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23.03.2010 um 20:15 Uhr
Wege der Zukunft - Offensivspiel
Im heutigen Blog möchte ich mich mit der hohen Kunst des Fußballs beschäftigen, dem Angriffsspiel. Jeder kennt den Spruch "Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften."

Es ist nicht zu bestreiten, dass die Defensive viel näher am Erfolg liegt als die Offensive. Wer sich aufs Torverhindern beschränkt, und hin und wieder einen Konter fährt, wird in den meisten Fällen erfolgreicher sein als eine Mannschaft, die versucht das Spiel zu bestimmen und in der Offensive das Risiko sucht. Dennoch gibt es immer wieder Mannschaften, die nicht nur Erfolg vor Augen haben, sondern die wahre Schönheit des Spiels zum Vorschein bringen.

Denn die wirklich großen Mannschaften schaffen es Schönheit und Erfolg zu verbinden. Diese Mannschaften werden dann von ihren eigenen Fans geliebt, und vom Gegner in höchstem Maße respektiert. Jüngste Beispiele für solche Mannschaften sind der FC Barcelona oder die spanische Nationalmannschaft.

Beide Mannschaften sind stark geprägt von den Mittelfeldspielern Xavi und Iniesta. Die beiden verstehen es immer anspielbar zu sein, den Ball in jeder Lage zu behaupten und haben darüber hinaus immer eine Idee für einen Spielzug auf Lager. Sie fallen nicht besonders auf wie ein Messi oder Cristiano Ronaldo, doch wer einmal ihr Spiel betrachtet kann vielleicht erahnen, welche Klasse sie mitbringen. Selbst in größter Bedrängnis behaupten sie sich, verteilen die Bälle und wechseln Seiten, immer mit dem Ziel die eine Lücke zu finden, und sind immer bereit den einen, tödlichen Pass zu spielen wie nur wenige es können.

Eine Sache der Mentalität
"Die Spielweise einer Mannschaft spiegelt immer die Mentalität des Trainers wider."

Es gibt die pragmatischen, nüchternen Trainer, die ehrliche Arbeit vorziehen und dies auch an ihre Spieler weitergeben. Es gibt die Vorsichtigen, die erst einmal abwarten, was der Gegner macht, um dann auf dessen Schwächen zu reagieren.

Und hin und wieder gibt es einen Ästhetiker, einen Träumer, der sich an langen Kombinationen erfreuen kann und dessen Mannschaft versucht dem Gegner ihr Spiel aufzuzwingen. Ihm geht es nicht um die Ausnutzung der Schwächen des Gegners, sondern er verlässt sich auf die eigene Stärke. Mannschaften mit solchen Trainern verzichten fast gänzlich auf Konterfußball und lassen den Gegner Aufstellung nehmen, um dann in Ruhe und mit einem klaren Plan anzugreifen.

Gerade den Südländern wird diese angriffslustige, offensive und ein wenig arrogante Spielweise zugesprochen. Und auch sie sind es, die die meisten herausragenden Offensivspieler und die beeindruckendsten Teams hervorgebracht haben. Es besteht ein gänzlicher Unterschied zwischen Ländern wie Spanien, Argentinien und Brasilien und Ländern wie England oder Deutschland. In England und Deutschland wird recht körperbetont gespielt, der Zweikampf und die Athletik stehen im Mittelpunkt. In Spanien dagegen wird viel mehr Wert auf Technik und Spielintelligenz gelegt.

Fragt man deutsche oder englische Spieler nach südländischen Spitzenteams, so hört man häufig Bewunderung aus ihren Worten heraus. Fragt man einen spanischen oder südamerikanischen Spieler nach dem deutschen oder englischen Fußball, so hört man Respekt und Anerkennung, aber keine Bewunderung. Man respektiert den Erfolg dieser Länder, aber mit der Spielweise können sich diese Spieler nicht anfreunden.

Auch hat man Respekt vor den deutschen Tugenden, lobt die Pünktlichkeit und Beharrlichkeit, aber wirklich verstehen können die meisten Südländer die Deutschen nicht. Die wirklich großen Teams, die ungarische Wunderelf, Real Madrid um 1960, Brasilien mit Pelé, Argentinien 1986, oder Spanien bei dem EM 2008, waren alle für ihre Offensivkraft bekannt. Man zitterte vor ihren Sturmreihen, die meisten dieser Teams spielten ihren Gegnern um Jahre voraus, und das ist es, was wir am Fußball bewundern, nicht die ergebnisorientierte Spielweise, die wir heutzutage meistens zu sehen kriegen.

