Leider zeigt jede Transferperiode aufs Neue lediglich ein altes Bild: Verträge sind nicht mehr als lustige, gedruckte Buchstaben auf Papier. Die Halbwertszeit eines Profi-Vertrags ist meist nicht wesentlich länger als die Haltbarkeit eines Liter Milchs in prallem Sonnenschein.
Zwei Fälle, zwei Perspektiven unterstreichen diese These : Es geht um Bastian Schweinsteiger und Julian Draxler. Draxler, mit 22 Lenzen noch am Anfang seiner Karriere steht beim VFL Wolfsburg unter Vertrag. Dies seit einer Saison, sein Arbeitspapier ist bis zum 31.6.2020 datiert. Das sind knapp vier Jahre. Oder 1.420 Tage ab Verfassungsdatum dieses Blog-Eintrags. Draxler hat, wie er öffentlich bekannt gab, keinerlei Ambitionen, diesen Vertrag zu erfüllen. In einem Interview mit einer sehr bekannten deutschen Zeitung sagte er, dass er seit der EM (das sind stattliche 26 Tage) mit Trainer Hecking in Kontakt stand. Zitat gefällig? "Hecking weiß seit drei Wochen Bescheid." Hier kann man schon von blanker Ironie reden, dass bei einem unterschriebenen 5-Jahres-Vertrag ohne jegliche Ausstiegsklausel offenbar drei Wochen ausreichen sollten, um Verantwortliche davon zu überzeugen, den talentierten Fussballer, der seit gerade mal einem Jahr für den eigenen Verein spielt, ziehen zu lassen. Der Höhepunkt der unbedachten Äußerungen Draxlers ist wohl allerdings folgende Aussage:
"Mir wurde bei meinem Wechsel im August 2015 mündlich zugesichert, dass ich den Verein verlassen kann, wenn sich dazu Möglichkeiten ergeben."
Mir widerstrebt es fast, das zu kommentieren, aber: Echt jetzt? Ich wechsle den Verein um beim neuen Arbeitgeber aber direkt klarzustellen, dass ich doch bitte bei nächstbester Gelegenheit auch ja wechseln darf? Falls Draxler mit diesen Aussagen Druck auf den Verein ausüben wollte, ging dieser Schuss wohl gehörig nach hinten los. Und dies absolut zurecht.
Auf der anderen Seite: Bastian Schweinsteiger. Mit 32 Jahren nicht mehr ganz am Anfang seiner Karriere. Nennen wir es mal "Frühherbst". Vertrag bei Manchester United. Seit knapp einem Jahr ist er bei den Reds, sein Kontrakt läuft bis zum 30.6.2018. Also noch zwei Jahre. Dieser Spieler bekommt nun gesagt, er solle bitte seinen Spind bei den Profis räumen. Bei Benefizspielen darf der 120-fache Nationalspieler immerhin einen Platz auf der Tribüne einnehmen. Ansage von Trainer Jose Mourinho: Keine Minute werde er für Manchester United spielen unter seiner Regie. Sicherlich, es ist das Recht eines jeden Trainers zu entscheiden, wen er aufstellt. Schweinsteiger aber hatte nach der EM noch nicht mal die Chance, sich zu beweisen. Das Training in Manchester fing für Schweinsteiger nach der EM am 27.7. an. Da stand wohl für Mourinho schon alles fest. Dass Schweinsteiger noch einen Vertrag über knapp 700 Tage hat, ist nicht von Relevanz. Und die Art, wie Mourinho dem 32-jährigen mitteilte, dass er keine Rolle mehr spielte, ist in etwa so professionell wie die Aussagen eines gewissen J. Draxler.
Wie das Schauspiel um Schweinsteiger und Draxler enden wird, ist weiterhin unklar. Trotz der ungleichen Situationen ist aber eins klar: Es scheint fast egal zu sein, welche Seite mit dem aktuellen Vertrag unzufrieden ist. Denn wirklich bindend sind Verträge ja offenbar nicht. Und wer weiß, vielleicht sind solche verträumten Ansichten eines Fans, der sich mit seinem Verein identifiziert ja auch das einzige, was in der heutigen Welt des Fußballsports noch von Dauer sind.