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1. FC Nürnberg | Clubfans@Spox


Gründer: Schoolner | Mitglieder: 75 | Beiträge: 13
31.01.2011 um 14:11 Uhr
Geschrieben von Zielpublikum
Hecking küsst Dornröschen nicht
Dieter Hecking und Hans Meyer, zwei Erfolgstrainer beim FCN der jüngeren Zeit - und doch unterscheidet sie (Märchen-)Welten

Vor dem Viertelfinal-Aus auf Schalke zogen manche Gazetten schon die Vergleiche: Hecking in Meyers Spuren? Nicht ganz zu Unrecht sah mal gewisse Parallelen zwischen den beiden Trainern. Beide übernahmen den Club schließlich an einem Tiefpunkt - was beim FCN allerdings a) nicht sonderlich selten ist im Tiefpunkt-reichen Vereinsleben und b) auch in der Regel in der Natur der Sache liegt, denn meistens werden Trainer an Tiefpunkten gewechselt. Daher endet der Vergleich zwischen beiden Trainern nicht nur mit dem Ausscheiden aus dem Pokal auch schon wieder, er ist eigentlich von Grund auf nicht wirklich angebracht.

Hans Meyer war als Trainer vielleicht eine Inkarnation des FCN - und vielleicht war die Beziehung daher erst Recht so derart intensiv, wie die eines argentinisches Vollblut-Tango-Paares, auch wenn ein Schmunzeln ob des Vergleichs durchaus erlaubt ist. Man war sich im Grunde so ähnlich, dass es einfach zu einer unglaublich leidenschaftlichen Liaison kommen musste, eine Liaison, bei der es wie im Rausch der Sinne nur im Himmel eine Begrenzung gab. Bis man dann mal morgens aufwachte, sich im Zimmer umsah, die Flaschen wegräumen musste und die Wirkung des Rauschs mit ziemlich unangenehmen Folgen nachließ.

Mit Meyer schien alles erreichbar und das Unmögliche wurde wahr, man erhob sich wie Phoenix aus der Asche und hatte am Ende - kein Traum, pure Realität! - einen echten Pokal in der Hand, Man schlug im Finale den frisch gebackenen Meister und feierte mit zehntausenden Menschen auf den Straßen und zog dazu noch in den Europapokal ein - nicht gnadenhalber als Pokalsieger, nein, sogar ganz regulär als Tabellensechster.

Hans Meyer war wie der Prinz und der Club das Dornröschen. Als ob der Ruhmreiche nur lange geschlafen habe, ein Fluch ihn nur in sein Verderben gestürzt und sein Los als "Depp" zugeteilt habe, bis eben ein Prinz ihn davon erlöste. Es waren märchenhafte Zustände, eine traumhafte Zeit - bis die Realität grausam zurückkam. Der Rest ist Geschichte.

Hans Meyer war kein Träumer, auch wenn er einen Traum wahr werden ließ, seine Mahnungen zum Realitätssinn verklangen im Nürnberger Umfeld wie die Mahnungen von Eltern am Kindergeburtstag, doch nicht zu viel Süßes zu essen. Und als man merkte, dass alles eben kein Märchen wahr, sondern klugen taktischen und personellen Entscheidungen zu verdanken und der Erfolg ein Produkt auf einer Welle der Begeisterung schwebte, die Meyer einfach sehr lange aufrechterhalten konnte, und dass dieser Erfolg eben auch mal ein Ende haben würde, verlor man die Nerven. Man verkannte was Ursache und was Wirkung war, man feuerte den Prinzen, weil man glaubte Dornröschen sei jetzt ja wieder wach genug, um das Königreich wieder selbst in den Griff zu bekommen. Man fiel tief, aber das wenigstens kannte man ja schon, daher rappelte man sich wieder auf. Aus dem Traum wurde wieder Arbeit, ein Wiederaufstieg gelang mit einem finanziellen Kraftakt unter schwierigen Bedingungen. Der neue kleine Prinz hieß Oenning, aber Dornröschen war skeptisch und der Traum auch nicht so wirklich prickelnd - eine kurze Affäre mit einem jungen Liebhaber, dem man dann auch schnell den Laufpass gab, als man erkannte, dass er für so ein Königreich vielleicht doch noch zu unerfahren ist.

