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Spox-Wintersport


Gründer: Maxi_FCB | Mitglieder: 32 | Beiträge: 14
Von: Dolo
14.12.2015 | 9314 Aufrufe | 3 Kommentare | 5 Bewertungen Ø 7.6
Legenden des Wintersports
Die Legende Bernhard Kröll
Bernhard Kröll, eine Ikone des zweiten Blickes

Als Laura Dahlmeier im finnischen Kontiolathi mit der deutschen Fahne die Ziellinie überquerte, war die Freude in Biathlon-Deutschland groß. Nach drei Jahre Durststrecke holten die DSV-Damen wieder Gold bei einer Weltmeisterschaft. Vor allem bei einem Mann im tiefsten Bayern dürfte die Freude groß gewesen sein. Wie seine genaue Reaktion war, ist nicht überliefert. Vielleicht fuhr er hupend durch die 2000 Seelen Gemeinde Krün, vielleicht schnitt er auch eine neue Kerbe in seinen Spazierstock, es dürfte die 4. gewesen sein oder er machte das, was er immer macht: schweigsam genießen.

Wenn man im Internet nach dem Namen Bernhard Kröll sucht, so findet man nicht besonders viel: Da wäre eine Seite vom Zoll-Team: Informationen zu seiner Person ist hier aber genauso Mangelware, wie auf anderen Seiten. Dann gibt es noch viele Links zu gegebenen Interviews, jedoch war er selbst nie das Thema sondern er hat immer über andere gesprochen. Und dieser Mann soll eine Legende des Wintersports sein, über dem man so gut wie keine Informationen erhält?

Der Meistertrainer

Bernhard Kröll ist Ende 30, verheiratet, Vater von zwei Kindern und Biathlon-Trainer. Früher hat er selbst aktiv Biathlon betrieben, für die ganz große Karriere hat es aber nicht gereicht. Er arbeitete beim Zoll und kümmerte sich ehrenamtlich um die Betreuung von jungen Biathlontalenten. Mit 22 traf er eine Person, die seinen Namen Bundesweit bekannt machen sollte oder anders formuliert er traf eine Person, die er weltberühmt machte. Magdalena Neuner war 11 Jahre alt, als sie in die Trainingsgruppe von Kröll kam. 14 Jahre gemeinsames Training brachten 2-mal Olympiagold, 12 Weltmeisterschaft-Titel, 3-mal den Gesamtweltcup und 47 Weltcupsiege hervor.

Mit 25 Jahren wurde Kröll zum hauptamtlichen Biathlon-Trainer im Skigau Werdenfels befördert. Er betreute die Sportler ab dem Alter von 12 Jahren. Auch dies begann er zu nächst Ehrenamtlich. Für seinen Aufwand gab es am Anfang 176 Mark Benzingeld. Diesen Posten hat er immer noch inne und betreut sowohl die Junioren als auch die Senioren. Da Kröll der einzige Trainer ist, landen die Talente aus der Region zwangsläufig bei ihm.

Wie zum Beispiel Neuner oder aktuell Miriam Gössner und Laura Dahlmeier. Hinzu kommen Athletinnen wie Nadine Horchler oder Maren Hamerschmidt, die Weltcupsstarts her vorzeigen können. Doch bevor all die Athleten unter Kröll in den Weltcup debütierten, trainierte er eine andere große Dame des deutschen Biathlons. Martina Beck (ehemals Glagow) gehörte genauso, wie die anderen Damen zur Trainingsgruppe Werdenfels, die sich jeden Sommer in der Talentschmiede Kaltenbrunn und Umgebung auf den Winter vorbereiten.

