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27.02.2013 um 15:02 Uhr
The sudden crisis of the False 9
Die plötzliche Krise der falschen 9

Noch gestern, so würde vielleicht die Süddeutsche Zeitung heute schreiben, wurde die innovative taktische Idee der sogenannten "Falschen 9", also dem Spiel ohne klassischen Mittelstürmer, so wie es der FC Barcelona seit der Saison 2010/2011 regelmäßig praktiziert, landauf, landab in den höchsten Tönen gelobt. Dies sei, so hieß es von überall her, modernes und zukunftsgewandtes Spiel. Der Trend griff über - bei der letztjährigen Europameisterschaft in Polen und der Ukraine stellte der spanische Nationaltrainer Vincente del Bosque Francesc Fàbregas ins Strumzentrum, und lies Fernando Torres, noch im Finale der vorherigen Europameisterschaft gefeierter Siegtorschütze, meist auf der Bank schmoren. Da wollte Joachim Löw nicht lange fackeln (die Spanier seien ja das Nonplusultra im Weltnationalmannschaftsfußball) und kokettierte öffentlich mit der Idee Marco Reus oder Mario Götze für die standesgemäßen Startplatzanwärter Miroslav Klose/Mario Gómez auflaufen zu lassen. Beim letzten Länderspiel, das erst Anfang Februar gegen Frankreich 2:1 gewonnen wurde, beorderte Löw kurz nach der Halbzeitpause beim Stand von 1:1 einen gewissen Mesut Özil an die vorderste Front. Das Experiment gelang, ARD-Kommentator Scholl und insbesondere Joachim Löw feierten die (eigene) Idee in der öffentlich-rechtlichen Analyse fast schon ein wenig zu ausgiebig. Im Zuge der andauernden Spekulationen um einen Transfer von Robert Lewandowski spekuliert auch der Dortmunder Anhang über ein barceloneskes Angriffskonzept, als interne und kostensparende Lösung im Falle eines vorzeitigen Wechsels des polnischen Torjägers.

All das ist nun plötzlich seit gestern Nacht Makulatur. Barcelona verliert im eigenen Stadion sang- und klanglos, aber vor allem uninspiriert und kraftlos gegen ein kämpferisches, hochmotiviertes Real Madrid. Messi trabt irgendwo im Nirgendwo lustlos zwischen einer ständigen Überzahl weißer Riesen umher, kein Pass will so Recht gelingen, kein Dribbling glücken, und als die Katalanen nach dem 0:2 in dringenstem Zugzwang sind – gelingt noch weniger. Bis zum Ende erspielte sich der amtierende Pokalsieger bis auf das (glückliche) Tor von Jordi Alba, keine echte Torchance mehr. Recht ähnlich verlief letzte Woche auch das Auswärtsspiel beim radikalverjüngten AC Mailand. Der große Favorit auf den Titel droht nach desolater Vorstellung bereits im Achtelfinale der Champions League die Segel zu streichen. Auch hier lief man zunächst einem 0:1 hinterher, kreierte keine wirkliche Gefahr vor dem Tor der Italiener, und fing sich konsequenterweise kurz vor Schluss, nach einem Ballverlust am gegnerischen Sechzehnmeterraum, auch noch das 0:2 ein.