Soweit mit den literarischen Bezügen, man soll den Vergleich auch nicht überziehen, und die Wirklichkeit sah das wohl ähnlich. Mit Dieter Hecking kam ein Trainer, nicht mehr, nicht weniger. Kein Heilsbringer, keine Lichtgestalt, kein Konzepttrainer. Hecking ist Trainer, sachlich, ruhig, wenn es sein muss energisch und konsequent. Er hat keine neuen Wunderkonzepte in der Tasche, keine revolutionären Match-Pläne, keinen noch atemberaubenderen und noch radikaleren Jugendstil. Hecking hat die Mannschaft an neuralgischen Stellen im Rahmen der Möglichkeiten mit Erfahrung bestückt, wo diese fehlte, hat ein System gesucht, das zur Mannschaft und ihren Ansprüchen passte, und hat Spieler aussortiert, die einfach nicht mehr passten oder auch "zu viel" waren.

Hecking ist - und das ist gut so! - ein ganz normaler Trainer, vielleicht sogar einer der letzten Verbliebenen in dieser Liga. Unter Hecking gewinnt man, weil man sich das vorher erarbeitet hat, wie man gewinnen kann, und man verliert, wenn man zu viele Fehler machte oder der Gegner einfach besser war. Und wenn das Umfeld gerade wieder in Depression verfallen will, weil man mal 3 Spiele am Stück verliert, erarbeitet man sich eben wieder einen Punkt oder Sieg. Mit Hecking scheint Fußball so realistisch normal zu sein, ganz ohne Euphoriewellen und Sog der Abstiegszone, keine "typischen Dynamiken" - Fußball ist einfach nur Sport.

Und so wirkt die Mannschaft unter Hecking derzeit einfach authentisch - oder anders ausgedrückt: Sie ist einfach so gut, wie sie ist. Sie geht jedes Spiel sachlich und motiviert von neuem an und so ist man da, wo man wohl hingehört, so irgendwo zwischen 9 und 15. Talente deuten ihr Talent an, offenbaren aber auch die erwarteten Probleme, wie mangelnde Konstanz und dann und wann ein Einbruch. Und gestandene Spieler zeigen die Defizite, die man auch von ihnen erwartete. Wo einst unter Meyer noch so mancher zum Fußball-Gott über sich hinauswuchs, im Grunde ja fast eine ganze Mannschaft, scheint unter Hecking alles so ganz normal zu sein. Und das könnte in einer verrückten Liga sogar auf lange Sicht reichen, um sich wie erhofft einfach zu etablieren. So irgendwo zwischen ganz oben und ganz unten.

Ach ja, gerade hat man gegen einen Bundesliga-Dino gespielt. Gegen keine andere Mannschaft als den HSV hat man in der Bundesliga-Historie mehr Gegentore bekommen und dazu kam auch noch, dass der FCN 15 Mal in Serie nicht zu Null (Ligahöchstwert) gespielt hat. Und wäre das nicht genug: In 19 Partien hat man gegen den HSV zuletzt nur einmal gewonnen. Na und, geschenkt. Wen interessieren schon mystische Zahlenspielchen wo doch die Wahrheit am Platz liegt und ein Spiel 90 Minuten dauert. Also mal schön sachlich die Gunst der Stunde nutzen und den HSV mit 2:0 aus allen Träumen reißen. - Die suchen übrigens wohl weiter nach dem passenden Prinzen. Bewerbungen können in der Geschäftsstelle abgegeben werden - bitte nur seriöse Zuschriften.




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Aufrufe: 1686 | Kommentare: 3 | Bewertungen: 2 | Erstellt:31.01.2011
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Optimist
03.02.2011 | 01:36 Uhr
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Optimist : @ Zielpublikum
03.02.2011 | 01:36 Uhr
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Optimist : @ Zielpublikum
Doch, das liest sich durchaus als Kompliment. Ich wollte nicht so klingen, als ob ich das anzweifelte. An sich wollte ich das Kompliment nur bekraeftigen.

