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08.06.2013 | 6446 Aufrufe | 16 Kommentare | 10 Bewertungen Ø 9.0
Mein Lieblingskommentator
TuT gut!
"Wenn sie mal bitte aufpassen würden!"

Der Winter, sagt man, ist die staade Zeit. Der Sommer, sage ich, ist die fade Zeit. Deshalb müssen Vorkehrungen getroffen werden, um die Wochen des fußballerischen Vakuums überbrücken zu können. Und auch, wenn wir beim Gedanken und Gedenken an die Opfer der fürchterlichen Flutkatastrophe Ernsthaftigkeit walten lassen, muss sich die Erde weiterdrehen. Es ist der falsche Weg, in Resignation zu verfallen, gleichwohl die Ausmaße erschreckend sind. Angesichts dessen hoffe ich, mit ein bisschen Humor auf sportlich-medialer Ebene nicht gegen den guten Geschmack zu verstoßen. In den nächsten Wochen werden ein paar Blogs folgen, die das Tagesgeschehen nicht tangieren, aber vielleicht als Lückenfüller zu gebrauchen sind.


Die Kommentatoren-Riege in Fußball-Deutschland hat es nicht leicht. Marcel R. wird weitläufig die Rente nahegelegt, Bela R. häufig die Absolution für Länderspiele verweigert. Einen anderen Mikro-Dinosaurier belächeln manche nurmehr, für sein "Ui", für sein "Hui" und für sein "Hei" Dabei hat dieser Reporter eine wahrlich kostbare Fähigkeit: Jedes noch so missratene Spiel in einen kleinen Komödienstadl quatschen zu können.



Er redet exakt so wie er heißt: Friedrich Leonhard Ignatius Josef Maria Lamoral Balthasar von Thurn und Taxis.

Fritz ist kein gewöhnlicher Dampfplauderer. Noch dazu kommt er jovial und nonchalant daher, frei von Phrasen und Plattitüden. Okay, nicht ganz. Aber Fritz ist Kult. Und cool. Als mich zuletzt der Ohrenschmaus betörte, ihm lauschen zu dürfen, schrieben wir Ende April. Und der Mann verzückte mit feudaler Noblesse. Er gehörte zur raren Garde der Medienmenschen, die es fertig brachten, die gebündelte Buchstabenabfolge L-E-W-A-N-D-O-W-S-K-I zu vermeiden. Das war umso beachtlicher, da TuT in München zu den Massen sprach. Dass Freiburg zu Gast war, erkannte er spät, dafür lüftete er beflissen das Schweizer Bankgeheimnis. Shaqiri wurde für die Startelf nominiert und traf entscheidend. Fritz ahnte es sogleich ("Emre Can hats gemacht, da freut er sich aber"). Eine heroische Leistung. Hätte er nicht schon einen Adelstitel besessen, spätestens jetzt wäre die Verleihung überfällig gewesen.

Thurn und Taxis, ein Original. Ein Unikum. Und besonders ein Insider, einer, der die Sprache der Spieler im Repertoire hat und noch flüssiger den Dialekt der Trainer. Als ein Freiburger am Boden lag, sein Körper Pein verursachte und eine Fortsetzung des Arbeitstags fraglich schien, betätigte sich Fritz in seiner Paradedisziplin: Als Souffleur. Wenn der Coach seinen Blick hilfesuchend schwenken lässt, findet er in jedem Fall Rat auf der Pressetribüne. Oder auch andersherum. Es ist nicht immer ganz klar ersichtlich, wer letztlich an wen flüstert. Transporteur der Botschaften vom Spielfeldrand aber ist stets der schnauzbärtige Mann am Mikro.

Beim wehleidigen Freiburger Grasnarbenbetrachter waren sich Christian Streich und Fritz von Thurn und Taxis schnell einig. "Junge, du musst hart werden!", brüllte Fritz brüllte Streich. Der TV-Althauer wusste, was der Trainer seinem Abwehrspieler eingebläut hatte, und er kannte den Wortlaut bis ins Detail. Das ist meistens so bei Fritz, er beherrscht die komplexe Technik des Lippenlesens aus respektablem Sicherheitsabstand, wobei der Protagonist mit dem Rücken zu ihm steht. Einmalig im deutschen Profifußball.

Auch zu Granden vom Schlage eines Heynckes bestehen Wackelkontakt-freie Beziehungen. Don Jupp wolle unbedingt den Henkelpott gewinnen, jenen mit "den großen Ohrwascheln", erklärte Fritz - und trank den wissensdurstigen Zuschauer mit einer Exklusiv-Info unter den Tisch. Als schließlich kurz vor Schluss des mauen Neunzigminüters ein entblößtes weibliches Wesen übers Feld düste, analysierte der Journalist messerscharf: "Das ist der eigentliche Höhepunkt des Spiels, meine Damen und Herren."

