Seit Beginn gefühltem modernen Fußballdenkens spielt Bastian Schweinsteiger beim FC Bayern. Als ob das nicht genug wäre. Nein, nun beleidigt er auch noch die Fans des groß geredeten, klein gekauften Rivalens. Unsäglich, spricht das fußballpolitisch korrekt geprägte Herz. Dieser Mensch soll Kapitän der Nationalmannschaft werden?
Trotzdem?
Deswegen.
Was ist in all den Jahren aus dem spitzbübischen Bastian mit dem viel zitierten Spitznamen geworden? Das war doch so ein netter Junge, den man sich mit Poldi kichernd vor der Playstation vorgestellt hat.
Er ist erwachsen worden, gereift. Über die Jahre seiner Karriere verstand es Schweinsteiger immer mehr zu polarisieren. Seine Bedeutung für das Bayernspiel? Immer wieder angezweifelt? Bei der WM? Zu Beginn auf der Bank. Immer wieder waren Aussagen der Verantwortlichen nötig, seine Bedeutung zu unterstreichen. Er wurde nicht nur gemocht, er wurde nicht von allen geschätzt. Aber immer hat er seinen Platz gefunden. War da und prägte das Spiel der Mannschaft in wichtigen Spielen. Es hat jedoch lange gedauert bis er ein seine Schüchternheit in der Öffentlichkeit ablegen konnte.
Nach dem Rücktritt Lahms, den ich als Spieler, aber nicht als Kapitän vermissen werde, nach Jahren kontrollierter, von durchdachten, aber doch irgendwie konformen und zudem auch recht seltenen Konfrontationen, die selten von Emotion gezeichnet waren, verdient das deutsche Fanherz einen Kapitän, der zu ihnen passt.
Einen, der auf einer privaten Feier, auch mal einen Schmähgesang auf den Rivalen auspackt. Einen, der im Gefühlstaumel mit einem zugegeben, dämlichen Tanz, auch mal daneben tritt. Einer, der auch ein bisschen ist, wie wir sind. Nicht immer perfekt, auch mal gehässig, überglücklich, wenn die eigene Mannschaft siegt und manchmal noch der kleine Junge, der wir alle einmal waren. Lahm zeigte Profil, Schweinsteiger soll sein Herz zeigen.
Im zum politisierten Kräftemesen hochstilisierten modernen Medienfußball, mit unzähligen PR-Spezialisten, Medienberatern und Ghostwritern, sind Momente echter Emotion selten geworden. Nicht nur die Medien, nein auch wir Fans, sind doch dankbar für so kleine Gesten aus dem Inneren. Ich hätte Mertesacker küssen können, für seine genervten Antworten nach dem Algerienspiel. Bei Mario Götze hatte die selbst auferlegte Mediensperre eine wohltuende Wirkung. Danach kam wieder dasselbe weichgespülte, aber sicher in Google oder Facebook gekauften Studien reichlich markttechnisch erforschte, Gewäsch heraus.
Schweinsteiger traue ich zu aus der Rolle des angepassten Beruffußballers, der würdig, sich seiner Vorbildfunktion bewußt, regelkonform auftritt, hinauszuwachsen und ein echter Kapitän zu werden. Der sagt, was ihm nicht passt, der auch mal Scheiße sagt. Dem man glaubt, dass er dieses Spiel, ebenso liebt wie wir es lieben. Und vor allem einer, der aus dem Spiel nicht mehr machen will als es ist: ein Spiel.
Das schönste Spiel der Welt.