Die Trainingsgruppe Werdenfels

Wir haben deutschlandweit mit Sicherheit die schlechtesten Trainingsbedingungen hier beschrieb einst Martina Beck ihren Trainingsstützpunkt. Wenn man den Vergleich mit dem Stützpunkt in Ruhpolding wagt, der mit der Chiemgauarena Top Trainingsmöglichkeiten bietet, zum Beispiel in Form eines vernetzten Rollerbahnsystem, dann möge man Beck recht geben. In Kaltenbrunn besteht das Biathlon-Zentrum im Sommer aus einer Kuhweide. Erst im Herbst werden dann die Schießanlagen aufgebaut, von den Sportlern persönlich. Jedoch benötigen sie Strom, der nicht vorhanden ist, weshalb Kröll jedes Jahr Autobatterien anschließt. Ebenfalls sucht man vergeblich nach Sanitären Einrichtungen. Immerhin gibt es eine Umziehgelegenheit, extra aufgebaute Container, 6 mal 2,5 Meter groß.

Ein anderes Problem ist die nicht vorhandene Rollerbahn. So muss der Sportler durch die Buckelwiese fahren und auch auf dem Asphalt muss er sich diesen mit dem anderen Verkehr teilen. So kann es schon mal vorkommen, dass ein Armeefahrzeug den Weg kreuzt, welches zu dem nahliegenden Militärstützpunkt möchte. Wo liegt dann das Geheimnis von Kaltenbrunn, dass es trotz dieser bescheidenen Mittel immer wieder Spitzenleute hervorbringt?

Es mag vielleicht trivial klingen, aber der Trainingsort punktet mit seiner unverwechselbaren Idylle. Für einen Außenstehenden mag es wohlmöglich schwer zu verstehen sein, für die Sportler ist die Umgebung jedoch einzigartig. Man muss verstehen, dass diese Sportler Werte, wie Heimat-oder Naturverbundenheit groß schreiben. Oft genug hat Magdalena Neuner die Bedeutung ihrer Heimat beschrieben: Die schöne Landschaft, das Heimatgefühl. Ich fühle mich in dem 4700-Einwohner-Ort einfach wohl. Hier ist es gemütlich und ruhig, das genieße ich besonders nach dem Stress beim Weltcup. Das idyllische Paradise gibt den Sportlern die Kraft für den schweren Winter. Oder wie Martina Beck es gesagt hat: Die landschaftlich schönste Trainingsstätte Deutschlands.

Und dann wäre ja auch noch die Person Bernhard Kröll, der andere große Trumpf der Werdenfelser-Trainingsgruppe. Dieser muss notgedrungen auf unkonventionelle Trainingsmodelle zurückgreifen, die aber zu einen Erfolgsmerkmal geworden sind. Da die Kapazitäten sowohl beim Trainerteam als auch beim Trainingsort beschränkt sind, trainieren Senioren und Junioren gemeinsam unter der Leitung von Kröll. Diese ungleich gemischte Truppe ist wahrscheinlich Deutschlandweit einmalig, bietet aber eine Chance. So konnte schon Neuner mit ihren Idol Martina Beck zusammen trainieren, eine Laura Dahlmeier hatte die Gelegenheit von einer Neuner zu lernen und junge Athleten haben wiederum jetzt die Möglichkeit sich mit der Weltmeisterin Dahlmeier zusammen auf die Saison vorzubereiten.

Für die jungen Sportler ist der Vorteil offensichtlich. Von den ganz Großen zu lernen, ihre Trainingseinstellungen und Abläufe abzugucken bietet einen einmaligen Mehrwert. Aber auch für die arrivierten Sportler bietet das Trainingsmodell einen Nutzen. Wenn man nach einer langen Weltcup-Saison nach Hause kommt, vielleicht als Weltmeister oder gar als Olympiasieger, dann weiß man spätestens beim Trainingsstart woher man kommt. Man erinnert sich an die Anfänge, man erkennt sich in den jungen Sportlern wieder und weiß Erfolge und Berühmtheit richtig einzuschätzen.