Umgehend änderte der "Kicker" seinen Bericht ab.

Fritz von Thurn und Taxis ist der einzige Kommentator, der sogar den fürchterlichsten Grottenkick in ein lebendiges Fantasieland zu linguieren vermag. Bayern gegen Freiburg wird zwar in die Liga-Geschichte eingehen, aber Fürth gegen Hannover ebenfalls. Keine Kunst also angesichts der statistischen Verbuchung jeglichen Desinteresses. Doch bei Fritz wird man auf eine Reise mitgenommen, vorbei an Zigeunern, durch Donnerwetter, auf Tierfarmen: "Der Fuchs ist ein Hund!" Im Unterhaltungsbetrieb Bundesliga hat er einen festen Platz - für die Mehrheit ein (adliges) Ärgernis. Das verwundert nicht, denn TuT fordert den matten Pay-TV-Abonnenten permanent, und das zu einer Zeit, die eigentlich der Entspannung dienen sollte. Ein gemütlicher Fußballnachmittag aber steht nicht auf dem Stundenplan.

Der Fan am Fernseher darf sich in keiner Sekunde zu sicher fühlen. Big Fritz is watching you. Er ertappt einen beim gemächlichem Schlendern an den Kühlschrank: "Das ist ja unerhört!" Er ermahnt bei flüchtiger Unaufmerksamkeit: "Wenn Sie mal bitte aufpassen würden!" Er überprüft eben diesen dringlichen Appell, indem aus Miroslav ein Oskar Klose wird. Alles System, alles kein Zufall. Der Konsument soll mitdenken, seine Gehirnwindungen kräftig durchbluten, nicht träge umher gammeln und sich von monotonem Geschwafel beschallen lassen.

Dafür ist Marcel Reif höchstpersönlich zuständig.

Fritz von Thurn und Taxis hingegen beachtet die gesellschaftlichen Missstände. Es gibt schlichtweg zu viele in diesem Land, das nicht einmal seine Heimat ist, die sich nur allzu gern selbst reden hören, an produktiven Erzeugnissen jedoch "glatt vorbei" schrammen. Ein bedenklicher Zustand: "Das ist ein Ding!"

Schließlich und endlich: Seine Erhebungen der Stimme in der ultimativen Erhebung des Spiels. Fällt ein Tor, und sei es noch so unspektakulär, dann geht die Luzi in ihm nicht nur ab, sie beschleunigt mit einem langgezogenen "Uuuiiiiiii" oder katapultiert sich mit der aufgemotzten Variante "Huuuiiiiiiiii" in die angeschlossenen Funkhäuser. Und Fritz, die personifizierte Wandelbarkeit, legt das Geschoss bei Bedarf nochmals tiefer: "Heeeeiiiiii! Das ist ja suppa..."

Reporter-Institution Fritz von Thurn und Taxis zählt für mich zum Delikatessenreichtum in TV-Deutschland. Der 62-jährige hat nur einen schweren, ja unheilbaren, weil angeborenen Fehler. Er ist Anhänger des TSV 1860 München.



Auch erschienen bei: Planet of Sports

KOMMENTARE
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Voegi
MODERATOR
08.06.2013 | 13:49 Uhr
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Voegi : 
08.06.2013 | 13:49 Uhr
-3
Voegi : 
wieder ein ganz toll geschriebener blog.
allerdings muss ich dir ja sagen, dass ich mit fvtut ein bisschen auf kriegsfuß stehe. bin doch zumeist sehr genervt von ihm und rege mich über ihn auf.
und dennoch: wenn er irgendwann nicht mal mehr dabei ist, werde ich ihn ganz sicher vermissen...
2
Schnumbi
08.06.2013 | 13:53 Uhr
1
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Schnumbi : 
08.06.2013 | 13:53 Uhr
-2
Schnumbi : 
TuT kommt gleich nach Marcel Reif der nervigsten Kommentatoren, zumindest bei mir.

Sicher alles Experten aber hören mag ich sie nicht mehr.
1
ryknow
10.06.2013 | 00:33 Uhr
0
-3
ryknow : 
10.06.2013 | 00:33 Uhr
-3
ryknow : 
Beim letzten Satz mit dem Geburtsfehler musste ich herzhaft auflachen. Und während des ganzen Blogs grinsen. Du schreibst wirklich großartig!

