Während die Ski-Alpinen schon über einen Monat fleißig aktiv sind, und auch die Skispringer sich schon beim 2. Weltcup in die tiefe stürzen, beginnen die Biathleten erst nächste Woche so richtig ihre neue Saison. Der Sommer war nach den Ergebnissen in Sotschi lang, vielleicht aber lang genug, um sich die Wunden zu lecken und nun neu anzugreifen.
Den totalen Umbruch hat es beim DSV-Team nicht gegeben, jedoch ein paar Neuerungen. Der Posten des Chefbundestrainers, der von Uwe Müßiggang ausgeübt wurden ist, wurde nach seinem Rücktritt nicht neu besetzt. Andreas Stitzl beerbt Fritz Fischer als Disziplin-Trainer bei den Herren. Die interessanteste Personalie ist aber vielleicht Tobias Reiter, der als neuer Disziplin-Trainer bei den Damen tätig sein wird. Reiter war vorher Stützpunktleiter in Ruhpolding, wo er u.a. Franziska Preuß und Vanessa Hinz trainiert hat. Besonders für Preuß, die in Sotschi die Schattenseiten des Sports voll abbekommen hat, dürfte Reiter eine Bezugsperson sein. Ricco Groß, der die Position des Disziplin-Trainers bisher innehatte, kümmert sich nun um das IBU-Team.
Bei all den Neuerungen ist es Grund genug, sich die neue Saison ein bisschen genauer an zu gucken und ein paar Prognosen zu stellen. Neben dem deutschen Team gibt es auch noch weitere Nationen, die heiß auf dem Winter sind.
Gewinner Gesamtweltcup
Herren:
Geht das Duell zwischen Martin Fourcade und Emil Hegle Svendsen weiter? In den letzten 3 Jahren gewann jedes Mal Fourcade vor Svendsen. Dieses Jahr droht das Duell aber auszufallen. Martin Fourcade erkrankte im Sommer am Pfeiffersches Drüsenfieber. Ob er trotz dieser hartnäckigen Krankheit an sein Leistungsoptimum heran kommt, ist im Moment noch fraglich. Des Weiteren hatte er die Planung sich mehr auf dem Langlauf-Weltcup zu konzentrieren.
Weg frei für Svendsen? 2009/10 gewann er den Gesamtweltcup danach folgte 4-Mal der zweite Platz. Konkurrenz gibt es aber im eigenen Team. Die Gebrüder Johannes Thingnes und Tarjei Bø haben sicherlich das Potential vorne mitzulaufen. Auch Fourcade darf man trotz Krankheit und Langlauf-Ambitionen nie abschreiben. Dennoch mein Favorit ist Emil Hegle Svendsen.
Damen:
Die Bilanz von Darya Domracheva: Weltcupsiege: 16, WM-Medaillen: 6, Olympiasiege: 3, Weltcupgesamtsiege: 0. Motivation genug es dieses Jahr zu schaffen. In Sotschi hat sie bewiesen, dass sie die stärkste Athletin ist. Im Laufen können nur wenige ihr das Wasser reichen und auch im Schießen ist sie konstant geworden. In der Vergangenheit haben häufig kleine Erkrankungen einen Gesamtweltcup-Erfolg verhindert. Wenn sie den Winter fit bleibt, geht der Sieg nur über sie. Die stärksten Konkurrentinnen werden Titelverteidigerin Kaisa Mäkäräinen und Gabriela Soukalová sein.
Bester Deutscher im Weltcup:
Herren:
Simon Schempp dürfte die größten Erwartungen wecken. Letztes Jahr war er am Ende im Weltcup auf Platz 10. Aber vor allem die zwei Siege in Antholz machen Hoffnung auf mehr. In diesem Winter muss er die Ergebnisse bestätigen und zusätzlich konstanter auf das Podest laufen. Zwar ist die Konkurrenz bei den Herren sehr groß, jedoch traue ich Schmepp den nächsten Schritt zu. Letzten Winter etablierte er sich als Schlussläufer in der Staffel. Er verlor zwar öfters den Zielsprint, es zeigt aber, dass er Verantwortung übernehmen will. Wenn am Ende der Saison erneut ein Weltcupsieg herausspringt und er sich im Weltcup Richtung Top-5 bewegt, dann kann man von einer erfolgreichen Saison sprechen. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist Arnd Peiffer.
Damen:
Auch Laura Dahlmeier traut man einen Schritt nach vorne zu. Die 21-Jährige ist vielleicht das größte Talent im gesamten Weltcup. Im letzten Winter absolvierte sie ihre erste komplette Saison. Am Ende reichte es für Platz 15 im Gesamtweltcup. Vor Allem durch perfekte Schießleistungen wusste sie zu überzeugen. Eine andere Stärke ist ihre Abgeklärtheit. Sie lässt sich von nichts aus der ruhe bringen. Selbst in den unruhigen Tagen von Sotschi behielt sie ruhigen Kopf und konnte mit Platz 13 im Einzel die Ergebnisse aus dem Weltcup bestätigen. Wenn sie sich im Läuferischen-Bereich steigert, ist die Top-10 mehr als realistisch.
