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EFFZEH


Gründer: midget | Mitglieder: 216 | Beiträge: 208
Von: Gilden
23.02.2016 | 9318 Aufrufe | 7 Kommentare | 9 Bewertungen Ø 9.0
Ein Auszug aus dem Fanleben eines FC-Fans
Es muss die wahre Liebe sein
Aus dem Leben eines FC-Fans in den Mitzwanzigern

Im Leben gibts für jedermann, zwei Dinge die man sich nicht aussuchen kann, seine Familie, denn die ist schon vorher da, und seinen Fußballclub, traurig aber wahr, so sang es einst die erfolgreiche Kölner Acapella Gruppe Wise Guys. Für den Verfasser dieses Textes hängen beide Dinge wohl untrennbar miteinander zusammen, hat dessen Vater doch einst das Real Madrid des Westens in glorreichen Zeiten der 60er und 70er live miterleben dürfen und Spieler wie Overath, Weber, Flohe und Schnellinger zujubeln können und so seine Liebe und Passion zum 1.FC Köln gefunden. Bei der Geburt seines Sohnes im Jahre 1989 erlebte dieser Verein so etwas wie eine Renaissance. Unter einem jungen Trainer namens Christoph Daum und einer Mannschaft mit Spielern wie Thomas Häßler, Pierre Littbarski und Thomas Allofs war der Effzeh der einzige Meisterschaftskonkurrent von Bayern München. Unvergessen die legendäre Auseinandersetzung zwischen Daum, Heynckes und Hoeneß im aktuellen Sportstudio. Dass dies das letzte Intermezzo des Vereins in höheren tabellarischen Regionen sein würde, konnte damals wohl niemand ahnen, erst recht nicht der frischgebackene Vater. Und so übertrug er den Virus Effzeh auf seinen Sohn.

In den darauffolgenden Jahren führten mehrere Ereignisse zum Absturz des 1.FC Köln in die Bedeutungslosigkeit des deutschen Fußballs. Missmanagement des damaligen Präsidenten Atzinger-Bolten, der bis heute ungeklärte Verbleib der Hässler-Millionen und der tragische Unfalltod von Maurice Mucki Banach ließen den einst glorreichen FC zunächst in die Tristesse UI-CUP (auch Knochenbrecher-Cup genannt) abrutschen. Zu der Zeit nahm der Vater den mittlerweile 4-jährigen Sohn erstmalig mit ins Müngersdorfer-Stadion. Trotz eines eher mauen Kicks gegen den MSV Duisburg, den der FC mit 1:0 durch ein Tor von Patrick Weiser gewann, war das Interesse des Jungen am Sport Fußball und dem Effzeh nun endgültig entfacht. Anmeldung im Fußballclub, erstes Training im Trikot vom österreichischen Bomber Toni Polster, jeden Samstagnachmittag WDR2 Konferenz im Radio hören und dabei den Ball gegen die Garage bolzen. Doch während der FC tabellarisch Mitte der 90er stets weiter nach unten wanderte, schwang sich ein Verein nördlich angrenzend an Köln dank Millionenzuwendungen eines Chemieunternehmens zur nationalen Nummer 2 auf. Auf dem Bolzplatz, in der Grundschulklasse und im Fußballverein sah man neben dem Trikot mit dem Geißbock nun auch mehr und mehr Trikots mit zwei Löwen und einem Kreuz auf der Brust. Gerade das Örtchen Odenthal, in den es die junge Familie verschlagen hatte, ist Teil des Einzugsgebietes des Vereins, der jüngst durch einen bockigen Trainer und einem Sportdirektor in Rumpelstilzchen-Manier für Aufsehen gesorgt hat.