Der Kröllische Weg

Geführt und geformt wird die Gruppe von Kröll. Man erkennt, dass er keinen Halt vor unkonventionellen Methoden macht, um seinen Weg durchzubringen und um seine Sportler bestmögliche Bedingungen zu geben. Es ist nicht nur das Trainingsmodell, das Krölls Weg auszeichnet, es geht darüber hinaus. Die Trainingsmethoden und Praktiken von Kröll waren zumindest in jüngster Vergangenheit beim DSV neuartig. Im September letzten Jahres attackierte Neuner in der Augsburger Allgemeinen die Trainingsmethoden des DSV. Sie nannte sie veraltet und verkrustet. Dabei wird auch deutlich, welche Rolle Kröll für Neuner gespielt hat. So sagte sie: Wenn ich so trainiert hätte, wie da [beim DSV] gefordert wird, wäre ich nicht so erfolgreich gewesen. Ich war immer ein Querdenker und habe mit meinem Heimtrainer Bernhard Kröll alles genau anders gemacht, wie die anderen.

Auch Kröll ist ein Querdenker, wahrscheinlich hat Neuner dies von ihm übernommen. Er hat sich mutmaßlich beim DSV keine Freunde gemacht, indem er immer wieder seinen Kopf durchgebracht hat, jedoch macht er dies mit der Überzeugung das Beste für den Sportler zutun. Wenn man sich die Karriere von Neuner ansieht, dann kann man sagen, dass es zumindest bei ihr funktioniert hat.

Man kann die Bedeutung Kröll für Neuner und seine anderen Schützlinge an einem Beispiel gut veranschaulichen: Als Neuner sowohl 2010 als auch 2011 den Saisonauftakt aufgrund von Krankheiten verpasste, wollte sie ihre Saisonvorbereitung umgestalten. Sie sagte das gemeinsame Trainingslager der Nationalmannschaft im finnischen Muonio ab. Sie trainierte lieber Zuhause, sie trainierte lieber bei Kröll. Beim Saisonauftakt war sie nicht nur gesund, sondern auch in Top-Form. Nach dem ersten Weltcuport führte sie schon in der Gesamtwertung.

Kröll weiß, was für seine Sportler gut ist und wann etwas schlecht ist. Es entwickelt sich ein blindes Verständnis. Kröll interpretiert seine Aufgabe so, dass er seine Sportler schützt. Dass Neuner nicht schon mit zarten 16 Jahren im Weltcup debütierte, wie es der DSV vorhatte, ist mit Sicherheit auch einen Teil Kröll zu zuschreiben, genauso wie das langsame Heranführen von Dahlmeier ans Weltcupteam nach ihren Bergunfall letztes Jahr.

Fernab der großen Bühne

Trotz der großen Erfolge seiner Sportler, ist der Name Bernhard Kröll der breiten Öffentlichkeit fremd, wenn wohl er in Biathlon-Kreisen schon länger bekannt ist. Es liegt vor allem daran, dass er selbst nie den Weg in die Öffentlichkeit sucht. Wenn einer seiner Schützlinge ein Erfolg vorweisen kann, wie zuletzt Dahlmeier, dann gibt er gerne ein Interview, sonst hält er sich zurück. Auch im Winter, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, die Ernte aus dem Sommer einzufahren. Kröll war in all den Jahren nur bei 2 Weltcups selbst vor Ort. Die Kommunikation mit seinen Sportler gelangt vor allem über SMS. Wenn ein großer Erfolg stattgefunden hat, dann greift Kröll zum Hörer und ruft an.

So musste Kröll schon öfters zum Hörer greifen. Für einen Posten im Nationalteam hat es dennoch nicht gereicht. Vielleicht hat es zwischen den DSV und Kröll Gespräche gegeben, wenn ja, dann ist dies nicht überliefert. Gut möglich ist es, dass der DSV eine Zusammenarbeit mit einem Querdenker, wie Kröll sich nicht vorstellen kann. Vielleicht, und das ist noch wahrscheinlicher, hat Kröll gar nicht die Ambitionen auf einen höheren Posten. Seine Arbeit mit seiner Trainingsgruppe, bei dem ihn keiner reinredet, dürfte ihn mehr Zufriedenheit geben, als einen Posten unter Aufsicht des DSVs.