Probleme in der (nahen) Zukunft
Ein Trend war in den vergangenen Jahren immer stärker zu beobachten:

Selbst schwache Mannschaften schaffen es, gegen einen spielerisch überlegenen Gegner geordnet zu stehen und das eigene Tor weitestgehend sauber zu halten.

So beeindruckend manche Experten taktische Meisterleistungen in der Defensive finden, desto beunruhigender ist dieser Trend. Immer mehr Mannschaften beschränken sich auf das reine Defensivspiel, das ist gerade in Deutschland zu sehen wenn der FC Bayern kommt. Arjen Robben sagt dazu, er habe nicht erwartet, dass die deutschen Mannschaften so defensiv stehen. Robben ist aus Spanien anderes gewöhnt, dort spielen auch die schwächeren Teams offensiver und risikoreicher.

Der Punkt ist, dass selbst ein Drittligist gegen (fast)zumindest 60 Minuten gut aussehen kann, bis die Kräfte nachlassen. Jedes Team spielt inzwischen mit Raumdeckung, besonders gute Einzelspieler werden eben gedoppelt, gedreifacht oder einfach per Foul gestoppt. So schaffen es auch immer wieder Außenseiter in den Pokalwettbewerben gegen große Teams zu bestehen.

Das ist allerdings nicht das erschreckende, sondern dass die meisten Bundesligisten und auch internationalen Teams wenig mit dem Ball anzufangen wissen, wenn sie ihn erst einmal haben. Wenn der Gegner geschickt verteidigt und dem Favoriten auch bei eigenem Ballverlust keine Möglichkeit zum Konter gibt, haben die meisten Teams Probleme Ideen zu entwickeln um durch die gegnerischen Abwehrreihen zu gelangen.

Durch diese Erkenntnis gelange ich zu der These, dass die wahre Kunst des Fußballs im 21. Jahrhundert die des Offensivspiels ist.

Diese Erkenntnis betrifft nicht nur die Spitzenteams, sondern jedes Team auf dem Globus, welches es mit einer inzwischen standardmäßig organisierten Deckung zutun bekommt. Also gilt es für die heutigen Trainer vor allem darum zu klären, was die eigene Mannschaft mit dem Ball anfangen kann wenn sie ihn erst mal erobert hat.

Taktik existiert in den Köpfen der meisten Fans nur für die Defensive, in der Offensive wird die Kreativität und die Schnelligkeit der Spieler es schon richten. Nur wenige beschäftigen sich mit Spielzügen, Angriffstaktiken und Spielerrochaden. Doch genau dort möchte ich in der nächsten Woche ansetzen und versuchen zu klären, welche Methoden zum Knacken einer kompakten Defensive es gibt und wo noch Entwicklungsbedarf besteht.

Außerdem habe ich vor, hier bei Spox eine Art Taktikregister anzulegen. Genauer gesagt geht es darum einen Sammelplatz für alle taktischen Dinge im Fußball zu schaffen. Darauf sollen alle gängigen Spielsysteme, spezielle Mannschaftsanalysen aber auch historische Teams behandelt werden. Dafür müsste ich allerdings wissen, ob dafür Interesse besteht und wer Bock hätte dabei mitzuwirken. Ich werde dazu in den nächsten Tagen auch noch einen Blog schreiben und wahrscheinlich eine Gruppe eröffnen, aber zuerst wollte ich wissen ob ihr euch dafür interessieren würdet und wer mitmachen würde, denn sonst macht die Aktion keinen Sinn!
Aufrufe: 12735 | Kommentare: 43 | Bewertungen: 35 | Erstellt:23.03.2010
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KOMMENTARE
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wiesbadener05er
23.03.2010 | 20:26 Uhr
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23.03.2010 | 20:26 Uhr
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Wie immer klasse blog!!!!! Daumen Hoch!!!! Wenn du willst würde ich gerne bei deiner taktik sammlung helfen!
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Donald
23.03.2010 | 20:31 Uhr
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Donald : 
23.03.2010 | 20:31 Uhr
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Donald : 
Ich wäre auch dabei !

Ich könnte in einem Blog alle Spielsysteme zusammenfassen. So eine Art grafische Übersicht. Dort könnte man dann auch Blogs, falls sich Blogger finden, die ein Spielsystem allgemein genau beleuchten, verlinken.

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ramsey16
23.03.2010 | 21:36 Uhr
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ramsey16 : 
23.03.2010 | 21:36 Uhr
-4
ramsey16 : 
@Taktiker


Erstmal: Als ich die Überschrift las, habe ich mich echt gefreut: "Offensivspiel", genau das was mich am meisten interessiert. Ich war voller Erwartung auf deinen Blog, und....ich wurde nicht enttäuscht!
Es ist unglaublich wie viel Fachwissen du als Grundlage mitbringst, und dann den Blog gut, schreibst, d.h. dass man nicht einschläft. Die Probleme hast du auch sehr gut analysiert.

