Vielleicht wisst ihr es ja schon, vielleicht aber auch nicht.
Ich bin HSV-Fan. Seit fast 40 Jahren.
Und weil es so ist, kann und will ich es auch nicht mehr ändern. Auch wenn ich es mir manches Mal wünsche es doch zu können. An solchen Tagen wie gestern. Ich wünschte, ich wäre gelassener, wenn es um meinen Verein geht. So wie die Jungs aus der EffZeh-Gruppe hier. Die sind immer gut drauf, egal was gerade in Köln passiert. Oder auch nicht (passiert). Aber sie legen eine Menge Humor an den Tag, wenn es um ihren EffZEh geht. Und sie schätzen sich und ihren Verein und dessen Möglichkeiten auch nicht immer ganz realistisch ein. So sagte Midget uns unlängst bei einem Treffen in Berlin folgendes:
"Der EffZeh ist der einzige Traditionsverein in Deutschland!"
Aber sie tun das mit viel Humor.
Auch deswegen mag ich sie.
Mag sein das wir Norddeutsche da anders gestrickt sind. Aber auch wir HSVer leiden.

Seit ein paar Jahren auf zugegebenermaßen hohem Niveau, schließlich hat unser Vorstandsvorsitzender seine Antrittsrede wahr gemacht und den HSV unter die Top 20 Teams in Europa geführt. Im Umsatz und sportlich. Aber weil das auf Dauer in Hamburg nicht ausreicht, wenn man unter die Top 5 kommt, hat man vor dieser Saison, nach einem Last-Minute Einzug in die Euro League folgendes vor 11 Monate von Bernd Hoffmann bei einer Pressekonferenz zu hören bekommen:

Er bringt das Maß an Leidenschaft mit, das notwendig ist, um fünf Prozent mehr zu geben!

Jetzt, 11 Monate später, hat derselbe Mann die Reisleine gezogen und genau diesen Mann, in Person von Bruno Labbadia, gefeuert. Weil der die entscheidenden Prozente doch nicht gebracht hat. Und sogar noch Prozente verloren hat. Ohne Frage war die Personalie auch durch viele Verletzte nicht gerade vom Glück verfolgt, aber auch hausgemachter Ärger zeigten sehr früh, dass es beim HSV nicht nur an einem starken Sportvorstand mangelt, sondern dass Bruno Labbadia alles ist. Aber definitiv kein guter Trainer für eine Mannschaft mit Anspruch. Und das es ihm an Führungsqualitäten mangelt.

Viele (auch ich) sagen zur Entlassung:
Leider wurde er zu spät gefeuert!

Die unverbesserlichen Optimisten sagen:
Er wurde gerade noch rechtzeitig (für die Euro League) gefeuert!

Was am Ende richtig ist, werden wir vorläufig am Donnerstag, spätestens aber am 12 Mai beim Finale erfahren. Aber darum geht es hier auch gar nicht.
Es geht um Anspruch und Wirklichkeit.
Und der Anspruch war eindeutig:
Vor der Saison war das ausgemachte Ziel Minimum die Teilnahme an der Champions League und wenn es ideal läuft, sogar mehr.

Die Schale schien zum Greifen nahe, denn der Kader wurde offensichtlich sehr gut mit Ze Roberto und dem U-21 EM-Toptorjäger Marcus Berg verstärkt. Und als dann im Winter Ruud van Nistelrooy nach Hamburg kam, wurde aus Anspruch und Wirklichkeit schnell der große Traum. Denn alles schien möglich.

Doch wie haben die HSV-Fans bei dem Spiel gegen Fulham so schön supportet?
Die einzige Möglichkeit, Träume wahr werden zu lassen ist aufzuwachen!

