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11.12.2012 um 12:17 Uhr
Vitamine bestätigen die Regel 1
Sepp windet sich mal wieder. „Es wäre falsch zu sagen, im Fußball wird nicht gedopt. " sagt er laut „SID" im Jahre 1999. Vor rund fünf Jahren behauptet er dann auf FIFA.com: „Derzeit gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis für systematisches Doping im Fußball." Drei Jahre später spult Sepp nach der WM 2010 und 500 negativen Dopingtests wieder zurück: „Wir sollten nicht mehr über Doping im Fußball sprechen." Jep, sollte man nicht. Besonders wenn, wie bei der WM passiert, den Spielern mitgeteilt wird in welcher Woche sie getestet werden, wie Doping-Experte Perikles Simon im Gespräch mit Daniel Drepper unterstreicht. Auf der FIFA-Medizinkonferenz diesen Jahres dann die nächste Drehung: „Der Kampf gegen Doping ist ein ernst zu nehmendes Thema, denn auch im Fußball gibt es durchaus Betrüger, das ist eine Tatsache." Dann vor wenigen Tagen auf Canal : „Es gibt kein organisiertes Doping im Mannschaftssport. Die meisten Fälle der 0,0irgendwas Prozent sind Drogen wie Marihuana und „Schnuff"[sic!]." Ja, was denn nun, Sepp? Wird gedopt oder nicht? Bringt es im Fußball etwas oder nicht? Um in diesem Chaos einen Hauch an Durchblick zu bewahren streifen wir durch die Geschichte des Fußballs – zwischen Pillen und Spritzen, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Nicht einfach an der Spitze der Industrie zu stehen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Ganz anders ist es da Anfang des Jahrtausends in der Berlin-Liga, also am anderen Ende der Branche. Ein talentierter Verteidiger träumt von der Karriere. Er spielt A-Jugend in der höchsten Berliner Spielklasse. Noch ist viel möglich, doch eine Verletzung wirft ihn zurück. Wieder einmal Reha, wieder einmal Kraftraum, wieder einmal „Scheiße am Fuß". Der Traum droht zu platzen, da kommt der Physiotherapeut mit einer kleinen Hilfe. „Nüscht schlimmet"- nur Kreatin, Glutamin, BCAA’s und Gaba. An sich alles nicht verboten und auch auf keiner Liste. Die Dosis wird aber ständig erhöht, vor den Spielen dann nochmal 2-3 Tabletten Paracetamol zur Schmerzlinderung und man ist wieder Leistungsträger. Schmerzmittel nehmen praktisch alle anderen auch, ein paar von ihnen auch den Spezial-Cocktail vom Physio. Schneller und stärker fühlt er sich. Mittlerweile verteilt er 89kg geballte Kraft auf 1,82m. Er fühlt sich wie „ein absoluter Stier". Der Cocktail wird über eine gesamte Saison genommen. Viele wissen gar nicht so recht, was sie da zu sich nehmen. Im Prinzip ist es recht einfach: Alles kein Doping! Kreatin trägt zur Energieversorgung der Muskeln bei und ist auch in Fleisch vorhanden. Allerdings ist die Dosierung zu beachten, da 5 g Kreatin in etwa 1,1 kg rohem Rindfleisch entsprechen. Man wird muskel- und leistungsstärker. Glutamin und BCAAs sind Aminosäuren und soll dem Muskelaufbau sowie bei der Regeneration während des Schlafes helfen. Die Aminobuttersäure Gaba soll der Schlafverbesserung und der Ausschüttung von Wachstumshormonen dienen. Der Teenager beichtet seinen Eltern, panische Aufforderung es sein zu lassen, Vereinswechsel, weitere Verletzungen, der Traum ist vorbei. Beim neuen Verein ist er sich nicht mal mehr sicher, ob er ohne Zusatzstoffe seine Leistung überhaupt bringen kann.