Kurz: Herausragender Blog(mal wieder)!

zu deiner Idee am Ende:

Ich hätte eigentlich schon Lust da mitzuwirken, bin aber nicht sicher, ob ich es aus Zeitgründen schaffe, da ich jetzt erstmal 5 Wochen größtenteils ohne Computer bin. Mir schwirren da schon 2 Themen im Kopf 1) Wengers Philosophier(weiß aber nicht, ob das so passt

oder 2) Das 4-3-3

ich muss mal sehen, auf jeden Fall: tolle Idee!

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Romni
23.03.2010 | 21:50 Uhr
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Romni : 
23.03.2010 | 21:50 Uhr
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Romni : 
Wirklich klasse Blog! Menotti hat das mal mit linken und rechten Fußball betitelt, seine Ansichten dazu sind wirklich mehr als interessant - kann ich nur empfehlen.

Etwas verwundert bin ich über diese Aussage "Die Spielweise einer Mannschaft spiegelt immer die Mentalität des Trainers wider."

Wie meinst du das? Denn ich denke das teilweise die Mentalität eines Volkes es mehr bestimmt als es zum Teil der Trainer kann/darf.

Wo ich dir 100% zustimmen kann ist, das Deutschland etc respektiert wird für ihre Art des Spielens aber z.B. in Brasilien alles andere als bewunderswert finden.
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Taktiker
23.03.2010 | 22:28 Uhr
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Taktiker : 
23.03.2010 | 22:28 Uhr
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Taktiker : 
@Romni

Nun ja man sieht bei einem Trainer genau an der Aufstellung und Ausrichtung, wie sicher er sich seiner sache ist, wieviel Mut er beweist und wie er sich und den Gegner einschätzt. Daraus kann man meistens schließen wie der Trainer tickt, auch wenn natürlich die Spielweise auch vom jeweiligen Volk beeinflusst wird. Aber man sieht in Dortmund Klopps Mentalität, ebenso in München, van Gaal will alles kontrollieren, in Freiburg sah man langhe Offensivfußball, weil Finke eben ein solcher Charakter war. Das meinte ich damit.

@all

Schonmal klasse dass ihr mitmacht.
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Realmadrio
23.03.2010 | 23:13 Uhr
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Realmadrio : 
23.03.2010 | 23:13 Uhr
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Realmadrio : 
ich würde mich freuen wenn du einen blog über das weiße ballet veröffentlichen könntest das in den 1950er und 60er Jahren Europa verzauberte und dabei nicht nur auf die stars wie di stefano oder puskas sondern eben auch auf die männer eingehen würdest die die fäden zogen. zB santamaria!

daran wäre ich sehr interessiert! ich könnte wenn interesse besteht auch noch einen blog über das "moderne real madrid" unter manuel pellegrini schreiben, der mMn ein sehr klares und vA sehr offensives konzept hat (mehr tore als barca)
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Romni
23.03.2010 | 23:19 Uhr
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Romni : Taktiker
23.03.2010 | 23:19 Uhr
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Romni : Taktiker
Ah okay, jetzt kapier ich das, danke für deine Erklärung. Hatte das fälschlicherweise auf den Absatz mit den Südländern verstanden
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flevius
23.03.2010 | 23:35 Uhr
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flevius : 
23.03.2010 | 23:35 Uhr
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flevius : 
Guter Blog!

Auch ich würde mich bereit erklären, für eine Taktiksammlung Beiträge zu leisten. Man könnte über einen längeren Zeitraum, Spiel für Spiel eine Mannschaft, deren taktische Ausrichtung und Umsetzung gegen die unterschiedlichsten Gegner beobachten, analysieren und Veränderungen herausarbeiten...

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eyeballer
24.03.2010 | 13:12 Uhr
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eyeballer : 
24.03.2010 | 13:12 Uhr
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eyeballer : 
@kimosch

ich hoffe, dass mit der taktik im e-jgd bereich war nicht so gemeint, wie es bei mir rübergekommen ist! Oo


@taktiker

eigentlich möchte ich bei der sammlung schon mitwirken, aber ich bin derzeit noch unschlüssig ob ich die zeit investieren möchte.
"notier" mich mal als wackelkandidat. ;)
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ismail087
24.03.2010 | 13:20 Uhr
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ismail087 : 
24.03.2010 | 13:20 Uhr
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ismail087 : 
Ich wäre auch dabei bei deinem Taktikregister!

Ansonsten wie immer super Blog. 10Pkt.!!
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