Jedoch muss man Geduld haben. Im August verletzte sie sich bei einem Bergunfall und musste mehre Wochen pausieren. Dadurch verpasste sie die deutschen Meisterschaften, auch den Lehrgang in Norwegen musste sie genauso absagen, wie den Weltcupstart. Wahrscheinlich wird sie erst im Januar ihr Comeback geben. Da die Verletzung ein größeres Handicap ist, als zuerst angenommen, könnte die 14. Platzierte vom letzten Winter einspringen: Franziska Hildebrand ist nun die älteste im Team. Und es scheint als wäre sie bereit Verantwortung zu übernehmen. Man darf von ihr in dieser Saison einiges erwarten.
Die Sportler im Fokus:
Herren:
Es ist schon ein bisschen her, dass Andreas Birnbacher im Zielsprint Martin Fourcade und Anton Schipulin besiegte. Seinen letzten Sieg feierte Birnbacher im Dezember 2012 im Sprint von Pokljuka. Zu diesem Zeitpunkt war er der beste Athlet im DSV-Kader. Danach ging es Bergab, vor allem die letzte Saison war eine Saison zum abschreiben. Schon im Sommer verletzte er sich am Innenband und kam im Verlauf der Saison nie richtig in Form. In Sotschi reiste er nach nur einem Start und einem 22 Platz im Einzel vorzeitig ab und musste von Zuhause aus ansehen, wie seine Teamkameraden in der Staffel um Gold kämpften. Er beendete nach Sotschi auch seine Saison, da er am rechten Sprunggelenk operiert werden musste. In dieser Saison blieb Pech sein treuer Wegbegleiter. In Juni brach er sich die Schulter, was eine erneute Trainingspause bedeutete.
Birnbacher steht am Scheideweg. Für den Saisonauftakt war er nicht für den Weltcup gesetzt und musste sich erst dafür qualifizieren. Der deutsche Kader ist in der breite stark besetzt. Die Olympia-Staffel (Schempp, Peiffer, Lesser, Böhm) ist für die ersten Wettkämpfe gesetzt. Dahinter kämpfen mit Florian Graf, Christoph Stephan, Benedikt Doll, Johannes Kühn, Michael Willeitner und eben Andreas Birnbacher mehrere Athleten um die restlichen Plätze.
Birnbacher hat mit Sicherheit nicht den Anspruch im IBU-Cup zu laufen. Parallelen zu Michael Greis kommen auf, der jahrelang das Zugpferd der Männer war. Dann aber nach vielen Verletzungen seine Karriere beendete. Birnbacher muss dieses Jahr beweisen, dass er noch die nötige Qualität besitzt.
Damen:
Die Leidenszeit von Miriam Gössner ist lang. Im Mai 2013 stürzte Gössner beim Radfahren schwer. Sie brach sich drei Lendenwirbelkörper und entging nur knapp dem Rollstuhl. Dennoch war ihr Ziel die olympischen Spiele in Sotschi, dies musste sie aber Anfang Januar unter Tränen begraben. Im diesen Sommer konnte sie wieder trainieren und startete bei den deutschen Meisterschaften erstmal wieder bei einem Wettkampf. Dennoch ist der Weg zurück noch lang. Nicht nur physisch sondern auch psychisch hinterlässt der Sturz folgen. So sagte Bundestrainer Hönig: "Meine Erwartungen hinsichtlich Miriam sind sehr gedämpft. Der Sturz mit dem Mountain-Bike hat auch etwas im Kopf hinterlassen. Man merkt ihr an: die Unbekümmertheit, diese Frechheit, dieses Draufgängerische, das sie mal gehabt hat, ist mit dem Unfall ein bisschen verschwunden."
Die Hoffnungen in Gössner sind groß. Nachdem Rücktritt von Andrea Henkel ist sie die einzige aktive deutsche Athletin die einen Weltcup gewinnen konnte, sogar die einzige im momentanen Weltcup-Team, die es auf dem Podest geschafft hat. Nach Franziska Hildebrand ist sie nun auch die zweit älteste im Gesetztenteam. Verantwortung wird ihr so automatisch übertragen. Um Verantwortung jedoch zu übernehmen muss man vor allem selbst die nötige Sicherheit haben, um diese dann auf den Rest der Mannschaft zu übertragen.
