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EFFZEH


Gründer: midget | Mitglieder: 216 | Beiträge: 208
Von: gerosimo
18.11.2016 | 7709 Aufrufe | 5 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 10.0
Zum 25. Todestag von Maurice "Mucki" Banach
Haus der Geschichte
Am 17. November 1991 verunglückte der Stümer Maurice Banach tödlich. Eine persönliche Erinnerung von gerosimo.

Wenn es in den letzten Jahren zu Gesprächen kam, was ich im Zuge eines Besuches in Bonn besonders empfehlen könne, dann sagte ich sinngemäß Nimm Dir Zeit das Haus der Geschichte zu besuchen. Für mich persönlich ist das Haus der Geschichte eines der besten Museen, in denen ich je gewesen bin. Bei kostenfreiem Eintritt funktioniert es wie folgt: Nach einer Einleitung über den 2. Weltkrieg begleitet es Deutschland chronologisch durch seine Teilung über die Wiedervereinigung bis in die Gegenwart.

Von historischen Kuriositäten wie dem Gastgeschenk für den einmillionsten Gastarbeiter in Deutschland (ein Moped!) oder einem Stück Mondgestein der Apollo 12 Mission bis hin zu Teilen der Berliner Mauer findet sich dort sehr viel - zeitlich gestaffelt, Jahr für Jahr. Das hat den unweigerlichen Effekt, dass sich Geschichte, die man auf welchem Weg auch immer gelernt hat, und Geschichte, die man selbst in seinem eigenen Leben erfahren hat und an die man eigene Erinnerungen hat, überlappen und förmlich ineinander verschmelzen.

Nun ist es so, dass der 1. FC Köln reich an Geschichte und Geschichten ist. Es gibt viele Bücher, die von Legenden, Anekdoten oder Randnotizen handeln - bis hin zu Literatur, die diesen Namen sogar verdient. Allen effzeh-Fans ist der Gründungstag bekannt. Aus welchen Clubs der FC entstand, kriegen viele noch hin. Schwieriger wird es dann womöglich bei der Nennung der Unterzeichnenden unter der Gründungsurkunde. Betrittst Du also durch das imaginäre Haus der FC-Geschichte, so gäbe es wohl eine Einleitung über die Ursprungsvereine, über Franz Kremer und über das erste effzeh-Pflichtspiel gegen SuS Nippes 12.

Du spazierst entlang der ersten Westdeutschen Meisterschaft, begegnest der Meistermannschaft von 1962 oder der Schale vom Titel aus dem Jahr 1964. Frühergeborene haben daran vielleicht noch eigene Erinnerungen, ich befand mich da noch nicht einmal in Planung. Für mich kann das alles folglich nur gelernte Geschichte sein. Die ersten eigenen Erinnerungen habe ich (1969 geboren) an Heinz Flohe, das Fussball-Idol meiner Kindheit, und den DFB-Pokalsieg 1977. Den Meisterschaftskrimi 1978 mit bekanntem Ausgang habe ich live vorm Radio verfolgt. Hier beginnt folglich mein eigenes FC-Leben. Diese Momente mögen bei Dir andere sein, aber es gibt sie ähnlicher Weise - vielleicht sogar mit deutlich kleineren, persönlicheren Highlights.

Als ich 1989 stückweise nach Köln zog, durfte ich die Vizemeisterschaft unter Trainer Christoph Daum miterleben und sah Spieler wie Pierre Littbarski, Bodo Illgner, Olaf Janßen, Icke Häßler oder Falko Götz. Namen, die präsent sind, ohne dafür Wikipedia bemühen zu müssen. An meinem 21. Geburtstag, dem 18. August 1990, gab ein Neuzugang namens Maurice Banach sein Debüt im FC-Trikot. Der talentierte Stürmer hatte in den zwei Jahren zuvor seinen Durchbruch beim damaligen Bundesligisten SG Wattenscheid 09 geschafft und in 69 Ligaspiele 33 Tore erzielt. In einem Spiel, dass die Kölner 0:1 beim VfL Bochum verloren, wurde Banach eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt. Diese Partie mag zu dem Zeitpunkt für viele verhältnismäßig bedeutungslos gewesen sein - aber: Hey, es war mein 21. Geburtstag!

