Ultras - Segen oder Fluch?
Als ich noch ein kleiner Junge war, nahmen mich Freunde meiner großen Schwester oft zu den Heimspielen des FC Bayern ins Olympiastadion mit. Von mir zuhause war das Oly in weniger als 15 Minuten mit dem Fahrrad zu erreichen und damals waren die Spiele so gut wie nie ausverkauft, außer natürlich dann, ab Mitte der 90er gegen die Löwen.
Über viele Jahre konnte ich so die Entwicklung der Südkurve mitbekommen, denn dort standen wir meistens, mitten unter den treuesten Fans, im Epizentrum der Stimmung. Heute würde man sagen: Bei den Ultras.
Damals kannte man den Begriff "Ultras" aber höchstens aus italienischen Stadien. In Deutschland, gab es zwar auch Hardcore-Fans, in Jeanskutte voller Aufnäher mit Schmähungen sämtlicher Bundesligavereine seit 1963, aber das waren meist ältere Semester und man hörte sie auch häufiger fluchen als singen. Ganz anders also, als der heute vornehmlich junge Kern der Ultrabewegung.
ULTRAS BEKÄMPFTEN DEN RASSISMUS IN DER KURVE
Die Kurve hat sich seitdem sehr verändert. Nicht in wenigen Fällen zum Positiven, wenn man nur an die wunderbaren Choreographien denkt, die die Ultras z.B. 2001 zum Champions' League Finale geplant und organisiert haben oder auch, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass es früher viel öfter rassistische und antisemitische Gesänge aus dem Fanblock zu hören gab.
Als jüdisches Kind überkamen mich in der Kurve furchtbare Beklemmungsgefühle, wenn das "U-Bahn-Lied" aus hunderten Kehlen schallte oder wahlweise der Schiri als "Jude" und Ajax Amsterdam als "Judenclub" "beschimpft" wurden.
Solche Szenen sind heute, zumindest in der Allianz Arena, der absolute Ausnahmefall geworden. Gott sei Dank. Das war auch und zu großen Teilen ein Verdienst, der aufstrebenden Ultragruppierungen, die seit den 90er Jahren sukzessive die Macht in der Südkurve übernommen haben und seitdem die Stoßrichtung vorgeben.
Sie schoben damit auch einen Selbstreinigungsprozess in der Südkurve an. So waren es z.B erst die Ultras, die durch ihr klares Bekenntnis zu Kurt Landauer, dem jüdischen Ex-Präsidenten des FCB, der vor den Nazis ins Exil flüchten musste und nach dem Krieg erneut die Leitung des Vereins übernommen hatte, den Club überhaupt erst dazu brachten, seine jüdisch geprägte Geschichte anzunehmen, aufzuarbeiten und zu pflegen.
Die Vereinsführung erklärte sogar, man hätte die jüdische Prägung des Vereins deshalb nicht schon viel früher zu einem zentralen Thema gemacht, weil man negative Reaktionen der eingefleischten Fans befürchtet habe. Als dann aber die Initiative von den Ultras ausging, das Gedenken an Kurt Landauer, und alles wofür er steht, zu ehren, fing auch der Verein an, sein jüdisches Erbe ins Zentrum des Fanbewusstseins zu rücken.
weiter zu Teil II
Aber das mit den Drehkreuzen ist schon auch recht krass ;)
Mittlerweile fahr ich, wenn ich geile Stadionatmospähre haben will eigentlich immer nach Stuttgart oder Frankfurt, da hat jeweils ein Freund von mir Dauerkarten.