Das „gelbe" Wunder von Bern

Die Geschichte liefert Einblicke in die Welt des Fußballs. Sie zeigt, dass sich Leistungssteigerung egal auf welche Weise durch alle Ligen zieht. Das stört so weit scheinbar niemanden. Die Maschinerie rollt, der Zirkus fährt weiter und die Spieler sind die Tiere in der Manege. Verbände, Vereine, Spieler, Ärzte, Sponsoren und Regierungen – alle treffen sich unter dem Deckmantel des Schweigens. Das fängt schon früh an. Sepp maturiert gerade, als die Weltmeisterschaft 1954 das „Wunder von Bern" hervorbringt. Laut Sporthistoriker und Journalist Erik Eggers haben die damaligen Helden gedopt. „Skandal" schreien 2004 der DFB und die BILD-Zeitung. Zum Jubiläum beschmutzt wer das Nest! Doch was war passiert? Der Schweizer Platzwart des Berner Wankdorf-Stadions berichtet, dass er leere Ampullen in der deutschen Kabine gefunden habe. Die ARD und Guido Knopp wollen dem Vorwurf auf den Grund gehen – BILD in Person von Franz Josef Wagner echauffieren sich.



Auch der ehemalige Mannschaftsarzt, Dr. Franz Loogen, kommt zu Wort und spricht von Vitamin C-Injektionen. Helmut Rahn hätte auf einer Südamerika-Reise brasilianische Spieler mit Spritzen gesehen und wollte dies doch bitte auch machen. Der DFB segnet die angeblichen Placebo-Spritzen ab und siegt Nachkriegsdeutschland sensationell. Blöd nur, dass man bei der „Traubenzucker-Spritze" die Nadel weiterreicht. Sterilität ist manchmal schon praktisch. Blöd auch, dass dadurch beinahe die gesamte Mannschaft später an Gelbsucht (Hepatitis) erkrankt und zwei Spieler an Leberzirrhose sterben. Im Kontext der damaligen Zeit vermuten Experten das Aufputschmittel Pervitin als möglichen Grund für die Leistungsexplosion. Pervitin wurde während des 2. Weltkriegs insbesondere in Luftwaffeneinheiten genommen. Viele deutsche Spieler gehörten zu eben jenen. Dabei handelt es sich lediglich um den Markennamen. Dahinter steckt Methamphetamin, heute auch u.a. als Namen Meth bekannt und allen „Breaking Bad"- und Andre Agassi-Fans ein Begriff. Bewiesen ist freilich nichts, doch an reeller Aufarbeitung ist man auch nicht interessiert.

Toni packt aus

Auch in der Folgezeit schluckt und spritzt man munter weiter. Dank Harald Schumacher erhält bald jeder erste Einblicke. Es kommen so viele Einzelfälle vor, dass man von solchen gar nicht sprechen kann. So berichtet Sportjournalist Thomas Kistner im SZ-Magazin von dem in den 70er und 80er weitverbreiteten Captagon. Auch nur ein Markennamen, der Stoff ist das Amphetamin-Derivat und Aufputschmittel Fenetyllin. Der Stoff unterdrückt Ermüdungserscheinungen, wodurch der Körper überbelastet ist und überhitzt. Kann nebenbei zu einem Herzinfarkt führen. Kistner zitiert den Ex-Dortmunder Peter Geyer mit den Worten: „ Ich nahm zwei Tabletten, andere sieben oder acht!". Auch Peter Neururer thematisiert Captagon 2007 im SportBild-Interview: „Bis zu 50 Prozent haben das konsumiert. Nicht nur in der zweiten Liga. Es gab auch andere Mittel: alle Ephedrine, die auch von Radfahrern geschluckt werden. Das sind die Asthmamittel. Plötzlich hatte jeder Asthma." Auch sein ehemaliger Schützling Jens Lehmann bestätigt die Aussagen. Felix Magath setzt sich Ende der 80er wiederum für den Einsatz von Anabolika bei Verletzten ein, 2007 wiederholt er diesen Wunsch.

Teil 2: Schumacher, Zidane, Juventus, Cannavaro
Aufrufe: 11552 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 16 | Erstellt:11.12.2012
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KOMMENTARE
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funkbarrio
11.12.2012 | 12:34 Uhr
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funkbarrio : 
11.12.2012 | 12:34 Uhr
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funkbarrio : 
Für das Teil braucht man wohl auch ein paar Aufputschmittel Neben Journalisten wie Kistner und Drepper lege ich auch die Cycling4Fans-Seite jedem nahe, der sich da noch tiefer reinbegeben will. Da angesprochene RadioFeature von der ARD gibt es auf der Seite nur noch als Manuskript. Wer brennendes Interesse an der Hörversion haben sollte, der schreibt mir einfach ne PM
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KeyWin
16.12.2012 | 02:43 Uhr
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KeyWin : 
16.12.2012 | 02:43 Uhr
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KeyWin : 
Starkes Ding
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