Viele Kommentare in den einschlägigen Foren weisen nun darauf hin, dass es dem lange unangefochten besten Team der Welt möglicherweise doch an einer Alternative zum ballverliebten Tiki-taka-Stil fehlt. Wenn man gegen einen defensiv stehenden Gegner früh in Rückstand gerät, bzw. in einem Rückspiel unbedingt treffen und gewinnen muss, ist man meist zwangsläufig im Ballbesitz – es fehlen lediglich die offenen Räume um den Ball vor das Tor zu bekommen. In den letzten Spielminuten fliegen manchmal ein paar hilflose Flanken vor den Elfmeterpunkt, aber man kann ja schlecht von den kleinen Messi, Villa oder Iniesta fordern diese Hereingaben zu verwerten. Auch Distanzschüsse sind in dieser Konstellation kaum möglich, da das Feld von eigenen und gegnerischen Spielern zugestellt ist. Als Bayern München während der ersten Saison unter Louis van Gaal immer wieder einem Rückstand hinterherlaufen musste, oder ein Remis in einen Sieg umbiegen wollte beorderte der holländische Trainer-Coach immer wieder den bulligen, hochgewachsenen Daniel van Buyten in den Sturm, einen Riesen der hohe Bälle an Mitspieler weiterleiten oder direkt ins Tor bugsieren konnte. Zudem standen im Sturm auch noch Klose und Gómez zur Verfügung. Diese letzte, brachiale Option, mit gutenglischen hohen Bällen in den letzten Minuten ein gewünschtes Ergebnis zu erzwingen steht im Schönspielmekka von Barcelona nicht auf der Agenda. Man mag zurecht am ästhetischen Wert dieses taktischen Mittels zweifeln, aber sollte sich, gerade auch als Culé, als fanatischer Barça-Anhänger, fragen, ob man auf diese Weise in den letzen Jahren einige große Titel fahrlässig verspielt hat – als Beispiele mögen die jeweiligen Halbfinalniederlagen gegen Inter Mailand (2009/2010) und Chelsea London (2011/2012) dienen. Die Katalanen waren jeweils über 180 Minuten, grade auch in den Rückspielen im heimischen Camp Nou mit früher Überzahl, die dominierende Mannschaft, die aber aus zahlreichen Chancen zu wenig Zählbares erwirtschaften konnte.

Mario Gómez ick hör dir trapsen...

(es 27.02.2013)
Aufrufe: 6160 | Kommentare: 15 | Bewertungen: 4 | Erstellt:27.02.2013
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KOMMENTARE
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vanGaalsNase
02.03.2013 | 23:14 Uhr
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02.03.2013 | 23:14 Uhr
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@ Ahab: Vielen Dank für das Kompliment.

Ich beteilige mich nicht an solchen Spekulationen. Für mich ist das keine Frage, ob dieser oder jener Spieler dorthin oder hierhin passt. Das kann man vorher nie einschätzen, aber hinterher ist man immer schlauer.

Barca muss versuchen, diese Saison in aller Ruhe mit der Meisterschaft zu beenden (von einem Weiterkommen in der CL kann man nicht ausgehen). Dann wird man sehen, ob Tito wiederkommt (was ich bezweifle) und dann wird man sich neu orientieren. Aber ein Überdenken des Spiestils wird nicht einsetzen. Es wird kein Klose kommen, kein Lewa und auch kein Mandzukic.

Das ist auch überhaupt nicht nötig, weil Barcas Stil immer noch das Maß aller Dinge ist (siehe spanische N11). Viel wichtiger ist die Trainerfrage. Gibt es einen geeigneten Ersatz für Vilanova?

In den vergangenen Jahren seit 2008 mussten sich alle Teams, die auf Barca trafen, mit der Frage auseinandersetzen, wie man dieses Kurzpassspiel verteidigt. Nun muss sich Barca fragen, wie man gegen die neuen Abwehrmethoden ein konstruktives Gegenmittel findet. Das erfordert aber keinen neuen Stürmertyp, sondern einen besseren Taktiker als Roura.
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Ganibudambi
03.03.2013 | 12:02 Uhr
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03.03.2013 | 12:02 Uhr
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@vanGaalsNase
Ich denke, dass dein Hinweis auf die Spanische Auswahl nicht gany schlüssig ist. Wieso behauptest du, das Barcas Stil das Maß aller Dinge sei, weil Spanien genauso spiele? Das ist doch nur begrenzt war - hätte sich Villa damals nicht so schwer verletzt, wäre er als Mittelstürmer aufgelaufen: Keine falsche 9 à la Fàbregas! (der die Positionsanforderungen für mich auch überhaupt nicht erfüllt)
Zudem möchte ich festhalten, dass das Spanien der Euro 202 mit nichten so dominant war, wie das Spanien der vorherigen Turniere, und auch nicht zu gleichzusetzen ist mit dem Barca der letzten Jahre. (Eben auf Grund der verschiedenen Spielertypen.)
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vanGaalsNase
03.03.2013 | 13:00 Uhr
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03.03.2013 | 13:00 Uhr
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Spanien und Barca spielen einen ähnlichen Stil. Die Unterschiede ergeben sich aus der geringeren Eingespieltheit der Akteure, der etwas anderen Rolle von Xavi und aus dem Fehlen von Messi. Dennoch kann man beide Mannschaften sehr gut vergleichen.

