19.09.2011 um 04:05 Uhr
Geschrieben von adriano0589
Die Methode Heynckes
Der 2:0-Sieg auf Schalke war der achte Sieg zu Null in Folge für den FC Bayern, der unter Jupp Heynckes seine Defensive enorm verbessert hat. In der Liga steht die Tabellenführung mit 18:1 Toren zu Buche, in der Champions League gab es ein souveränes 2:0 beim FC Villarreal. Aber wie funktioniert das System Heynckes? Was sind die Mittel, und was der Output am Ende?
1. Das Zentrum dicht machen, Zweikämpfe gewinnen
Letztes Jahr ein echtes Problem: Ballverlust, und der gegnerische Konter. So setzte es die bitteren Niederlagen in Hannover und gegen Dortmund in der Rückrunde. Dabei elementar waren die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, sowie die fehlende Kompaktheit im Zentrum.
Copyright ESPN Soccernet
Die durchschnittliche Mannschaftsaufstellung im Spiel gegen Hannover zeigt genau das: große Abstände zwischen der Offensivreihe und dem zentralen Mittelfeld, sowie große Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr.
Dem wirkt Jupp Heynckes schrittweise entgegen, wobei klar eine Entwicklung innerhalb dieser Saison festzustellen ist, vom ersten Spieltag bis zum Spiel auf Schalke, wobei die Partie gegen Königsblau den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung darstellt, was die Aufteilung der Mannschaft und die Kompaktheit angeht.
Copyright ESPN Soccernet
Die Offensivreihe agiert dabei fast auf einer Linie, spielt also eine Art variables 4-2-4/4-2-3-1 und ist weiter zurück gezogen. Die zentralen Mittelfeldspieler dagegen sind etwas weiter nach vorne gezogen. Das hat zur Folge, dass die Abstände verkleinert wurden und somit die Gefahr, einen Konter durch die Mitte zu kassieren, deutlich verringert ist.
Außerhalb der taktischen Komponente hat die Mannschaft auch an ihrer Aggressivität und Zweikampfstärke gearbeitet. So gewann Bayern bisher in jedem Liga-Spiel, außer der Partie in Wolfsburg (46.7%) in jedem Spiel über 50% der Zweikämpfe. Von 51.7% (auf Schalke) bis hin zu 58.9% (Hamburg). Auch die Foulstatistik ist für Bayern ungewöhnlich hoch, in fast allen Spielen bisher in etwa gleich mit der Zahl der Fouls, die von den Gegnern begangen wurden.
Auffällig ist bei den statistischen Werten auch die Laufleistung. Bei den Spielen, bei denen die Mannschaft sich noch deutlich schwerer tat, musste eine größere Laufleistung erbracht werden und wurde auch erbracht (gegen Gladbach: 116.6 km; in Wolfsburg: 155 Sprints). Beide Werte wurden im weiteren Saisonverlauf bisher nicht mehr überboten.
2. Variables Positionsspiel
Unter Louis van Gaal waren die Positionen für Gewöhnlich in Stein gemeißelt. Die Spieler hatten eher wie Roboter die Positionen zu besetzen und eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen.
Copyright ESPN Soccernet
Wie man anhand Riberys Heat Map gegen Hannover in der vergangenen Saison sieht, klebte er förmlich auf seinem linken Flügel, ohne die Positionen zu rochieren.
Dass eine freiere Handhabung des Positionsspiels sich lohnen kann, war bereits unter Interimstrainer Andries Jonker am Ende der vergangenen Saison zu sehen - und wird in dieser Saison immer deutlicher. Die Positionen müssen gehalten werden, aber nicht zwangsläufig von einem Spieler.
So spart man, durch fließende Übergaben, nicht nur Kraft in der Rückwärtsbewegung, man verwirrt auch den Gegner und spielt variabler. Deutlich wird das angesichts Ribery Heat Map gegen Schalke.
Copyright ESPN Soccernet
Ebenfalls Kroos' Bewegungsradius beim FC Villarreal macht diese neuen Bewegungsfreiheiten, die mit ständigen Positionswechseln einhergehen, mehr als deutlich.
Copyright ESPN Soccernet
3. Schnelles Umschalten - 3-4-3?
Die dritte entscheidende Änderung unter Heynckes ist das schnellere Umschalten, das von den Schalker Spielern nach der Partie auch mehrfach betont wurde.
Die Grafik zeigt eine typische Situation unmittelbar nach der Balleroberung in der Münchner Defensive. Lahm steht sehr hoch, und kann sofort Ribery hinterlaufen und somit Höwedes dazu bringen, aus der Innenverteidigung zu rücken, um Uchida zu unterstützen, wodurch Schalke sein defensives Zentrum stark öffnen und Risiko gehen muss.
In der Abwehr steht in dem Moment eine Dreierkette, verursacht durch die hohe Stellung Lahms.
Copyright ESPN Soccernet
Bei längerem eigenem Ballbesitz rückt auch Rafinha weiter nach vorne (s. Grafik "Average Position vs. Schalke"), und so haben beide offensiven Flügelspieler mehr Freiheiten, auch nach innen zu ziehen.