Ja, Hecking ist ein ernsthafter Trainer, der ohne Firlefanz auskommt und ganz uneitel die akribische Arbeit in den Vordergrund stellt. Dabei scheint er sowohl mit jungen Talenten als auch mit gestandenen Stars gut zurecht zu kommen. Ich denke, es ist schon eine besondere Leistung, einer Legende wie Mintal die harte Ersatzbank zu vermitteln und ihn dennoch so bei Laune zu halten, dass das dem Zusammenhalt und der Stimmung in der Mannschaft nicht schadet. Andere sind wohl nicht zuletzt auch daran gescheitert. Und er wird aus der Mannschaft als integer und zuverlaessig beschrieben, einer, der zu seinem Wort steht. Auch nicht mehr selbstverstaendlich in der heutigen Zeit. Auch das scheint bei seinem Vorgaenger Oenning nicht sonderlich ausgepraegt gewesen zu sein, zumindest hatte sich einst Mike Frantz entsprechend beschwert.

Das mit dem Verbrauchen ist ein generelles Problem, das vielleicht gerade extreme Trainertypen haben. Einen Magath oder auch Neururer haelt man vielleicht einfach nicht lange aus, einen sachlichen Typ wie Schaaf schon eher. Schaaf hat wohl die letzten Jahre auch immer von dem regen Wechsel der Stars in Bremen profitiert, dadurch wurden die Strukturen nicht so eingefahren. Vielleicht sind jetzt einfach einige Fuehrungsspieler schon zu lange da (Frings, Wiese, Merte), so dass die Auffrischung fehlt und der Abnutzungseffekt spuerbar wird. Ist meine Theorie, zumindest. Deswegen muss Magath auch die Mannschaft auswechseln. Lange haelt Quaelix keiner aus, das sieht man schon daran, wie kaputt Golfsburg seit Magath ist...

Hecking jedenfalls scheint sich nicht schnell abzunutzen, dafuer sprechen fast 3 Jahre H96. Er hat damit immerhin Vorgaenger wie Rangnick, Lienen und Neururer (gut, schlechtes Beispiel, der hat noch nie lange "gewirkt") weit ueberdauert. Wie lange es wohl beim Club vorhaelt?
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Zielpublikum
02.02.2011 | 18:01 Uhr
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Zielpublikum : @Optimist
02.02.2011 | 18:01 Uhr
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Zielpublikum : @Optimist
Ich hoffe es las sich auch als Kompliment: Er ist ein Trainer. Das "nur" will ich da gar nicht stehen sehen. Denn Trainer zu sein umfasst genau das, was du geschildert hast: Fachkunde, Anpassungsfähigkeit, Konstanz. Eben einfach ehrliche Arbeit, die auf fundierten Kenntnissen aufsetzen und eben nicht auf Tricks und Special Effects, die sich schnell auch verbrauchen.

Nichts desto trotz glaube ich, dass die Zeiten, in denen man mit einem Trainer lange arbeitet, vorbei sind - bzw. es ist höchst selten. Denn selbst wenn ein Trainer sich immer wieder neu erfinden kann, so fehlt irgendwann vielleicht doch mal der klare neutrale Blick auf eine verfahrene Situation, die nur ein unvoreingenommener haben kann. Bei Schaaf zum Beispiel könnte das erreicht sein.

Alternativ kann man natürlich aber auch die Spieler austauschen. Wie Magath das wohl vorhat.
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Optimist
02.02.2011 | 17:55 Uhr
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Optimist : 
02.02.2011 | 17:55 Uhr
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Optimist : 
Hecking scheint mir mehr als ein normaler Trainer zu sein, ein guter ist er allemal. Auch scheint er sich jeweils sehr gut auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen des jeweiligen Vereins einstellen zu können, lagen doch die Verhältnisse bei Aachen ganz anders als bei Hannover oder jetzt eben dem Club. Gemeinsam ist diesen Stationen aber, dass er überall gut zurechtkommt und erfolgreiche Arbeit leistet, die sich nicht - wie so oft bei namhaften Kollegen - schnell verbraucht. In Aachen wechselte er im Erfolg aus persönlichen Gründen, in Hannover hatte er die längste Amtszeit aller seiner Vorgänger - und bislang auch Nachfolger - und in Nürnberg ist die Geschichte - so scheint es - noch lange nicht zu Ende, derzeit ist man mit Hecking so erfolgreich, wie seit dem Pokalsieg nicht mehr.

Hecking ist nicht so schillernd in der Außenwirkung, aber genauso ein Glücksgriff wie einst Hans Meyer. Der neue Club unter der Handschrift Hecking / Bader macht einfach Lust auf mehr!
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