Doch da das niemand im Verein sehen und damit Fehler eingestehen wollte, kam was niemals hätte kommen dürfen.
Die Mannschaft stellte den Spielbetrieb komplett ein. Und jetzt ist das eigentlich Hauptziel, die Teilnahme an der Champions League längst den Bach runtergegangen, sondern es wurden auch die zwischenzeitlich 8 Punkte Vorsprung auf den ersten Nicht-EL-Platz hergegeben und in uneinholbare 5 Punkte Rückstand verwandelt.

Wenn man jetzt nicht die EL gewinnt, dann war es das schlechteste Jahr unter Bernd Hoffmanns voller Verantwortung. Der vorgegebene Anspruch wurde von der Mannschaft mit den Füssen getreten und der Misserfolg und das Chaos in Hamburg schmerzhafte Wirklichkeit.
Und das ist es was mich, bei aller Freude über die endlich erfolgte Entlassung tief getroffen hat.

Ich habe mich gestern das allererste Mal in meinem Leben dafür geschämt HSV Fan zu sein.

Selbst in den späten 80ern und den ganzen 90ern, als der Verein von einer (Personal-)Krise in die nächste taumelte, hatte ich niemals dieses Gefühl. Damals hatte ich Mitleid und mich auch irgendwie damit arrangiert, dass der HSV eine durchschnittliche Mannschaft ist, die mit etwas Glück mal einen Ausreißer nach oben hat. Und manchmal halt nach unten. Damals habe ich mich so gefühlt, wie es wohl die EffZeh-Fans wohl seit Jahren tun. Außer dass uns der Abstieg erspart geblieben ist. Und deshalb bin ich doch froh, kein EffZeh-Fan zu sein.

Das alles ist seit dem Amstantritt von Bernd Hoffmann schnell in Vergessenheit geraten. Der Verein wurde entschuldet, der Kader wurde Jahr für Jahr (qualitativ) besser und spielte eine immer wichtigere Rolle und einen immer besseren Fußball. Und selbst als man mit Thomas Doll auf den Abstieg zu zutrudeln schien, war ich irgendwie siche: Alles wird gut.
Und es ging ja auch gut.

Doch jetzt habe ich, neben der Scham, Angst.

Angst davor, dass die Mannschaft zerbricht und der Verein in eine dieser sich selbstzerfleischenden Machtkämpfe zurückfallen kann. Denn eines ist mir klarer als je zuvor.

Der HSV braucht einen starken Sportvorstand. Einen der den Takt im sportlichen Bereich vorgibt und Ansprechpartner für alles im Bereich Sport ist. Einen der die Transfers steuert und einen Gegenpol gegen den "Sonnenkönig" Bernd Hoffmann gibt. Weil dessen Verhalten auch hinterfragt und in seinen eigentlichen Tätigkeitsbereich zurück gebracht werden muss. Und das ist die Führung des Vereins und der weiter wachsende wirtschaftliche Erfolg.

Einen Sportvorstand, der einen starken und autoritären Trainer etabliert, dem die Mannschaft nicht auf der Nase herum turnt. Der sich nicht zum Liebling der Presse macht um sich selbst ins rechte Licht zu rücken, sondern der für den Verein und dessen sportliche Erfolge und Perspektive steht.

Aber all das wird es nicht geben, solange Bernd Hoffmann alleine entscheidet und diesen mächtigen Widersacher so verhindert. Denn BH will und kann keine Macht teilen, sondern allein herrschen.
Genauso wünsche ich mir Antworten auf die vielen Fragen, die wir HSV-Fans alle gerade haben. So wie der Uhu in seinem heutigen Blog

Und auch das macht mir Angst.

Genauso wie die Tatsache, dass diese Position derzeit kaum adäquat besetzt werden kann, weil kaum eine Person (die bezahlbar wäre) diese Anforderungsprofile erfüllen kann. Und der bei dem Charakter den die Mannschaft in den letzten Wochen gezeigt hat, vielleicht auch gar nicht zum HSV kommen wollen würde. Egal wie viel Geld man ihm anböte.

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