Einmal hat Kröll dennoch die große Bühne betreten, gewiss nicht seinetwegen. Der Anlass war der Sieg von Magdalena Neuner zur Sportlerin des Jahres, bei der Kröll die Laudatio hielt. So stand er vor ihr und hielt seine Rede. Er im Anzug, sie im Abendkleid. Es war eine befremdliche Situation für zwei Personen, die sonst so vertraut miteinander sind. Trotz der sympathischen Art, die Kröll ausstrahlte, war sein Auftritt für das ZDF wohl eine kleine Enttäuschung. Rudi Cerne wollte von Kröll wissen, was Neuner wohl jetzt empfinde. Kröll antwortete analytisch, dass sie nach all den Wettkämpfe müde aussehe. Katrin Müller-Hohenstein präsenszierte dann die Frage und wollte wissen, ob sie heute glücklich sei. Ja ich denke schon. Es folgte ein Einspieler über Neuners Erfolge, indem Kröll sang und klanglos von der Bühne verschwand.

Er ist nicht der Mann, für die großen Scheinwerfer. Das muss er auch nicht sein. Vielleicht gibt es auch nur zwei Arten von Trainer. Die einen geben im Winter Sieger-Interviews und die anderen arbeiten im Sommer mit den Athleten. Ein guter Biathlet wird bekannter weise im Sommer gemacht. Ein guter Biathlet wird bei einem Trainer, wie Bernhard Kröll gemacht, eine Legende des Wintersports.

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KOMMENTARE
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Dolo
15.12.2015 | 16:27 Uhr
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Dolo : 
15.12.2015 | 16:27 Uhr
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Dolo : 
Danke euch beiden

Denke auch, dass Kröll mit seiner aktuellen Arbeit viel mehr bewegen kann als wenn er irgendwas anderes macht. Als Zuschauer sieht man nun mal nur den Erfolg der Athleten und nicht die Personen, die dahinter stehen und mit dafür verantwortlich sind. Von daher soll dieser Text auch eine kleine Hommage an all diese, die im Hintergrund hervorragende Arbeit leisten,sein. Stellvertretend steht Bernhard Kröll dafür.
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Lauch24
14.12.2015 | 21:14 Uhr
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Lauch24 : 
14.12.2015 | 21:14 Uhr
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Lauch24 : 
Sehr starkes ding! Meine 10 punkte hast du. Kompliment. Hab vorher nich nie von ihm gehört. Das hat sich jetzt dank dir geändert!
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Maxi_FCB
14.12.2015 | 14:13 Uhr
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Maxi_FCB : 
14.12.2015 | 14:13 Uhr
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Maxi_FCB : 
Wow, ganz, ganz, ganz hervorragender Blog. Ich ziehe meinen Hut!

Ich gehöre auch zu denen, die diesen Namen noch nie zuvor gehört haben, aber dank deinem Text hier bekommt man wirklich einen guten Eindruck von seinem Charakter, aber auch von seiner Wichtigkeit für den deutschen Biathlonsport.
Ich weiß garnicht, ob man hoffen sollte, dass er vielleicht mal einen höheren Posten beim DSV bekommt, schließlich sollte man eine offensichtlich so gut arbeitende Funktionseinheit nicht auseinanderreißen, zumal man sich in den Wirren des institutionalisierten Verbandswesen schnell verhedddert und verbraucht.
Da kann man nur hoffen, dass auch in Zukunft noch einige Juwele unter seine Fuchtel geraten

Nochmals: Toller Blog und cool, dass deine Serie reaktiviert wurde. 10er!


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