4. Fazit/Ausblick
Heynckes hat in seiner viermonatigen Amtszeit bereits viel bewegt und an vielen richtigen Schrauben gedreht. Gleichzeitig hat die Mannschaft das dominante Auftreten der van Gaal-Ära aufrecht erhalten, so hatte man auch auf Schalke wieder 60% Ballbesitz und 472 angekommene Pässe (Topwert gegen Freiburg: 602 angekommene Pässe, 90.5%).
Das kompaktere Auftreten ist elementar und die Abwehr, der Mannschaftsteil, dem Heynckes in der Sommerpause deutlich die größte Aufmerksamkeit geschenkt hat, hat sich erstaunlich schnell eingespielt.
Wie wird es jetzt weiter gehen? Das kompaktere Auftreten muss noch besser werden, beispielsweise indem die Innenverteidiger höher stehen und somit noch mehr am Spielaufbau beteiligt werden - auch um selbst mal mit einem Pass das gegnerische defensive Mittelfeld zu überbrücken.
Insgesamt ist die Entwicklung der Mannschaft überraschend schnell und vielversprechend, auch wenn selbstverständlich noch Rückschläge kommen werden. Die nächsten großen Prüfungen warten ja bereits: Am 27. September ist Manchester City in der Allianz Arena zu Gast.
1. Das Zentrum dicht machen, Zweikämpfe gewinnen
Letztes Jahr ein echtes Problem: Ballverlust, und der gegnerische Konter. So setzte es die bitteren Niederlagen in Hannover und gegen Dortmund in der Rückrunde. Dabei elementar waren die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, sowie die fehlende Kompaktheit im Zentrum.
Copyright ESPN Soccernet
Die durchschnittliche Mannschaftsaufstellung im Spiel gegen Hannover zeigt genau das: große Abstände zwischen der Offensivreihe und dem zentralen Mittelfeld, sowie große Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr.
Dem wirkt Jupp Heynckes schrittweise entgegen, wobei klar eine Entwicklung innerhalb dieser Saison festzustellen ist, vom ersten Spieltag bis zum Spiel auf Schalke, wobei die Partie gegen Königsblau den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung darstellt, was die Aufteilung der Mannschaft und die Kompaktheit angeht.
Copyright ESPN Soccernet
Die Offensivreihe agiert dabei fast auf einer Linie, spielt also eine Art variables 4-2-4/4-2-3-1 und ist weiter zurück gezogen. Die zentralen Mittelfeldspieler dagegen sind etwas weiter nach vorne gezogen. Das hat zur Folge, dass die Abstände verkleinert wurden und somit die Gefahr, einen Konter durch die Mitte zu kassieren, deutlich verringert ist.
Außerhalb der taktischen Komponente hat die Mannschaft auch an ihrer Aggressivität und Zweikampfstärke gearbeitet. So gewann Bayern bisher in jedem Liga-Spiel, außer der Partie in Wolfsburg (46.7%) in jedem Spiel über 50% der Zweikämpfe. Von 51.7% (auf Schalke) bis hin zu 58.9% (Hamburg). Auch die Foulstatistik ist für Bayern ungewöhnlich hoch, in fast allen Spielen bisher in etwa gleich mit der Zahl der Fouls, die von den Gegnern begangen wurden.
Auffällig ist bei den statistischen Werten auch die Laufleistung. Bei den Spielen, bei denen die Mannschaft sich noch deutlich schwerer tat, musste eine größere Laufleistung erbracht werden und wurde auch erbracht (gegen Gladbach: 116.6 km; in Wolfsburg: 155 Sprints). Beide Werte wurden im weiteren Saisonverlauf bisher nicht mehr überboten.
2. Variables Positionsspiel
Unter Louis van Gaal waren die Positionen für Gewöhnlich in Stein gemeißelt. Die Spieler hatten eher wie Roboter die Positionen zu besetzen und eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen.
Copyright ESPN Soccernet
Wie man anhand Riberys Heat Map gegen Hannover in der vergangenen Saison sieht, klebte er förmlich auf seinem linken Flügel, ohne die Positionen zu rochieren.
Dass eine freiere Handhabung des Positionsspiels sich lohnen kann, war bereits unter Interimstrainer Andries Jonker am Ende der vergangenen Saison zu sehen - und wird in dieser Saison immer deutlicher. Die Positionen müssen gehalten werden, aber nicht zwangsläufig von einem Spieler.
So spart man, durch fließende Übergaben, nicht nur Kraft in der Rückwärtsbewegung, man verwirrt auch den Gegner und spielt variabler. Deutlich wird das angesichts Ribery Heat Map gegen Schalke.
Copyright ESPN Soccernet
Ebenfalls Kroos' Bewegungsradius beim FC Villarreal macht diese neuen Bewegungsfreiheiten, die mit ständigen Positionswechseln einhergehen, mehr als deutlich.