Ende der 90er Jahre fand der schleichende Niedergang des FC seinen ersten Höhepunkt und gipfelte im ersten Abstieg. Während der FC in der Saison 98/99 in den Niederungen der 2. Liga rumdümpelte, spielte Bayer Leverkusen um die Meisterschaft. Zu der Zeit kam der Junge auf die weiterführende Schule und musste feststellen, der einzige Jünger des Geißbocks zwischen all den anderen Sündern zu sein. Zwar bildeten sich Freundschaften, doch der mittlerweile zweiwöchentliche Besuch des Stadions erfolgte ohne Klassenkameraden. Während der FC in den 9 Jahren weiterführender Schule zwischen erster und zweiter Liga pendelte, musste der Junge viel Hohn und Spott seiner Mitschüler über sich ergehen lassen. Lediglich im Frühjahr eines fast jeden Jahres hellte sich seine Miene auf. Denn eine deutsche Fußballweißheit besagt, sprießt die Tulpe aus der Zwiebel spielt der Bayer richtig übel. Und so konnte er sich stets hämisch auslassen, wenn der Verein vom Autobahnkreuz mal wieder am letzten Spieltag die Meisterschaft verloren hatte, stets jedoch einhergehend mit einigen blauen Flecken. In den gesamten 9 Jahren war es dem jungen allerdings vergönnt, einen Sieg seiner Mannschaft gegen Leverkusen Montagsmorgens im Klassenzimmer zu zelebrieren. Die Wochen nach diesen Spielen waren daher oft die schwierigsten im Schuljahr.

Dem Jungen, mittlerweile herangewachsen zum jungen Mann, waren außer den Aufstiegen Erfolge seines Vereins somit bis zu seiner Volljährigkeit fremd. Und immer wenn er dachte, jetzt könnte es aufwärts mit dem Verein gehen (2005 mit einem großen Talent Lukas Podolski, 2007 mit der Verpflichtung von Christoph Daum, 2011 mit dem Engagement eines sehr sympathisch wirkenden dänischen Trainers), stürzte dieser noch eklatanter ab als zuvor. 2012 drohte dann gar der Supergau, der fünfte Abstieg des Vereins war besiegelt, das Präsidium um den Sonnenkönig Wolfgang Overath machte sich in einer Nacht- und Nebelaktion von dannen und hinterließ einen Schuldenberg von über 30 Mio. Euro und die Südtribühne des Kölner Stadions versank in einem schwarzen Nebel, passend der Gefühlslage des jungen Mannes. Der Kölner Boulevard unkte bereits, ob eine mögliche Insolvenz ins Haus steht und der junge Mann bereitete sich darauf vor, seinen Verein gegen SSV Bergisch Gladbach 09 zu unterstützen. Heute hat man jedoch das Gefühl, dass 2012 die Talsohle gewesen sein könnte.

Ausgerechnet die Ernennung eines ehemaligen Managers des Chemieunternehmens aus der Stadt mit L scheint ein Wendepunkt für den Effzehs gewesen zu sein. So schafften es Werner Spinner und seine Co-Präsidenten Ritterbach und Schuhmacher nicht nur, fähige Leute wie Finanzjongleur Alexander Wehrle aus Stuttgart und Kadermanager Jörg Jakobs aus Hannover zu verpflichten, sondern auch eine Aufbruchsstimmung zu entfachen. Nach dem letzten Abstieg setzte man bewusst auf die eigene Jugend und schmiss Spieler wie Timo Horn oder Jonas Hector ins kalte Wasser. Nach einem Übergangsjahr unter Holger Stanislawski verpflichtete man zudem einen bis dato unbekannten österreichischen Trainer vom dortigen Überraschungsmeister Austria Wien. Zunächst wurde die Verpflichtung von Peter Stöger von vielen in und um Köln als sehr kritisch betrachtet, war die Ablöse für einen Trainer für einen Verein mit beachtlichen Schulden doch relativ hoch und die Halbwertszeit von Trainern in Köln bekanntlich sehr gering. Dass dieser Trainer sich anschickt, die Kölner Ikone Hennes Weißweiler als längsten Vereinstrainer der Geschichte abzulösen, zeigt, dass diese Kritik unberechtigt war. Stöger hat ein Händchen im Umgang mit dem Kölner Boulevard und versteht es, keine Unzufriedenheit innerhalb des Kaders aufkommen zu lassen. Sein kongenialer Partner Jörg Schmadtke, ebenfalls kurz nach Stöger verpflichtet, schafft es zudem mit begrenzten finanziellen Mitteln überwiegend sinnvolle und qualitätssteigernde Transfers zu tätigen. Neben der Verpflichtung von Spielern mit Kölner Affinität wie Marcel Risse oder jüngst Marco Höger, liegt vor allem das Augenmerk auf jungen Spielern mit Weiterentwicklungspotenzial. Der FC sieht sich mittlerweile wieder als Ausbildungsverein, und hat sich Mannschaften wie Borussia Mönchengladbach zum Vorbild genommen, die es geschafft haben Transfererlöse zu erzielen und so die Mannschaft peu a peu verstärken konnten.