Und, ja, es sind diese Kleinigkeiten, die für einen FC-Fan von Bedeutung sind und die irgendeine Art von besonderer Verbindung schaffen. Fortan sollte ich Mucki mehr verfolgen als die anderen Spieler, die sich in der Startelf etablierten. Dass er sein erstes Tor auf dem Bökelberg erzielte und die Woche darauf gleich ein Doppelpack bei seinem Ex-Verein Wattenscheid schnürte, sorgte dafür, dass der Neuzugang zum Hoffnungsträger und Gesprächsthema wurde. Am letzten Wochenende vor meinem tatsächlichen Studienbeginn war der FC Bayern in Müngersdorf zu Gast. Ein Tor hat Banach vorbereitet, ein Tor selbst erzielt bei dem heute fast schon unglaublichen Endstand von 4:0 für die Geißböcke! Wäre meine finanzielle Lage damals eine andere gewesen, hätte ich mir wohl sein Trikot gekauft. So reichte es am fortgeschrittenen Sonntagmorgen zumindest für einen ordentlichen Kater.

Am Ende der Saison 1990/91 hatte Maurice Banach 31 Bundesliga-Spiele für den 1. FC Köln absolviert und 14 Tore erzielt - damit war er Top-Torschütze in einer Mannschaft, die die Saison auf Platz 7 der Bundesliga beendete. Zudem traf er viermal im DFB-Pokal, unter anderem zum 1:1 im Finale gegen Werder Bremen, welches die Domstädter letztendlich aber im Elfmeterschießen verloren. Wo und ob überhaupt ich an dem Tag war, weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Offenkundig war das also irgendwie trotz der Niederlage ein guter Tag.

Die neue Saison begann mit fünf Unentschieden äußerst merkwürdig. Mit der Niederlage am 6. Spieltag rutschte der 1. FC Köln auf den 16. Platz einer Liga ab, die im Jahr 1991/92 aus zwanzig Mannschaften bestand und aus welcher vier Teams absteigen sollten. Der berüchtigte Boulevard wurde also wach, zumal sich die Situation nicht besserte beziehungsweise auf skurrile Weise nicht änderte: Aus den ersten (sieglosen) dreizehn Partien resultierten elf Unentschieden. Dieses elfte Unentschieden, wieder am Wochenende vor dem Vorlesungsbeginn an der Uni, verfolgte ich im Müngersdorfer Stadion. Gegner war der MSV Duisburg, Endstand 1:1. Der FC stand weiterhin tabellarisch mit dem Rücken zur Wand - nur Mucki machte auf sich aufmerksam und erzielte stetig seine Tore: Immerhin war der von ihm erzielte Ausgleich kurz vor Schluss schon sein siebter Treffer in der laufenden Saison.

Statistisch hatten die Müngersdorfer 85% der Spiele nicht verloren, also musste es zwangsläufig besser werden. Wie Fans halt so sind. Nur das, was in solchen Fällen üblicherweise nicht passiert, passierte es wurde besser! In den nächsten drei Partien folgten zwei Siege (1:0 beim KSC, 5:0 gegen Werder, 1:1 in Rostock) und Köln stand immerhin schon auf Platz 10 der Tabelle. Auf den Tag zwei Jahre nach dem Mauerfall, also am 9. November 1991, war ich einer von 20.000, die an dem Nachmittag ein 4:1 gegen Fortuna Düsseldorf im Müngersdorfer Stadion erlebten. Im Tor des Gegners stand ein gewisser Jörg Schmadtke, zweifacher Torschütze und bei seiner Auswechslung gefeierter Held war Maurice Banach. Unvergessen!

Diese zwei Tore sollten die letzten im Leben des 24-jährigen bleiben. Diesen Gedanke sowie alles, was sich dem weiter anschließt, kann ich nur unter Tränen formulieren: Am 17. November 2016 - also gestern vor 25 Jahren - verunglückte Mucki tödlich auf dem Weg zum Geißbockheim auf der Autobahn A1 bei Remscheid. Darüber sollten aber bitte andere in anderen Medien schreiben.

Ich bewege mich wortlos weiter, in meinem FC-Haus der Geschichte. Danke für die Erinnerungen. Ruhe in Frieden, Maurice "Mucki" Banach!

Bemerkung: Es ist schwer bis nahezu unmöglich einen Artikel über Maurice Banach nicht mit dem Schock-Ereignis am 17.11.1991 zu beginnen. Es war ein erklärtes Ziel des Autors, dem unvergessenen Mucki an seinem 25. Todestag ausdrücklich anders zu begegnen.

