Experten in der Mannschaft.

Ein Bastian Schweinsteiger, von dem ich überzeugt bin, dass er nach auskurierter Verletzung wieder an die starken Tage des letzten Jahres anknüpfen kann und von dem ich erwarte, dass er die schwarzen Stunden des 19. Mai in Ehrgeiz und Motivation umwandeln kann. Dass er das Trauma vom Mai überwindet und wieder so die Fäden zieht, wie zu seinen besten Zeiten. In der zweiten Reihe wartet dann ja auch noch unser grätschfreudiger Brasilianer, der sich diese Saison hoffentlich endlich stabilisiert und unser ukrainischer Mädchenschwarm, der nicht nur mit einem eigenen Koch, sondern auch eigenwilliger Zurückhaltung in gewissen, finalentscheidenden Momenten aufwarten kann.

Hier geht es weiter mit dem zweiten Teil.