Zum Kommentator selbst:
Ich kann seiner Art zu kommentieren wenig abgewinnen. Aber mich nerven die meisten Kommentatoren im deutschen Fernsehen. Das merke ich vorallem daran wie angenehm ich es bspw finde ein Bundesliga-Spiel in einem englischen Stream verfolge.
0
sash10
10.06.2013 | 15:53 Uhr
1
0
sash10 : 
10.06.2013 | 15:53 Uhr
0
sash10 : 
TuT #1

Die fachlichen Schwächen sind mir bei ihm einfach egal. Fühle mich von ihm immer gut unterhalten.

Hui Uiuiui!
1
SF11
10.06.2013 | 16:32 Uhr
1
0
SF11 : 
10.06.2013 | 16:32 Uhr
0
SF11 : 
Unvergessen sein Auftritt beim Spiel Getafe gegen Bayern...
Nachdem Toni das 3:3 macht: " Tooooooooor, das ist unglaublich, das habe ich noch nicht erlebt..." 30 Sekunden Fritz aufm Höhepunkt. Man vergleiche das mal mit dem Radiokommentator von Bayern 3. Bei TuT ist immer Stimmung wie aufm Friedhof

Auch genial, als er plötzlich Arne Friedrich bei Leverkusen gesehen hat
Und auch immer wieder herrlich wie er jedes mal Alaba und Boateng verwechselt
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multitronic
10.06.2013 | 17:47 Uhr
1
-1
multitronic : Unmöglich
10.06.2013 | 17:47 Uhr
-1
multitronic : Unmöglich
Reif und FvTuT sind die Gründe, warum ich mir Spiele - welche auch im ZDF übertragen werden - trotz Vollabo nicht auf Sky anschaue ... so auch das CL-Finale. TuT ist (für mich) eine Zumutung, kann dem keine 5Minuten zuhören ...

Wenn er zu Gast in Talkshows ist finde ich ihn ok, aber am Mikrofon kann er nichts ... außer nerven ...
1
Hechti
10.06.2013 | 19:04 Uhr
0
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Hechti : 
10.06.2013 | 19:04 Uhr
0
Hechti : 
Super Blog, super geschrieben. Ich habe Tränen gelacht. Danke dafür.

Es ist aber schon auffallend, wie sehr die Leistungen von TuT und Reif über die Jahre abgenommen haben. Noch Anfang der 90er gab es kaum Jemanden, der die Beiden für ihre Leistungen am Mikro kritisiert hätte. Nicht umsonst haben sie seit vielen Jahren diesen hohen Bekanntheitsgrad beim gemeinen Fußballfan. Aber wie so oft, wenn man nahezu von Allen aus seinem Umfeld über viele Jahre gelobt wird, verliert man nach und nach den Bezug dazu stets auf der Höhe zu bleiben. Beide sonnen sich in Selbstgefälligkeit, sind Kritik resistent und suchen sich ständig die Pralinen unter den Übertragungen heraus, zu meinem Leidwesen zu oft Bayern München.
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RoyRudolphusAnton
10.06.2013 | 21:45 Uhr
1
0
10.06.2013 | 21:45 Uhr
0
@ Hechti

Danke für das Lob Ich höre TuT wirklich gerne, das war nicht ironisch gemeint, auch wenn der Text natürlich von der Übertreibung lebt. Genauso wie mir klar ist, dass ich mit meiner Meinung ziemlich einsam dastehe.

Reif hat extrem nachgelassen, das stimmt. Vor zehn, fünfzehn Jahren war er für mich der mit Abstand beste Kommentator, aber seit einiger Zeit wirkt er lustlos und gelangweilt. Bei TuT gefällt mir einfach seine Art, ein Spiel zu begleiten. Wie das in den Neunzigern war, kann ich nicht beurteilen, weil ich ihn da noch nicht kannte / mitbekam.
1
ryknow
11.06.2013 | 03:57 Uhr
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ryknow : 
11.06.2013 | 03:57 Uhr
0
ryknow : 
Als Reif damals bei RTL die Champions-League kommentiert hat, war er großartig! Seitdem und auch seit er "Chefkommentator" bei Sky ist, hat er doch sehr nachgelassen.
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DerDugen
11.06.2013 | 16:59 Uhr
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DerDugen : 
11.06.2013 | 16:59 Uhr
-1
DerDugen : 
nur, wenn man 100 jahre lang mist kommentiert, wird man doch nicht zum kult - der typ ist eine zumutung - nicht zu fassen, dass er geld dafür bekommt
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