Beide haben sehr viel Ballbesitz, spielen mit einer "falschen Neun" und lassen den Ball schnell und präzise zirkulieren. Damit haben beide Mannschaften bis 2012 alles gewonnen. In sofern ist dieser Kurzpassstil für mich der (momentan) beste.

Weil Villa fehlte, musste sich del Bosque etwas einfallen lassen. Das hat er getan und war damit erfolgreich. Für mich war bei der EM immer noch eine hohe Dominanz da. Nur weil alle Medien den Stil kritisiert haben, ist der noch lange nicht schlecht. Auch bei der EM haben die Gegner schon wesentlich besser verteidigt als das 2010 und 2008 der Fall war. Das macht es für Spanien nun wahrlich nicht leichter. Dahingehend haben sie die gleichen Probleme wie Barca. Und bis zum Ausbruch von Vilanovas Krankheit konnte Barca damit noch umgehen. Unter del Bosque sehe ich bei Spanien da auch noch keine größeren Probleme.
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Moz
05.03.2013 | 10:21 Uhr
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Moz : falsche 9
05.03.2013 | 10:21 Uhr
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Moz : falsche 9
ich denke, die Taktik der falschen 9 wird massiv überschätzt, denn sie hat imho einen ganz eklatanten Nachteil: dieses System ist nur mit überragenden Einzelkönnern umsetzbar. Das kann funktionieren wenn Du Messi, Xavi und Iniesta im Team hast aber für fast jede andere Mannschaft bringt das rein garnichts. Ohne große Kreativität jedes Offensiv-Akteurs gelingt es so nicht Druck auf die gegnerische Abwehr zu erzeugen. Barca kann dieses Spiel in der Regel dem Gegner aufzwingen aber wer sonst noch?

schöner Beitrag Gani...
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vanGaalsNase
05.03.2013 | 13:10 Uhr
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05.03.2013 | 13:10 Uhr
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@ Moz: Das ist ein Argument, was ich noch nie verstanden habe. Seit wann ist es von Nachteil, wenn man technisch und taktisch gute Spieler braucht? Das wurde auch immer gesagt, als es um die Einführung der Viererkette ging. Das ist eine Herausforderung, der man sich stellen muss. Man kann doch von einer Idee nicht Abstand nehmen, nur weil es dafür überdurchschnittlich begabter Spieler bedarf. Dann muss man sich halt mal etwas intensiver mit dem eigenen Spielaufbau auseinandersetzen.

Wenn man bspw. einen zentralen Mittelfeldspieler hat, der torgefährlich ist und regelmäßig weiter vorne agiert - und einen solchen Spieler haben viele Mannschaften - hat man schon mal einen passenden Typus für die falsche Neun.

Die Angst vor neuen Ideen führt zu Stillstand, ohne dass man es je versucht hat. Dabei sollte man doch immer darum bemüht sein, sich weiterzuentwickeln. Und das Element der falschen Neun ist eine solche Weiterentwicklung. Die Spieler (hier die Spitzen) müssen technisch vielseitiger werden und zudem ein besseres Verständnis von Räumen und deren Besetzung erhalten. Das klingt schwieriger als es ist; stellt eher den Gegner vor Probleme als die eigene Mannschaft.

Vielleicht betreibt niemand das Spiel mit der falschen Neun so intensiv wie Barca, aber man sieht doch immer häufiger, wie sich Spitzen zum Ball fallen lassen, um sich für einen Kurzpass anzubieten, während nachrückende Spieler die vorne freigewordene Positionen einnehmen. Das sind genau die Verhaltensweisen einer falschen Neun
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