Copyright ESPN Soccernet
3. Schnelles Umschalten - 3-4-3?
Die dritte entscheidende Änderung unter Heynckes ist das schnellere Umschalten, das von den Schalker Spielern nach der Partie auch mehrfach betont wurde.
Die Grafik zeigt eine typische Situation unmittelbar nach der Balleroberung in der Münchner Defensive. Lahm steht sehr hoch, und kann sofort Ribery hinterlaufen und somit Höwedes dazu bringen, aus der Innenverteidigung zu rücken, um Uchida zu unterstützen, wodurch Schalke sein defensives Zentrum stark öffnen und Risiko gehen muss.
In der Abwehr steht in dem Moment eine Dreierkette, verursacht durch die hohe Stellung Lahms.
Copyright ESPN Soccernet
Bei längerem eigenem Ballbesitz rückt auch Rafinha weiter nach vorne (s. Grafik "Average Position vs. Schalke"), und so haben beide offensiven Flügelspieler mehr Freiheiten, auch nach innen zu ziehen.
4. Fazit/Ausblick
Heynckes hat in seiner viermonatigen Amtszeit bereits viel bewegt und an vielen richtigen Schrauben gedreht. Gleichzeitig hat die Mannschaft das dominante Auftreten der van Gaal-Ära aufrecht erhalten, so hatte man auch auf Schalke wieder 60% Ballbesitz und 472 angekommene Pässe (Topwert gegen Freiburg: 602 angekommene Pässe, 90.5%).
Das kompaktere Auftreten ist elementar und die Abwehr, der Mannschaftsteil, dem Heynckes in der Sommerpause deutlich die größte Aufmerksamkeit geschenkt hat, hat sich erstaunlich schnell eingespielt.
Wie wird es jetzt weiter gehen? Das kompaktere Auftreten muss noch besser werden, beispielsweise indem die Innenverteidiger höher stehen und somit noch mehr am Spielaufbau beteiligt werden - auch um selbst mal mit einem Pass das gegnerische defensive Mittelfeld zu überbrücken.
Insgesamt ist die Entwicklung der Mannschaft überraschend schnell und vielversprechend, auch wenn selbstverständlich noch Rückschläge kommen werden. Die nächsten großen Prüfungen warten ja bereits: Am 27. September ist Manchester City in der Allianz Arena zu Gast.
Aufrufe: 5510 | Kommentare: 8 | Bewertungen: 9 | Erstellt:19.09.2011
ø 9.7
KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
20.09.2011 | 20:57 Uhr
0
Die Grafiken und Heat Maps kommen von:
http://soccernet.espn.go.com/?cc=5739
@Srudi
Sehe ich ähnlich, wie auch in meinem Fazit erwähnt. Ich denke, ein Schritt dafür wäre, die Innenverteidiger im Durchschnitt noch weiter vorne zu postieren und so eben noch kompakter zu stehen, gerade wenn man offensiv presst. Die Entwicklung insgesamt ist aber auf jeden Fall positiv!
0
20.09.2011 | 18:54 Uhr
0
Srudi : Guter Blog
Sehr verständlich erläutert, gute Bildauswahl!!Ich sehe noch Bedarf bei der Kompaktheit. Ich hatte das Glück, beim Audi-Cup Barca beim arbeiten zuzuschauen und es wahr augenscheinlich, wie gut alle 11 Spieler verschoben haben! Wenn ich jetzt die Bayern-Spiele sehe, allerdings nur im TV, merke ich zwar das gute Umschalten und das gute Verschieben, aber die Fläche, die alle 10 Feldspieler einrahmen, ist besonders nach Ballverlusten noch zu lange zu groß. Zugegebenermaßen sind wir nicht der FC Barca, da wir aber verstärkt auch in der gegnerischen Hälfte Pressing betreiben, würde ein erhöhte Kompaktheit das Ertrag zu Aufwand Verhältnis verbessern.
0
20.09.2011 | 18:42 Uhr
0
Lufdbomp : Bärenstark,
so wie derzeit die Bayern auf dem Feld.Wo hast Du denn diese Bilder her? Gibts da ne Seite?
Ist super interessant, wie sich das innerhalb eines halben Jahres entwickelt hat.
0
20.09.2011 | 10:29 Uhr
0
Beeindruckend!
Vorallem auch deshalb, weil du für so eine diffizile Geschichte, wie eine Taktikbetrachtung, nie die Aufmerksamkeit der der ganz großen Masse erhalten wirst!
Very well!
0
MODERATOR
19.09.2011 | 20:17 Uhr
0
Voegi :
sehr starke analyse!!! wunderbar zusammengefasst und auf den punkt gebracht. habe inhaltlich nix zu ergänzen.super beitrag - auch für unsere gruppe. gerne mehr davon!!!
0
COMMUNITY LOGIN
Statistik
Neueste Kommentare
Und für mich persönlich auch schön, wenn die eigene, etwas gröbere Wahrnehmung beim schauen der Spiele, durch Graphiken und Stats untermauert und sogar erweitert wird.