Das Spiel gegen Algerien war nicht die beste Leistung der deutschen Mannschaft, aber dennoch ein ordentliches Spiel. Man kann nicht erwarten, dass die Gegner ab dem Achtelfinale keine Torchancen mehr haben. Betrachtet man die anderen Achtelfinalspiele, hat sich Deutschland gegen eine starke algerische Mannschaft gut präsentiert.
In den ersten 20 Minuten traten einige schwerwiegende Fehler auf, was hauptsächlich auf Shkodran Mustafi zurückzuführen war. Danach hat Deutschland das Spiel dominiert. 22:7 Torschüssen und 63 Prozent Ballbesitz sprechen für sich. Die deutsche Mannschaft hatte 5 hundertprozentige Torchancen und muss das Spiel normalerweise in 90 Minuten entscheiden. Algerien hatte 1-2 gute Gelegenheiten, dazu ein abgefälschter Distanzschuss.
Die Situationen, in denen Manuel Neuer aus dem Tor kam und klärte, als "riskant", "glücklich" oder "Harakiri" zu bezeichnen, ist absolut lächerlich. Die Qualitäten des deutschen Torwarts wurden bewusst eingesetzt. Sollte zum Beispiel Roman Weidenfeller im Tor stehen, würde sich die deutsche Abwehr komplett anders verhalten. Die Aktionen von Manuel Neuer sind also ein intelligent gewähltes taktisches Mittel und erscheinen nur aufgrund des "Live" Eindrucks und der dramatisierenden Stimme von Béla Rhety gefährlich.
Nun zur Diskussion über die Außenverteidiger und Philipp Lahm. Natürlich kann man darüber diskutieren, Lahm als rechten Außenverteidiger spielen zu lassen. Allerdings hätte die deutsche Mannschaft dann das Problem, im defensiven Mittelfeld mit Schweinsteiger und Khedira zwei angeschlagene Spieler zu haben. So traurig es ist, aber die Luft reicht bei beiden aktuell nicht für 90 oder 120 Minuten. Joachim Löw hat die Schwächen der EM 2012 und WM 2010 erkannt. Dort ist die deutsche Mannschaft aufgrund der Defensivschwäche und Defiziten bei Standardsituationen ausgeschieden. Deshalb wurden vor Turnierbeginn gezielt Standardsituationen trainiert und die Defensive gestärkt. Die großen Spiele beginnen im Viertel- bzw. Halbfinale. Bis dahin ist Zeit, das neue System einzuspielen.
Die Außenverteidiger müssen keinen Druck nach vorne ausüben, die Offensive der deutschen Mannschaft ist stark genug. Gegen Algerien wurden zahlreiche hochkarätige Torchancen erarbeitet. Auch bei den anderen Spielen kann nicht von mangelnder Torgefahr gesprochen werden. Boateng, Mertesacker und Hummels zeigen bislang sehr gute Leistungen, auch Höwedes agiert über weite Strecken souverän. Zumindest in der Defensive, und nur darauf kommt es an.
Man muss Joachim Löw anrechnen, dass er einen Paradigmenwechsel vollzogen hat. Schluss mit Eventfussball und Schwarz Rot Geil, es zählt nur das Ergebnis. Alle Spieler, Trainer und Betreuer verkünden öffentlich, dass sie lieber den WM Titel gewinnen als schön zu spielen. Das ist ein erfrischender Sinneswandel.
Ich bin für den weiteren Turnierverlauf außerordentlich optimistisch. Man kann nicht erwarten, während einer WM jeden Gegner 4:0 wegzuhauen. Auch Spanien musste bei der letzten Weltmeisterschaft Niederlagen oder knappe Ergebnisse hinnehmen. 2006 zelebrierte Italien ebenfalls den Ergebnisfussball. Deutschland hat genügend Optionen, um während des Spiels zu reagieren. Von der deutschen Bank kommen zum Beispiel Schürrle, Klose, Khedira. Im Vergleich zu anderen Nationen ist dies eine Qualität, die ihres Gleichen sucht. Um mit den Worten von Toni Schumacher zu schließen: Wer soll uns schlagen? Italien ist schon zu Hause.