(Originalveröffentlichung bei effzeh.com)

KOMMENTARE
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gerosimo
23.11.2016 | 07:50 Uhr
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gerosimo : 
23.11.2016 | 07:50 Uhr
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gerosimo : 
@Gilden:
Nun, da gibt es verschiedene Perspektiven und Optionen. Stellen wir uns doch einfach mal vor, wir wären in einem Debattierclub und ich stünde vor der Aufgabe die gewagteste These bzgl. des weiteren Rundgangs durch das Haus der FC-Geschichte zu vertreten. In diesem Fall würde ich die Geschichte in Kurzform wie folgt erzählen wollen:

Wir wissen alle, dass der effzeh die Saison 1991/92 mit dem tragischen Tod von Mucki Banach auf Platz 4 abgeschlossen hat. Das Team hat den Verlust also scheinbar gut verkraftet. Wohlbemerkt - scheinbar!

Bereits im Jahr darauf fiel der 1. FC Köln ins Mittelfeld ab und erholte sich nie mehr. Das logische Ende war der erste Bundesligaabstieg im Sommer 1998 und der Beginn einer Laufbahn als Fahrstuhlmannschaft. Eine langjährige Phase, die erst mit dem endgültigen Wiederaufstieg ins Oberhaus 2014 und (Spoiler!) der Meisterschaft 2018 enden sollte.

Ein nahezu identisches Schicksal erlitt Hannover 96 seit dem Freitod von Robert Enke. Von einer Mannschaft mit europäischen Ambitionen über die Niederungen der Bundesliga bis in die jetzige Zweitligazugehörigkeit. Geschichte wiederholt sich leider doch immer wieder.

Es war also alleine der Tod von Mucki Banach, der verhinderte, dass das Wimpel des 1. FC Köln bis in den Herbst 2016 hinein von lediglich drei Deutschen Meisterschaften geziert wird und der effzeh bis heute nicht die verdiente Anerkennung als Deutscher Rekordmeister erhalten hat.

Wenn ich mir aber vorstelle, dass Hannover 96 demzufolge jetzt wohl grad Champions League spielen würde, wird das Eis der Argumentation ggfs. doch etwas brüchig ...

Dennoch wiederholt sich Geschichte letztendlich doch: 25 Spielzeiten nach dem Tod von Maurice "Mucki" Banach steht der 1. FC Köln wieder auf Platz 4 der Fussball-Bundesliga!
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Gilden
21.11.2016 | 20:16 Uhr
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Gilden : 
21.11.2016 | 20:16 Uhr
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Gilden : 
Ich frage mich wie wohl dein Rundgang im Haus der FC-Geschichte weiter verlaufen wäre, wäre Mucki an diesem unsäglichen Tag nicht gestorben. Sehr schöner Text!
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gerosimo
20.11.2016 | 13:20 Uhr
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gerosimo : 
20.11.2016 | 13:20 Uhr
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gerosimo : 
@Voegi:
Ich hatte Dir ja angekündigt, dass es von mir wieder Texte im "gerosimo-Style" geben würde. Dass nun grad der Tod von Mucki Banach die Premiere sein wird, hatte ich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht geplant.
Es freut mich, dass Dir der Text zusagt und Dich Deinen Erinnerungen als "Beinahe-FC-Fan" näher gebracht hat.

@Karrramba:
Danke für Dein tolles Feedback!
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich beim Schreiben eines Blogs jemals so schlecht und unsicher gefühlt habe wie genau diesem.
Die Fragestellung an mich selbst war: Darf ich das, was ich da grad probiere bzw. umsetze? Eine Einleitung thematisch fernab vom Kern wählen und die eigentliche Tragödie bis auf eine kurze Erwähnung außen vor lassen? Eine unsagbar schwere Entscheidung, zumal es nicht irgendein Thema ist sondern ein extrem persönliches.
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Karrramba
MODERATOR
19.11.2016 | 10:46 Uhr
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Karrramba : 
19.11.2016 | 10:46 Uhr
0
Karrramba : 
Deine Gedanken und Erinnerungen gehen zu Herzen. Danke für die wunderbar verfasste , kleine Geschichtsstunde.
Im übrigen hat es geklappt... Du hast einen Spieler des 1. FC Köln portraitiert und ihn damit geehrt - thats it - großartig
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Voegi
MODERATOR
18.11.2016 | 12:34 Uhr
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Voegi : 
18.11.2016 | 12:34 Uhr
0
Voegi : 
sehr schöner text.
kann mich noch an den november-sonntag erinnern, als wolf-dieter poschmann in der zdf-sportreportage die meldung seines todes verkündet hat. hat mich sehr geschockt und bewegt. ein toller fußballer, der viel zu früh gegangen ist...
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