11 Siege, 38 Tore, 34 Punkte - Die Bundesliga-Hinrunde 2011/12 hätte schlechter laufen können für den FC Schalke 04. Auch in der Europa-League überzeugte man als Gruppenerster und bekam in der Auslosung mit Pilsen und dem Sieger aus Twente gg. Bukarest nur schlagbare Gegner bis ins Viertelfinale. Schnell werden Rufe unter den Fans laut: Nach weiteren Siegen, nach den Eurofightern, nach der Champions League und natürlich nach dem Meistertitel.

Natürlich sind diese Hoffnungen verständlich - nach einer durchwachsenen bis schlechten letzten Saison, zu deren Abschluss der S04 von Platz 14 der Liga grüßte, ist wohl jeder zufrieden mit der Entwicklung der Mannschaft in dieser Hinserie. 'Sehr zufrieden' (Horst Heldt) sind auch die Verantwortlichen des Vereins mit der Art und Weise, wie sich das Team in dieser Saison präsentiert. Doch ist dieser Optimismus berechtigt?

Huub Stevens ist wohl von Natur aus ein Mensch, der gerne den Spielverderber gibt. 'Uns fehlt die Stabilität..', mahnte er nach dem 5:0 Sieg gegen Werder Bremen am 17. Spieltag, 'um ganz oben mitzumischen'. Faktisch hat Stevens mit dieser Formulierung nicht ganz Unrecht: Gegen den FC Bayern zeigte man sich zuhause chancenlos, eine weitere Niederlage mussten die Fans gegen einen Nachbarverein aus Lüdenscheid hinnehmen. Die absolute Tabellenspitze scheint einen Schritt vor dem S04 zu stehen. Auch unnötige Punktverluste wie im Eröffnungsspiel gegen den VFB Stuttgart (0:3) und im Heimspiel gegen Kaiserslautern (1:2) tragen ihren Teil hierzu bei.

Auch wenn die meisten Fans den S04 in der absoluten Tabellenspitze sehen, ist der Verein in dieser Saison 'nur' dritte Kraft in Deutschland - eine, angesichts des Umbruchs im Kader und in der Vereinsführung, beachtliche Zwischenbilanz. Der FC Schalke wird mittlerweile in der ganzen Republik für seine Offensive geschätzt und gefürchtet. Eine Offensive, die auch in der Rückrunde hilfreich für den Verein sein wird: Mit 38 Toren ist sie die zweitbeste der Liga und, nach dem FC Bayern, für die zweithöchste Anzahl an Punkten mitverantwortlich. Klaas-Jan Huntelaar kann sich berechtigte Hoffnungen auf die Torjägerkanone machen, Raul hat erneut 2-stellig in einer Hinserie getroffen (zum 12. mal in seiner Karriere!) und der Neuzugang Teemu Pukki hat gegen Hannover und Berlin bewiesen, dass er nicht nur gegen Königsblau treffen kann. Zudem gibt es mit Julian Draxler und Jose Manuel Jurado Spieler, die einerseits akzeptable Leistungen gezeigt haben, dabei aber immernoch sehr viel Potential nach oben vermuten lassen.

Auch aus dem Mittelfeld sind die Knappen in Form von Lewis Holtby torgefährlich (3 Tore in der Liga), aus der Viererkette stechen die 'gefährlichen Aussenverteidiger' (Lucien Favre) hervor. Christian Fuchs zeigt offensiv immer ansprechendere Leistungen (2 Tore, 4 Vorlagen) und Benedikt Höwedes geht immer öfter den Weg nach vorne an - bis jetzt mit nur einem Tor, allerdings spielt der Schalker Kapitän erst seit kurzem in seiner Rolle als rechter Verteidiger und wurde in dieser Saison zusätzlich auch auf seiner Stammposition - die des Innenverteidigers - eingesetzt.

Defensiv gibt es schon eher Anlass zur Kritik. 22 Gegentreffer in 17 Spielen sind definitiv zuviel, vor allem am Anfang der Saison (unter Ralf Rangnick) zeigten sich die Knappen defensiv anfällig. Oft täuschten starke Offensivleistungen über das schwache Abwehrverhalten hinweg (Rückspiel gg. Helsinki), funktionierte dieses Konzept aber nicht, geriet der FC Schalke immer wieder in brenzlige Situationen (Erste Halbzeit in Mainz, Hinspiel gg. Helsinki). Auch der Personalstand in der Defensive ist eher dünn, gerade in der Innenverteidigung gibt es wenig Alternativen zu Papadopoulos/Höwedes/Matip. Christian Fuchs macht, bei all seiner Qualität im Spiel nach vorne, defensiv einen manchmal wackligen Eindruck. Im Mittelfeld zeigt Holtby sich zeitweise ebenfalls defensiv verunsichtert, Jermaine Jones bessert diese Fehler zu oft mit Fouls wieder aus (7 Gelbe Karten).

Unter Huub Stevens, der als Defensivspezialist bekannt ist, besserte sich das Abwehrverhalten allerdings. Mit einer gezielten Vorbereitung unter Stevens im aktuellen Trainingslager in Doha sollte die Defensive weiter gefestigt werden, damit in der Rückrunde etwas öfter 'die 0 steht'.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Optimismus der Schalker Fans durchaus nicht unbegründet ist. Der FC Schalke 04 hat sich in der vergangenen Hinrunde als eine der Führungskräfte der Liga präsentiert und verfügt in der Vereinsführung und im Kader über das Niveau, diese Position auch zu halten - allerdings (in dieser Saison) knapp hinter dem FC Bayern und den ungeliebten Nachbarn. Die Bayern spielen 'in ihrer eigenen Liga' (Horst Heldt) und die Kicker vom Borsigplatz sind - so weh es tut - in ihrer mannschaftlichen Entwicklung doch noch einen Schritt weiter als die Knappen aus Gelsenkirchen.

Ein Saisonabschluss auf dem dritten Platz, der in dieser Spielzeit eine direkte CL-Qualifikation bedeutet, wäre daher ein großer Erfolg für den Verein und würde auch für Sportdirektor Heldt weiteren Spielraum schaffen, den Kader und die Infrastruktur des S04 zu verbessern. Mit einer besseren Defensivleistung und der erstklassigen Offensivabteilung um Huntelaar und Raul ist der FC Schalke auf dem besten Weg, diesen dritten Platz auch zu erreichen.

Und wenn nicht? Na, dann haben wir immernoch Raul. Glück auf!