Lange habe ich überlegt, wer die Athletin im Fokus sein soll. Im Endeffekt ist es Miriam Gössner, dabei sollen aber nicht die puren Ergebnisse im Fokus stehen, sondern viel mehr ihre Entwicklung. Im kommenden Weltcup soll sie viele kleine Schritte nach vorne machen, um wieder die Sportlerin zu werden, die sie war. Diese Entwicklung darf man spannend beobachten.
Überraschung der Saison:
Herren:
Lange musste er warten, um wieder bei einem Weltcup aktiv sein zu dürfen. Wenn er am Mittwoch im Einzel startet, ist dies schon die größte Überraschung, vor allem wenn man sich die letzten 2 Jahre ansieht. Michael Rösch gab im September 2012 bekannt, aufgrund von mangelnder Perspektive im deutschen Team einen Nationenwechsel anzustreben und zukünftig für Belgien zu starten. Dafür musste er auch seinen Posten bei der Bundespolizei aufgeben, die ihn eine finanzielle Sicherheit gab.
Dass so ein Nationenwechsel nicht von heute auf morgen geht, musste auch Rösch feststellen. Er verpasste nicht nur die Saison 2012/13 sondern auch Olympia. Erst im März konnte er im IBU-Cup wieder bei einem internationalen Wettkampf starten, zum ersten Mal unter belgischer Flagge. Für die aktuelle Saison besitzt der Olympia-Sieger von 2006 eine Wildcard. Was man genau von ihm erwarten kann, ist ungewiss. Ich kann mir aber vorstellen, dass er den ein oder anderen noch überraschen kann.
Damen:
Die Überraschungen der letzten Saison waren mit Sicherheit die Siege von Selina Gasparin und von Katharina Innerhofer. Gibt es in dieser Saison einen nächsten Sieg aus dem deutschsprachigen Raum? Die Südtirolerin Dorothea Wierer könnte es werden. Schon in der letzten Saison konnte die Schnellschützin mit 6 Top-10 Ergebnissen überzeugen. In Pokljuka reichte es sogar für ihr erstes Podest. In Sotschi holte die 5-malige Juniorenweltmeisterin mit der italienischen Mixstaffel Bronze. Diesen Winter könnte sie zur Weltspitze aufsteigen. Ich leg mich weit aus dem Fenster und sag: Wierer wird ihren ersten Weltcupsieg holen.
Deutsches Aufgebot für Östersund:
Herren: Arnd Peiffer, Simon Schempp, Erik Lesser, Daniel Böhm, Florian Graf, Andreas Birnbacher
Damen: Franziska Hildebrandt, Franziska Preuß, Miriam Gössner, Vanessa Hinz, Karolin Horchler, Luise Kummer
Wichtige Termine:
30.11. 07.12.2014 Weltcupstart in Östersund(SWE)
- 30.11 Mixed-Staffel
- 03.12 Einzel Herren
- 04.12 Einzel Damen
27.12.2014 Biathlon World Team Challenge auf Schalke
07.01. 11.01.2015 Heimweltcup in Oberhof
13.01. 18.01.2015 Heimweltcup in Ruhpolding
05.03. 15.03.2015 Weltmeisterschaften in Kontiolathi (FIN)
19.03. 22.03.2015 Saisonabschluss in Khanty Mansiysk (RUS)
Fourcade heute übrigens richtig stark.
Zum Blog: Wunderbare Übersicht, die einen Gelegenheits Biathlon-Beobachter wie mich sehr gut, auf die kommende Saison vorbereitet.
Ich weiß nur nicht, ob Franziska Hildebrandt wirklich beste deutsche Athletin werden wird. Die paar Eindrücke, die ich bisher von ihr sammeln konnte, machen mir da eher wenig Hoffnung. Als Biathlon-Fan muss man vermutlich hoffen, dass die Miri irgendwie wieder ihre Unbekümmertheit findet. Sonst könnte es wohl zappenduster werden.
Heute fand das erste IBU-Cup Rennen statt, überzeugen konnte bei den Damen nur Luise Kummer, der Rest scheint zurzeit nicht Weltcup tauglich zu sein.
Mit Alles auf Null hast Du genau den richtigen Titel gewählt.
Gespannt bin ich auch auf Gössner und Rösch und darauf, wer alles aus dem Nachwuchs dazu stossen kann. Vor allen bei den Damen.
Kann Fourcade in dieser Saison wirklich nach so einer Krankheit Top-Leistungen bringen?
Die 2 Aktionen zum Schluß, mal wieder typisch für ihn. Erst gegen den Norweger und dann Simon. Da muss Schempp auch mal dagegen halten, wie er es auch im Interview gesagt hat.
Klar, Fourcade ist ein Siegertyp, aber es ist schon auffällig, daß er sich an der Grenze des erlaubten bewegt.
Nichtdestotrotz ein sehr gelungener Auftakt für die Deutschen!!
Hätte ich so nicht erwartet.