Der junge Mann, mittlerweile mit dem Studium fertig und berufstätig, wurde vor der aktuellen Saison vermehrt von Freunden aus der ehemaligen Schule angesprochen. Das erste Mal hat er nicht den arroganten Ton oder einen mitleidigen Blick bei Gesprächen über die jeweiligen Lieblingsvereine wahrgenommen. Das erste Mal seit seinem Fandasein meint er Respekt bzw. gar ein bisschen Angst in den Gesprächen rauszuhören. Ein überragender Saisonauftakt und ein seit der Rückrunde deutlich variableres Angriffsspiel lassen vermuten, dass der FC unter Stöger kurz davor ist, den nächsten Schritt zu machen. Die erste Halbzeit im Derby gegen Mönchengladbach war daher sehr ernüchternd und brachte alle euphorisierten Kölner Fans nach dem Sieg gegen Frankfurt zurück auf den Boden der Tatsachen. Doch dies zeigt, dass das Anspruchsdenken der Fans und auch des Trainers und das der Mannschaft ein anderes ist als noch vor einem Jahr. Der junge Mann und Verfasser dieses Textes hofft, dass es die Verantwortlichen schaffen, mit dem Team in naher Zukunft diesen nächsten Schritt zu machen, vielleicht schon am Freitag gegen die Hertha. Sollte dies nicht klappen, so hat mein persönliches Fan-Leben doch gezeigt, dass der gemeine FC Fan entgegen aller kursierenden Vorurteile durchaus auch geduldig sein kann. Und sollte es sich in den nächsten Jahren doch herausstellen, dass die aktuelle Phase des FC nur ein Zwischenhoch ist, so drückt ein Karnevalshit aus diesem Jahr von den Paveiern das aus, was für mich persönlich als auch für viele meiner langjährigen Leidensgenossen gilt und warum ein trikot mit den zwei Löwen und dem Kreuz für mich auf der Brust nie in Frage kam und kommen wird. Leev Marie, ich bin kein Mann für eine Nacht, leev Marie, das habe ich noch nie gemacht, leev marie, es muss die wahre Liebe sein, für eine Nacht bleibe ich lieber allein.

Come on Effzeh!

ø 9.0
KOMMENTARE
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ausLE
MODERATOR
03.03.2016 | 20:49 Uhr
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ausLE : 
03.03.2016 | 20:49 Uhr
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ausLE : 
man sollte sofort kommentieren, wenn man einen Blog gelesen hat und nicht später, sorry

Es freut mich sehr @Gilden, daß Du in die großen Fußstapfen von midget, Gero und Co diesen Blog geschrieben hast.
Denn ich kann nur sagen: einfach Ü-ber-ra-gend!!

Verdiente 10 Punkte für den Blog!!

