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26.06.2010 um 09:46 Uhr
Von der Kunst des Scheiterns
Eines ist doch klar wie das Meer vor Kapstadt: Jedes Vorrundenfazit, das ohne die Worte "Italien" und "Frankreich" auszukommen versucht, ist genauso zum Scheitern verurteil wie ... naja, Italien und Frankreich halt. Also lasse ich mich von dem Gedanken erst gar nicht verführen.
Die WM-Vorrunde bot uns wie immer viel, diesmal aber auch wenig. Viel war geboten in den Kategorien "Taumelnde Topfavoriten", "Außergewönliche Außenseiter", "Stinkige Starkicker" und "Tragikomische Trainertypen". Wenig war leider vor allem in der Kategorie Tore geboten - der Schnitt nach der Vorrunde liegt mit 2,1 niedriger denn je zuvor. Viel zu viele 0:0s, viel Ballgeschiebe im Mittelkreis und herbeigewürgte 1:0s, die zu zählen zwei Hände schon nicht mehr ausreichen: Das hat man sich als Fußballfreund wohl anders vorgestellt. Eine WM auf dem afrikanischen Kontinent, der ja für übersprühende Lebensfreude bekannt ist - das ließ einen doch hoffen, dass sich die Teams den pulsierenden Umständen anpassen und ordentlich auf die sprichwörtliche Kacke hauen würden. Haben sie leider nur sehr bedingt.

Also, bringen wir es auf den Punkt: Der Weltmeister und der Vize-Weltmeister sind raus. Italien scheiterte in einer auf den ersten Blick lächerlich Vorrundengruppe, und das auch noch kläglich. Mit einer Rentnertruppe um den starrköpfigen Alt(!)meister Lippi konnte weder gegen Paraguay, noch gegen Neuseeland und erst recht nicht gegen Slowakei gewonnen werden. Ironischerweise war es vor allem die Defensivschwäche, die der traditionell Abwehrstarken Squadra Azurra diesmal den Zahn zog. Das jetzt allein dem Ausfall von Weltklassetorwart Buffon in die Schuhe zu schieben, wäre zu einfach. Cannavaro wirkte nicht nur in einer Szene viel zu langsam und konnte mit seinen fast 37 Jahren niemals an die starken Leistungen von 2006 anknüpfen. Aber da war er ja nicht der einzige. Was kommt jetzt für unsere heißgeliebten Freunde im Süden? Der Neuanfang natürlich. Cesare Prandelli wird hoffentlich ordentlich ausmisten und junge Spieler einbauen. Es ist ja nicht so, dass Italien diese nicht hätte. Lippi hatte nur keine Lust auf sie, es sei denn sie trugen ein Juve-Trikot.

Das Ausscheiden von Frankreich hatte nochmal eine andere Qualität als das von Italien. Ein Team, das für interne Streitigkeiten, Beleidigungen des Trainers und Boykotts von Trainingseinheiten mehr Energie aufbringt als für die 90 Minuten auf dem Platz, hat das Weiterkommen halt einfach nicht verdient. Der Sündenbock heißt natürlich Raymond Domenech, und das auch zu Recht. Aber auch die eitlen, aufeinander eifersüchtigen Stars haben ihr Scherflein zu der grotesken Blamage beigetragen. Natürlich kann man bei einer WM mal in der Vorrunde scheitern, auch als große Fußballnation. Aber nicht auf diese Art und Weise. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich schon mal ein Favorit durch sein Auftreten auf und neben des Platzes derart lächerlich gemacht hat wie die Grande Nation.

Sonst noch was? Klar doch! Favoriten wie England, Spanien und auch Deutschland taten sich schwerer als gedacht, ein italienisches Fiasko zu vermeiden. Während Deutschland und Spanien wenigstens phasenweise überzeugen konnte - Deutschland beim 4:0 gegen Australien gar mit dem vielleicht flottesten Angriffsfußball der gesamten Vorrunde - wirkten die "Three Lions" seltsam verkrampft und ängstlich. Dass es jetzt schon im Achtelfinale zum Klassiker gegen die Bloody Germans kommt, ist ärgerlich. Sage ich, weil da mein getippter Vizeweltmeister und WM-Dritter aufeinandertreffen. Aber auch, weil ein solches Traditionsduell eigentlich prädestiniert ist für ein Viertel- oder Halbfinale.

Zu den größten Außenseiterleistungen der Vorrunde zählten der 1:0-Sieg der Schweizer über Europameister Spanien, der tragischerweise doch nicht zum Weiterkommen für die Eidgenossen gelangt hat, und das starke Abschneiden von Neuseeland. Die Kiwis schnitten in ihrer Gruppe besser ab als Weltmeister Italien und waren ein Paradebeispiel dafür, wie man auch ohne qualitativ hochwertige Fußballer begeisternd spielen kann - einzig und allein durch unbändigen Kampfgeist und vorbildlichen EInsatzwillen. Die Südamerikanischen Teams waren durch die Bank stark in dieser Vorrunde. Uruguay kam aus einer sicheren Abwehr zu zwei locker herausgespielten Siegen gegen Südafrika und Mexiko. Paraguay ließ phasenweise echte Klasse aufblitzen, ebenso wie die leider unbeherrschten Chilenen. Argentinien war die überzeugendste Mannschaft der Vorrunde und geht als absoluter Topfavorit in die K.O.-Phase. Brasilien spielte erwartungsgemäß nicht mehr den Champagnerfußball früherer Tage, aber zeigte trotzdem viele schöne Ballstaffeten. Beim Team von Carlos Dunga hatte man immer das Gefühl, dass sie zulegen können, wenn sie nur wollen. Notfalls leider auch unter Zuhilfenahme unlauterer Mittel.

Dass mit Ghana nur noch ein afrikanisches Team dabei ist, ist für den Kontinent sicher schade. Aber es hat halt nicht sollen sein, und der Afrikanische Kontinent sollte trotzdem zufrieden sein. Denn unzweifelhaft ist diese WM, trotz der ein oder anderen sportlichen Enttäuschung, die farbenfrohste und stimmungsvollste, die ich bislang miterleben durfte. Vuvuzelas hin oder her. Jetzt hoffen wir einfach, dass es im heute beginnenden Achtelfinale endlich richtig heiß zur Sache geht, dass viele Tore fallen, dass weiterhin Favoriten weiterkommen und fallen. Jetzt geht die WM doch erst richtig los. Tröööt und so.
Aufrufe: 1490 | Kommentare: 3 | Bewertungen: 9 | Erstellt:26.06.2010
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KOMMENTARE
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xxlhonk
26.06.2010 | 11:29 Uhr
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xxlhonk : 
26.06.2010 | 11:29 Uhr
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xxlhonk : 
So war es.
Ungefähr.
Mir fällt zu dieser Vorrunde nur eines ein:
Endlich ist sie vorbei!

Guter Blog und 10 Punkte.
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meisterhell
26.06.2010 | 21:34 Uhr
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26.06.2010 | 21:34 Uhr
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Zutreffend, sprachlich top und mit dem nötigen kleinen Augenzwinkern.
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Famos
30.06.2010 | 14:51 Uhr
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Famos : 
30.06.2010 | 14:51 Uhr
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Famos : 
schöne zusammenfassung.
7 points!
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