"Aber es gibt Sachen, die lassen sich nie mehr zurückführen. Deshalb sage ich heute: Es gibt im Leben Schlimmeres als ein verlorenes Fußballspiel."
- Klaus "Banne" Urbanczyk, HFC Legende.
Klaus Urbanczyk, ein Mann der für den Fußball lebte. Doch was veranlasste den 34-fachen A-Nationalspieler der DDR zu dieser Aussage?
Wir schreiben das Jahr 1971.
Der HFC Chemie erreicht zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte einen internationalen Wettbewerb. Bereits im Jahr 1962 konnte sich der SC Chemie Halle für den Europapokal der Pokalsieger qualifizieren, man schied jedoch gegen OFK Belgrad aus.
Aufgrund der Umstrukturierung im Ostfußball wurde am 26. Januar 1966 der HFC Chemie gegründet. Vier Jahre später schloss man die Saison in der DDR Oberliga auf Platz 3 ab, womit eine Teilnahme am UEFA-Cup möglich wurde. Als Gegner bekam man es nun mit dem PSV Eindhoven und Guus Hiddink zu tun. Der wohl bekannteste Name im Team war zu diesem Zeitpunkt Spieler. Trainer war der deutsche Kurt Linder.
Im Hinspiel erkämpften sich die Hallenser vor 35.000 Zuschauern im ausverkauften Kurt-Wabbel-Stadion ein 0:0. Positiv gestimmt reiste man nach Holland, wo am 29.09.1971 das Rückspiel ausgetragen werden sollte.
Jedoch ahnte niemand, dass das Spiel nicht stattfinden würde.
Es ereignete sich die schlimmste Katastrophe in der Geschichte des Halleschen Fussball Club. Die Mannschaft war im Eindhovener Hotel "TsilvereZeepard" untergebracht. Gegen 05:00 Uhr am Morgen platzte eine Gasleitung und Feuer breitete sich aus. Schreie und zerbrochene Glasscheiben weckten Klaus Urbanczyk. Er stürmte aus seinem Zimmer, reagierte geistesgegenwärtig und rettete sich und andere Hotelgäste mit einem Sprung aus 8 Metern das Leben. Beim Aufprall erlitt er schwere Schnittverletzungen, die ihn fast das Leben kosteten.
"Und dann hab ich das Bewusstsein verloren und nur immer gerufen: 0 Rhesus Faktor positiv. Und das hörte da ein Arzt" - Klaus Urbanczyk
Doch Einer hatte nicht so viel Glück. Nachwuchsspieler Wolfgang Hoffmann verstarb. Der damalige HFC-Vorsitzende Hans Schmidt über den Tod Hoffmanns:
"Die besondere Tragik dieses frühen Morgens beim Brand im Hotel Seepferdchen bestand auch darin, dass der junge Wolfgang schon mit seinen Sportkameraden aus dem Zimmer war und auf dem Weg nach draußen. Er kehrte aber noch einmal um und wollte seine Sachen holen, dabei ereilte ihn dieser tragische Tod."
Insgesamt verloren an diesem Morgen elf Menschen ihr Leben. Der HFC sagte das Spiel ab und die Eindhovener zogen kampflos in die nächste Runde ein, doch dies war nur Nebensache.
In der damaligen Ostdeutschen Sportzeitung "Die Neue Fußballwoche", kurz FUWO, fand Chefredakteur Klaus Schlegel durchaus treffende Worte:
"Sich auf dem Spielfeld zu bewähren, das war dem HFC in Eindhoven nicht möglich. Sie bestand indes eine weit höhere, schwierigere Form der Bewährung. Und der Ausdruck - Helden - ist durchaus angebracht, war selten so berechtigt wie in diesem Fall. Wer die Katastrophe mit der Mannschaft erlebte, wer die Spieler während des Brandes und in den Stunden danach beobachtete, mit ihnen zusammen war, darf sich dieses Urteil wohl erlauben. Und Roland Nowotny, Peter Klemm, Rainer Langer, die auch andere Gäste retten halfen, sie machten keine großen Worte darum."
20 Jahre nach dem Unglück folgte nur noch eine weitere Europapokalteilnahme 1991. Man schied jedoch gegen Torpedo Moskau in der ersten Runde aus.
Das Inoffizielle Rückspiel gegen Eindhoven fand erst 35 Jahre später statt. Am 28.04.06 gab sich der Holländische Meister die Ehre. Die Mannschaft von Startrainer Guus Hiddink fand mit all ihren Stars und Talenten nach Halle. Mit dabei war unter Anderem Phillip Cocu, Jan Vennegoor of Hesselink, Ibrahim Afellay, Jefferson Farfán und viele weitere. Das Freundschaftsspiel endete, vor 5.000 Zuschauer im ausverkauften Kurt-Wabbel-Stadion, mit 3:0 für unsere holländischen Freunde. Doch das Endergebnis war angesichts der Umstände des Spiels mehr als zweitrangig. Die Mannschaft von ´71 bekam vom PSV Eindhoven Trikots als Erinnerung geschenkt.
Der Kreis schloss sich. Auch für Klaus Urbanczyk:
"Im Grunde ist es ja ein trauriger Anlass, aber dafür kann man sich umso mehr freuen, dass dieses Rückspiel überhaupt stattfindet und dass man die Gelegenheit hat, dabei zu sein. Wenn es damals ein bisschen anders gelaufen wäre ich wäre doch schon seit 35 Jahren tot."
Für ein paar Impressionen zu dem Spiel von 2006 geht es hier lang: http://archiv.hallescherfc.de/2005-06/galerie/g.htm?20060428-01?28?7
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Die Brandkatastrophe 1971
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