Ich vergebe ja selten einen Dauem, aber bei Karre und BT kann ich nicht anders
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dani_89s
01.03.2016 | 12:19 Uhr
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dani_89s : 
01.03.2016 | 12:19 Uhr
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dani_89s : 
Sehr schön geschrieben!!! Der Schluss mit dem Paveier Lied war der krönende Abschluss.
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Gilden
27.02.2016 | 13:57 Uhr
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Gilden : 
27.02.2016 | 13:57 Uhr
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Gilden : 
Merci bayerntime, bei dem überschwänglichem Lob werde ich schon fast rot im Gesicht , auch danke an denjenigen der diesen Blog ohne Kommentar mit 1 bewertet hat, fundierte Kritik ist immer hilfreich...
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Bayerntime
26.02.2016 | 20:03 Uhr
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Bayerntime : 
26.02.2016 | 20:03 Uhr
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Bayerntime : 
Ein Klasse Blog!
Wollte ihn eigentlich erst morgen lesen aber da es über den FC geht ( bin seit knapp 1,5 Jahren mit großen Sympathien zu dem Verein und gönne euch jeden Erfolg ! ) bin ich doch schwach geworden.
Und ich muss sagen das es kein Fehler war. Im Gegenteil.
Ein Super Blog den man sehr gut lesen kann.
Man hat ja , wie du geschrieben hast, noch die Zeiten um Overrath und Daum im Kopf.

Und nun spielt Köln einen Klasse Fußball und hat 2 Top Leute in der Führrungsetage die den Verein ungemein nach vorne bringen.

Wirklich klasse Arbeit.
Ich habe mir auch die Freiheit genommen deinen Blog bei Twitter zu teilen !
Ich hoffe das er oft gelesen wird.

Klasse Arbeit. Man kann es nicht oft genug sagen.
Und natürlich 10 Punkte !
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Gilden
26.02.2016 | 18:49 Uhr
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Gilden : 
26.02.2016 | 18:49 Uhr
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Gilden : 
Zunächst einmal vielen Dank für das positive Feedback von euch beiden! Ursprünglich habe ich mich hier bei Spox angemeldet, als taneu, midget, tmv und CO. spox gerockt haben und hier als User Meisterniveau hatten. Leider oder zum Glück ist die Entwicklung der FC-Gruppe hier auf Spox gegenläufig zu der Entwicklung des Vereins. Vllt. gibts es ja den ein oder anderen hier auf Spox den ich durch mein limitiertes Geschreibsel motivieren kann auch einen Beitrag zu leisten. Denn durch die BVB vs FCB Entwicklung auf dieser Seite bin ich eigentlich nur noch stiller Mitleser im NBA und NFL Bereich...
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Karrramba
MODERATOR
26.02.2016 | 18:38 Uhr
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Karrramba : 
26.02.2016 | 18:38 Uhr
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Karrramba : 
Klasse dass du wieder etwas Leben in die Gruppe bringst Gilden,
ausserdem ist das Teil echt gut geschrieben, vieles kann ich wirklich gut nachvollziehen. Köln ist auf einem richtig guten Weg und du sagst es ja auch - wenn alle geduldig bleiben und auch kleinere Rückschläge akzeptiert werden, dann wird es unweigerlich weiter aufwärts gehen. Es gibt augenscheinlich ein vielversprechendes Konzept..
Als Stöger bei Euch unterschrieben hat , hatte ich im Urlaub ein richtig feines Gespräch mit einem .. na sagen wir mal Hardcore Effzeh Fan
Der war im grunde froh , dass es Veränderungen geben wird, hatte aber noch etwas bedenken wegen der Finanzierung Stögers.. Kleinigkeiten halt.. ich wette jetzt grad wird er auch zufrieden zurückgelehnt vor dem TV sitzen und auf das Spiel gegen die Hertha warten.
Jedenfalls finde ich nur eines noch besser als die Derbys zwischen Gladbach und Köln : Derbys zwischen unseren Vereinen auf Augenhöhe , möglichst im oberen Drittel der Tabelle. In diesem Sinne: Viel Erfolg weiterhin.
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Wes
25.02.2016 | 11:37 Uhr
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Wes : 
25.02.2016 | 11:37 Uhr
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Wes : 
Schön geschrieben ! Könnte auch meine Geschichte sein. In Kölle geboren in BGL die Schulzeit verbracht vom Vater die Liebe zum Effzeh erlernt. Das waren tatsächlich harte Zeiten damals :D Hat wirklich Spaß gemacht zu lesen! Es geht bergauf !
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